Angela Merkel und Monika Maron - Ist Parität erreicht, wenn Frauen Holz hacken und Männer stricken?

Die „Zeit“ hat Angela Merkel interviewt. In dem Gespräch ging es auch um Frauen und den Osten. Merkel fordert mehr Parität in allen Bereichen. Monika Maron, eine der bekanntesten Schriftstellerinnen der ehemaligen DDR, gibt ihr Kontra

Angela Merkel: „Parität in allen Bereichen erscheint mir einfach logisch“ / picture alliance
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Autoreninfo

Monika Maron ist Schriftstellerin. Zuletzt erschien von ihr der Roman „Munin oder Chaos im Kopf“ im Februar 2018.

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Jana Hensel hat Angela Merkel für die Zeit interviewt. Beim Lesen sah ich, wie Hensel rückwärts und gebeugt mit jeder Frage den roten Teppich vor ihrer Kanzlerin ausrollt. Die ihr, wie vor einiger Zeit zu lesen war, Heimat ist, was ja bedeutet, dass Jana Hensel in absehbarer Zeit die Heimatlosigkeit droht.

Vorher aber will sie wissen, wie ostdeutsch sich Angela Merkel fühlt, ob sie weiß, wie vielen Frauen sie Vorbild ist, wie sehr sie unter dem Chauvinismus der Männer gelitten hat. Selbst auf die hirnrissige Frage, ob sie im Amt zur Frau geworden sei, antwortet die Kanzlerin mit stoischem Gleichmut: Sie sei schon vorher eine Frau gewesen. Überhaupt erregt wenig von Merkels Antworten und Erklärungen meinen Widerspruch, wenn ich von der sehr einseitigen Interpretation der ostdeutschen Aufsässigkeit absehe. Die liegt für Angela Merkel nur in der geringen Erfahrung mit anderen Kulturen und in den schwierigen Bedingungen der Vereinigungsphase, nicht aber in der größeren, aus Erfahrung gewachsenen Empfindlichkeit der Ostdeutschen, wenn Sprache und Meinung reguliert werden, wenn Medien indoktrinieren statt zu informieren und so die alten Ohnmachtsgefühle wieder erwachen.

Alles für die Parität?

Anderes war von der Kanzlerin auch nicht zu erwarten. Über einen anderen, so noch nicht gehörten Satz von ihr bin ich allerdings gestolpert. Befragt, ob sie eine Feministin sei, wiegelt sie ab. Alice Schwarzer und Marie Juchacz seien Feministinnen, die ihr Leben lang für Frauenrechte gekämpft hätten. Sie hätte natürlich auch als Frau ihren Weg finden müssen, „damit wir eines Tages wirklich zu einer Parität der Geschlechter finden. Parität in allen Bereichen erscheint mir einfach logisch.“

Mir nicht. Ich habe nicht genau mitbekommen, wann und wie das Wort Parität in Bezug auf die Geschlechter den Diskursgipfel erklommen hat. Plötzlich war es da, plötzlich war sogar davon die Rede, um der Parität willen das Wahlrecht zu ändern. Und nun Parität in allen Bereichen. Ist Parität erreicht, wenn Frauen Holz hacken und die Männer stricken? Wird am externen Uterus geforscht, damit Männer endlich gebären können und Mutterväter werden, womit sogar die Steigerung der Parität erreicht wäre, beides in einem, nur das Stillen wäre noch ein Problem.

Es ist großartig, dass Frauen heute leben können, wie sie wollen: kein Beruf bleibt ihnen verwehrt, sie können heiraten oder auch nicht, sie können sich scheiden lassen und wieder heiraten, sofern sie nicht katholisch sind und den Segen ihrer Kirche brauchen. Aber müssen sie Dax-Vorstände werden?

Das Recht, sein Leben frei zu wählen

Und wäre das Politbüro der DDR besser gewesen, wenn es paritätisch mit Frauen besetzt gewesen wäre? Männer und Frauen sind nicht gleich. Wir haben eine jahrhunderttausendalte Geschichte, die uns physisch und psychisch geprägt hat. Darum spielen allen Erziehungsexperimenten zum Trotz Mädchen lieber mit Puppen und Jungen mit Autos. Die wahre Parität im Sinne von Gleichwertigkeit liegt in der gleichen Achtung gegenüber den verschiedenen Vorlieben und Fähigkeiten.

Das betrifft die Geschlechter ebenso wie die Teilung der Berufswelt in Akademiker und alle anderen. Warum muss jemand sich durchs Abitur und ein Studium quälen, um ein lustloser, vielleicht sogar schlechter Soziologe zu werden, wenn seine Fähigkeit und Neigung eher im Handwerk liegt? Warum ist die Anzahl der Akademiker ein Qualitätsnachweis für das Bildungssystem, wenn es überall an Facharbeitern mangelt und gleichzeitig das Anwachsen des akademischen Prekariats beklagt wird? Eine Missachtung der Frauen ist es, wenn traditionelle Frauenberufe wie Krankenschwester, Pflegerin, Kindergärtnerin traditionell schlecht bezahlt werden, und nicht, wenn es weniger Frauen als Männer in technische Berufe drängt. Eine Missachtung der Frauen ist es auch, wenn ihnen die Wahl, ob sie ihre Kinder selbst betreuen oder ihrem Beruf nachgehen wollen, verwehrt ist, weil es zu wenig Kindergartenplätze gibt.

Aber wenn die Frauen in den Partei- oder anderen Gremien paritätisch vertreten sein wollten, müssten sie auch eine paritätische Mitgliederzahl stellen. Vielleicht aber wollen sie ja gar nicht, vielleicht erscheinen ihnen andere Aufgaben im Leben ja sinnvoller. Das wäre ihre freie Entscheidung, und nur darum geht es, um das paritätische Recht, das eigene Leben frei zu wählen. Dass Frauen es zuweilen schwerer haben als Männer sich durchzusetzen, ist sicher wahr. Wahrscheinlich aber haben schöne Menschen es im Leben auch leichter als hässliche. Fordern wir deshalb eine Quote für die Hässlichen?

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