Bevormundung durch Haltungsjournalismus - Die moralische Selbsterhöhung und ihre Folgen

Wer, wie Zeitungen und andere Medien, der Wahrheit verpflichtet sein müsste, darf nicht in erster Linie Empathie anbieten, für Flüchtlinge, Black Lives Matter oder sonstwen. Der Kabarettist Andreas Rebers über eng gewordene Meinungskorridore und selektive Wahrnehmungen in den Medien.

Kabarettist Andreas Rebers bei der Arbeit / dpa
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Autoreninfo

Andreas Rebers ist Kabarettist, Musiker, Komponist, Autor und soloselbstständig. (Foto: Susie Knoll)

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breaking news breaking news
they will always tell the truth
it is like the dogshit on my shoes
pick them up and get the Blues
breaking news breaking news.

Neulich habe ich mir überlegt, wie ich in der heutigen Zeit „Untertan“ übersetzen würde. Ich glaube, mit „entertain“!

Ich, der Bürger, sitze am Ende der medialen Nahrungskette und warte auf meinen täglichen Informations- und Meinungsmix. Die Information als Ware. Auf der einen Seite der Konsument und auf der anderen Seite die Meinungshersteller, die ihre Produkte dann über Informationsdarsteller in Wort und Bild auf den Markt bringen. Der Rest ist Quote.

Der Meinungsmarkt ist mittlerweile ähnlich aufgeteilt wie die Clankriminalität. Die einen machen die Drogen, die anderen den Menschenhandel und die dritten Immobilien und Körperverletzung. Auf dem Meinungsmarkt kümmern sich die einen um die Willkommenskultur und die Angst vor dem Klimawandel und die anderen arbeiten mit den Kollateralschäden, die durch die Angst vor Zuwanderung oder Dieselhass entstehen. Dann trifft man sich in ARD und ZDF und talkt mit unseren Klatschtanten darüber, wessen Angst denn nun berechtigt ist.

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Immer wählerischer beim Lesen

Ich mag eigentlich gar nicht mehr hinschauen und beim Lesen werde ich auch immer wählerischer. Woher wissen die das alles, frage ich mich immer wieder. Da lebt man 62-jährig in München, wartet auf den Weltuntergang, und im TV-Kabarett gibt es ein politisch korrektes Bauerntheater, in dem mir dann eine getanzte Süddeutsche Zeitung serviert wird. Mittlerweile hege ich den Verdacht, dass das Volk von der herrschenden Klasse (doch, sowas gibt es) durch übermäßiges Informations-Entertainment dazu ermuntert wird, vom übermäßigen Recht auf Nichtwissen Gebrauch zu machen. Denn wenn man nichts weiß, kann man überall mitreden.

Die Süddeutsche Zeitung habe ich übrigens gekündigt, da sie von sich behauptet, eine der wichtigsten meinungsbildenden Zeitungen zu sein. Brauch' ich nicht. Ich brauche Journalisten, die mich informieren. Die Meinung bilde ich mir dann schon, wenn es wirklich nötig wäre.

Selbstgerecht, selbstverliebt, selbstreferenziell

Die Marktwirtschaft, ob nun sozial oder asozial, funktioniert ja, wie jeder Markt, über Angebot und Nachfrage. Und das gilt mittlerweile eben auch für unseren Journalismus. Und da geht es auch immer mehr um Haltung, deshalb ist es wichtig, auf der richtigen Seite zu stehen. Und die richtige Seite definiert sich eben über die falsche Seite. Das gilt übrigens für beide Seiten. Alles klar? Und es gilt in beiden Fällen, je größer der Feind ist, desto heller leuchtet der eigene Stern. Also schreiben wir ihn hoch! Machen wir Angst und beweisen unserer Stammkundschaft, dass wir mit unserem Produkt Kante zeigen.

Nun empfinde ich diese Sterne mittlerweile als überwiegend selbstgerecht, selbstverliebt und selbstreferenziell. Da mantelt sich eine Mischpoke auf, die nicht argumentieren, sondern performen will, aber diese Performance ist ein tolles Produkt. Ob FFF, LGBT oder BLM. Alles richtig, alles schick, und das wissen auch viele Journalisten und performen dann eben mit, denn der Journalismus lebt vom Ereignis.

Gut. Erst Flüchtlinge, dann Klima und jetzt Corona. In Deutschland besteht die Berichterstattung mittlerweile zu 70 Prozent aus Corona. Also hier geht etwas viral und die Botschaft ist wieder dieselbe. Angst. Aber Angst hat jetzt etwas Einengendes. Ich erlebe in Deutschland ein noch nie dagewesenes „Wir-Gefühl“. Eine Opposition findet nicht statt und das, was aus der Reihe tanzt, wird in die rechte oder (neu) Verschwörungsecke getalkt und geschrieben. Wozu?

Wovor hat die Gesellschaft Angst? Dass bei den „Covidioten“ vielleicht ein paar dabei sein könnten, die etwas zur Diskussion beitragen könnten? Dass es mit Einwanderern auch das eine oder andere Problem geben könnte? Oder dass Greta Thunberg vielleicht gar keine Prophetin ist?

Eng gewordene Meinungskorridore

Aber da wird es unbequem, da die vom Journalismus selbst erschaffenen ideologisierten Meinungskorridore zu eng geworden sind. Wir brauchen in der politischen Diskussion mehr Grauzonen als das Bedienen von Freund-Feind-Mustern. Wir müssen lernen, uns in der Nähe abzugrenzen.

Begonnen mit der Ausgrenzung hat es übrigens in der Flüchtlingskrise 2015. Die deutschen Medien hatten anhand der Bilder von Geflüchteten und applaudierenden deutschen Bürgern an unseren Bahnhöfen endlich die Gelegenheit zu beweisen, dass Deutschland das Dritte Reich endgültig hinter sich gelassen hat und man der Welt ein neues, ein besseres Deutschland präsentieren konnte. Toll.

Wenn ich der Wahrheit verpflichtet bin, kann ich aber nicht nur Empathie herstellen, wie es immer noch praktiziert wird, wenn es beispielsweise um Zuwanderer geht. Eine Zeitung wie die SZ beschäftigt sich dann eben nicht mit den Schattenseiten von muslimischen Parallelgesellschaften und eine taz sowieso nicht. Passt nicht in die Produktpalette. Und das ist dann eben kein Journalismus, sondern Opportunismus und Marktwirtschaft und Stammkundschaft.

Als Kabarettist der Wahrheit verpflichtet

Auch ich bin als Kabarettist auf der Bühne in erster Linie der Wahrheit verpflichtet und nicht ausschließlich der Empathie. Wahrheiten, die wir, also auch Journalisten, wegsperren, werden giftig und dann gibt es Personen wie Strache, Storch und Kubitschek, denen es nichts ausmacht eben diese Giftschränke zu öffnen und es unter die Leute bringen.

Unser gut gemeinter Haltungsjournalismus, mit seiner moralischen Selbsterhöhung hat irgendwie etwas Faustisches. „Ein Teil von jener Kraft, die stets das Gute will und doch das Böse schafft.“

I love to entertain you!“

Ihr

Andreas Rebers

Dieser Text erschien zunächst in der aktuellen Ausgabe des Medium Magazins.

 

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