Zweites Triell zur Bundestagswahl - Macht endlich Platz für die anderen Parteien!

In der zweiten Ausgabe des Dreikampfs zwischen Annalena Baerbock, Armin Laschet und Olaf Scholz zeigt sich in aller Deutlichkeit, was fehlt: die Teilnahme von FDP, Linke und AfD. Ohne Vertreter dieser Parteien geht das Format komplett an der deutschen Lebenswirklichkeit vorbei. Zumindest aus Sicht des CDU-Kandidaten dürfte der Abend aber ein Erfolg gewesen sein.

Die Kandidaten Scholz, Baerbock und Laschet am Sonntagabend im zweiten Triell / dpa
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Triell, die zweite. Die Ansprüche waren bekanntlich groß, insbesondere an Armin Laschet, dem der angeblich vom Rivalen zum Unterstützer mutierte Markus Söder soeben nochmal mit auf den Weg gegeben hatte: An diesem Wochenende muss der Trend gewendet werden! Hat Laschet performt? Ja, hat er. Jedenfalls macht sich nicht lächerlich, wer ihn zum Gewinner des Abends ausruft. Aber wahrscheinlich gibt es auch gute Gründe, Annalena Baerbock zur Siegerin zu küren – zumindest angesichts ihrer rhetorischen und inhaltlichen Möglichkeiten. Olaf Scholz hingegen lief eher untertourig; man hat den Eindruck, seine Strategie des Mauerns und Abwiegelns kommt so langsam an ihre Grenzen.

Es gibt aber auch ganz klare Verlierer dieses von der ARD unter der Moderation von Maybrit Illner und Oliver Köhr abgehaltenen Dreikampfs: die Zuschauer. Sagen wir es so: Wenn eine mit der deutschen Politik nicht vertraute Person diese Sendung gesehen hätte, würde er oder sie sich zwangsläufig fragen: Warum treten Scholz, Laschet und Baerbock überhaupt gegeneinander an? Die scheinen doch, bis auf ein paar Details, alle einer Meinung zu sein. Und insofern war auch dieser Abend keine Entscheidungshilfe, sondern eher eine Affirmationsveranstaltung für die jeweiligen Anhängerschaften.

Es wurde jedenfalls so deutlich wie nie, dass diese Form des Triells komplett an der gesellschaftlichen Wirklichkeit des Landes vorbeigeht. Und es insofern dringend notwendig wäre, die Runde auch für die FDP, die Linkspartei und nicht zuletzt für die AfD zu öffnen. Nur so könnte man zumindest annähernd die Meinungsvielfalt in diesem Land abbilden. Und die Chancen eines Christian Lindner auf eine Kanzlerschaft sind auch nur kaum geringer als die von Annalena Baerbock. Schon deshalb ist es völlig absurd, den Teilnehmerkreis auf die „Kanzlerkandidaten“ von CDU/CSU, SPD und Grünen zu beschränken.

Viel Kleinklein

Wie gesagt: Die Debatte verlor sich oft im Kleinklein, während die Kandidaten bei wesentlichen Themenkomplexen wie Klimaschutz, Digitalisierung und Corona annähernd einer Meinung waren. An die großen Fragen trauten sich die Moderatoren ohnehin nicht heran: Deutschlands Zukunft in einer Welt der globalen Konkurrenz, Identitätspolitik, Migration. Ganz zu schweigen von Außen-, Sicherheits- und Geopolitik, was zumindest aus Sicht der ARD vernachlässigbare Themen zu sein scheinen. Tatsächlich ist es grotesk, auf welchem Niveau im öffentlich-rechtlichen Rundfunk über Politik gesprochen wird. Nämlich gerade so, als wäre die Bundesrepublik der Nabel des Universums, an deren Befindlichkeiten sich der Rest der Welt auszurichten hätte.

Los ging es mit der Frage nach Koalitionswünschen beziehungsweise entsprechenden Möglichkeiten. Ob Laschet auch Juniorpartner unter einem Bundeskanzler Scholz werden würde, wurde der Unionskandidat gefragt, worauf er natürlich ebenso wenig eine Antwort gab wie Scholz zum Thema Koalition mit der Linkspartei. Wobei es in letzterem Fall selbstverständlich um eine andere Kategorie geht, denn die Linke will ganz klar eine andere Republik. Deshalb versuchte Laschet, seinen Konkurrenten von der SPD in dem Punkt ausdrücklich zu stellen: „Jedem muss klar sein, Sie würden eine Koalition mit der Linken machen!“ Der Bundesfinanzminister aber blieb dabei und sprach lediglich davon, dass seine potentiellen Koalitionspartner sich zur Nato und zur EU bekennen müssten. Fazit: Da auch Baerbock sich so äußerte, ist Rot-Rot-Grün alles andere als ausgeschlossen. Weil dies für die Zuschauer sehr deutlich wurde, hatte Laschet an diesem Punkt seinen Auftrag erfüllt.

Nächster interessanter Themenkomplex: Scholzens wenig ruhmreiche Skandale (aus seiner Sicht: Nicht-Skandale) der jüngeren Vergangenheit: Cum-Ex, Wirecard sowie die soeben erfolgte Razzia im Bundesfinanzministerium. Um es kurz zu machen: Laschet wirft Scholz vor, stets alles schönzureden, aber wenig zur Aufklärung beizutragen und letztlich seiner Verantwortung nicht gerecht zu werden. Scholz wiederum konterte, Laschet würde absichtlich einen falschen Eindruck erwecken. Bleibt festzuhalten: Die drei angesprochenen Fälle sind komplex und für die meisten Bürger kaum durchschaubar. Allerdings hat Scholz dem attackierenden Laschet („Wenn mein Finanzminister so arbeiten würde wie Sie, hätten wir ein Problem“) nicht wirklich überzeugend Paroli bieten können.

Die Causa Hans-Georg Maaßen

Es folgte eine Runde, bei der es für die Kandidaten darum gehen sollte, sich von missliebigen Mitgliedern der eigenen Partei zu distanzieren. Laschet tat das mit Blick auf den für ein CDU-Bundestagsmandat kandidierenden Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen mit einigem diplomatischen Geschick: Der Frage, ob er ihn in seinem thüringischen Wahlkreis wählen würde, wich er aus. Stellte aber gleichzeitig klar, dass er Maaßens Forderung, Karin Prien aus dem „Zukunftsteam“ zu entfernen, nicht nachkommen werde. Die Schleswig-Holsteinische CDU-Bildungsministerin hatte sich jüngst dahingehend geäußert, Maaßen sei bei den Christdemokraten fehl am Platz. Baerbock ihrerseits ließ erkennen, dass sie mit dem OB von Tübingen und enfant terrible der Grünen, Boris Palmer,  nichts anfangen kann und wohl nichts dagegen hätte, wenn er die Partei verließe.

Themenwechsel zu Corona: Hier waren sich alle drei darin einig, dass möglichst viele Bürger sich impfen lassen sollten. Bei einem wichtigen Detail allerdings gab es einen Unterschied: Während Scholz und Laschet dafür eintraten, bestimmte Berufsgruppen (Ärzte, Pflegepersonal) müssten ihren Impfstatus gegenüber dem Arbeitgeber offenlegen, plädierte Baerbock hier für eine explizite Impfpflicht. Diese soll übrigens auch Lehrerinnen und Lehrer umfassen. Ein gewagter Vorstoß angesichts der Tatsache, dass viele Lehrkräfte zu den Grünen neigen, aber sicherlich nicht alle von ihnen ebenso Fans von Zwangsimpfungen sind.

Digitalisierung: Muss besser und schneller werden, fanden alle. Die Lehren aus Corona? Laschet: europäische Autarkie und Souveränität in der medizinischen Versorgung wieder herstellen. Baerbock: Schluss mit der Politik des Auf-Sicht-Fahrens. Scholz: den öffentlichen Gesundheitsdienst modernisieren. In Sachen Klimapolitik blieben die Kandidaten bei ihren bisherigen Linien. Baerbock also mit Maximalforderungen, Laschet mit Pragmatismus und Anreizen, Scholz irgendwie mit Wischi-Waschi. Es entsteht der Eindruck: Teuer wird es auf jeden Fall, ob es am Ende was bringt, weiß keiner so genau. Außer natürlich Baerbock, die immer wieder betonte, die nächste Bundestagswahl wäre entscheidend für das Weltklima. Ansonsten ergingen sich Scholz und Laschet in gegenseitigen Vorwürfen, wer am meisten Schuld daran trage, dass die Erneuerbaren Energien nicht schnell genug ausgebaut werden könnten. Ermüdend.

Laschet verteidigt Merkels Grenz-Entscheidung

Wohnungspolitik: Erstaunlicherweise sprach sich Baerbock gegen Enteignungen der großen Wohnungskonzerne aus und fügte an, das würden auch ihre Parteifreunde in Berlin so sehen. Ob die das auch schon wissen, ist die Frage: Tatsächlich haben sich die Hauptstadt-Grünen mit an die Spitze der Enteignungsbewegung gestellt. Laschet und Scholz setzen auf Wohnungsbau, wobei Scholz einen zumindest temporären Mietendeckel befürwortet, Laschet hingegen nicht. Bürgerversicherung: Scholz und Baerbock dafür, Laschet dagegen. Thema Renten: Kann alles so bleiben, wie es ist, findet Scholz, Expertenwarnungen aus den neunziger Jahren hätten sich nicht bewahrheitet. Dass das ein dürftiges Argument ist, fand denn auch Laschet: Es werde vielmehr über neue Formen der Alterssicherung nachgedacht werden müssen, wolle man das System insgesamt erhalten. Baerbock empfahl, zur Sicherung der Renten auf Fachkräftezuwanderung zu setzen.

Zur Migration war nur von Armin Laschet etwas zu hören, der sich an anderer Stelle noch einmal ohne Wenn und Aber hinter die Nicht-Grenzschließung Angela Merkels auf dem Höhepunkt der Migrationskrise im Jahr 2015 stellte (ohne zu begründen, warum). Ansonsten bekannte sich Laschet auch dazu, dass das Recht auf Asyl keine Obergrenze kenne. Insofern war kein Widerspruch von Baerbock oder Scholz zu erwarten.

Steuern erhöhen möchte Laschet als einziger nicht; die Kandidaten von SPD und Grünen machen keinen Hehl daraus, dass es mit ihnen in Richtung Vermögenssteuer und Erhöhung des Spitzensteuersatzes gehen wird. Baerbocks Leitmotiv dabei: Die Armen würden ja immer ärmer, und dann brauche man auch noch Geld für den Klimaschutz. Immerhin wurde an dieser Stelle klar, wohin die Reise im Fall von Rot-Rot-Grün gehen soll.

Bei den Schlussstatements machte Laschet („Vertrauen“ als Kernaussage) diesmal die beste Figur, nachdem er an dieser Stelle beim letzten Mal noch gepatzt hatte. Baerbock setzte voll auf das Thema „Klimakrise“, und Scholz brachte eine Variation seines Buzzwords „Respekt“. So endete ein 95-minütiges Triell, von dem man sich fragt, welche Funken aus diesem Gesprächsformat in einer Woche noch schlagen sollen. Aber vielleicht geschieht ja ein Wunder.

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