Initiative „Zukunft Sachsen“ - „Wenn die AfD nicht mal ihre Landeslisten hinbekommt, wie will sie dann regieren?“

Mit Unterstützung aus Hollywood mischte die Initiative „Zukunft Sachsen“ schon die Görlitzer Bürgermeisterwahl auf. Jetzt hat sie eine neue Kampagne gestartet. Sie will, verhindern, dass die AfD in Sachsen an die Regierung kommt. Ist das noch demokratisch? Fragen an den Gründer Sascha Kodytek

Im Fokus einer Kampagne: Eine Initiative junger Sachsen will die Regierungsbeteiligung der AfD verhindern / picture alliance
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Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Herr Kodytek, Ihre Initiative „Zukunft Sachsen“ will verhindern, dass die AfD nach der Landtagswahl an der Regierung beteiligt wird. Wie wollen Sie das erreichen?
Ganz einfach – und auch kompliziert: Mit taktischem Wählen.

Was bedeutet das?
Wir brauchen nach der Wahl eine Mehrheit, die regierungsfähig ist. Taktisches Wählen ist ein Werkzeug, um eine solche Mehrheit zu beschaffen. In Sachsen gibt es diese Mehrheit nicht. Die Prozente sind so wild über die Parteien verteilt, dass man schwer über 50 Prozent kommt.

Wieso? Nach den jüngsten Prognosen liegt die AfD in Sachsen noch vor der CDU. Zusammen würde das locker für ein Regierungsbündnis reichen.
Das ist genau die Koalition, die wir verhindern wollen. Wie wir seit heute wissen, will die CDU das auch nicht. Um das zu verhindern, brauchen wir eine Mehrheit ohne die AfD. Die wahrscheinlichste Regierung ohne die AfD ist eine aus CDU, SPD und Grünen. Wir rufen dazu auf, diese Kenia-Koalition zu wählen. Nach den derzeitigen Umfragen ist das die einzige, die reelle Chancen hat. Ob die Bürger diesem Aufruf folgen, muss jeder mit sich selbst ausmachen.

Nach den gerade veröffentlichen Ergebnissen einer Umfrage Ihrer Initiative lehnen 46 von 60 CDU-Direktkandidaten eine Koalition sowieso ab. Ist die Gefahr damit nicht gebannt?
Könnte man meinen. Tatsächlich glaube ich nach dem derzeitigen Stand nicht, dass es eine schwarz-blaue Koalition geben wird. Das würde ja bedeuten, dass die CDU Wortbruch begeht. Aber sicher ist das nicht. Es reicht auch nicht, Nein zur AfD zu sagen. Wir müssen eine Alternative anbieten. 

Was stört Sie an der Aussicht, dass die AfD an die Regierung käme?
Jeder Mensch hat seine eigenen Gründe, warum er die AfD ablehnt. Unsere Kampagne gibt aber keine Gründe vor.

Sascha Kodytek, 23,
Gründer der Initiative

Ist das nicht ein bisschen schwach, Wählern von einer Partei abzuraten, ohne Gründe zu nennen?
Wo sollten wir da anfangen? Wenn man sagt, die AfD mache furchtbare Integrationspolitik, dann spricht man zwar eine gewisse Klientel an, eine andere schließt man aber auch aus. Aus der Gefahr heraus, eine Neutralität zu verletzen, haben wir uns dafür entschieden, keine inhaltlichen Gründe anzugeben.

Aber wie wollen Sie Stimmung gegen eine Partei machen, ohne zu begründen, warum diese Partei nicht gewählt werden soll?
Der Grund ist ganz einfach. Es gibt zahlreiche Blogs und Statements von Parteien und Journalisten, die das begründen. Das ist an anderer Stelle schon ausdiskutiert worden. Wer jetzt noch glaubt, dass die AfD eine gute Regierungspartei wäre, dem können wir nicht mehr helfen.
 
Machen Sie es sich da nicht ein bisschen zu leicht?
Nein, nehmen wir zum Beispiel die Impfdebatte. Dass Impfen eine gute Sache ist, gilt als gesetzt. Wenn ich eine Kampagne gegen Impfgegner machen würde, würde ich die auch nicht mit einer Begründung dafür beginnen, warum Impfen eine gute Sache ist.

In keinem anderen Bundesland ist die AfD so stark wie in Sachsen. Es muss also Gründe dafür geben, warum die Partei hier viele Wähler anspricht. Welche sind das aus Ihrer Sicht?
Dafür gibt es tausend Ursachen. Wenn man sagen würde, es läge an der DDR oder dem Rechtsextremismus, würde man das Problem unterschätzen.

Das Klischee der AfD als Retterin der Abgehängten stimmt nicht?
Nein, auch dieses Muster würde ich in Frage stellen. Sachsen ist im Osten das wirtschaftlich stärkste Land. Der Freistaat hat kaum Schulden. Man kann zwar über die Infrastruktur streiten. Lehrer- und Polizeistellen sind abgebaut worden. Aber auch in diesem Punkt hat die regierende Koalition aus CDU und SPD nachgebessert. Wo sind also diese Abgehängten? Ich habe das Gefühl, dass das eine Phrase ist, die viele von der AfD einfach übernommen haben.

Immerhin ist die Partei demokratisch gewählt worden. Wenn sie Bedürfnisse erfüllt, die die Altparteien nicht erfüllen, ist es dann nicht zutiefst undemokratisch, die Bürger aufzufordern: „Wählt nicht AfD!“
Nein, unter diesem Aspekt wäre ja auch jeder andere Wahlkampf undemokratisch. In jedem Wahlkampf ruft eine Partei auf, die andere nicht zu wählen. Das ist eben der Meinungsstreit in einer Demokratie. Undemokratisch wäre es, den Bürgern zu verbieten, zu wählen.

Ihr Aufruf geht ja weiter. Er impliziert doch, dass sich die „Altparteien“ verbünden sollen, um die AfD zu verhindern.
Interessant, dass Sie den Begriff Altparteien verwenden. Das Narrativ der AfD ist schon so tief in unsere Wahrnehmung der politischen Landschaft eingeflossen, dass man es schon kritisiert, wenn sich Parteien gegen eine Partei zusammenschließen, die sich nicht gegen den Rechtsextremismus abgrenzt und vielleicht verfassungswidrig handelt. Ich finde das total legitim ...

... weil Sie die AfD ablehnen. Würden Sie es auch legitim finden, wenn es gegen eine Partei ginge, die Ihnen nahe steht?
Gute Frage. Die AfD ist einfach nur das Rüpelkind im Sandkasten, und wenn sich die anderen Kinder zusammenschließen und sagen: „Wir wollen dich nicht dabei haben“, machen sie es genau richtig.
 
Aber wenn Ihre Rechnung aufgeht, entsteht doch bei den Wählern der Eindruck: Egal, was ich wähle – die da oben schieben sich das Ergebnis doch so zurecht, wie es ihnen passt. Zerstören Sie damit nicht das Vertrauen in die Demokratie?
Wenn die Wähler taktisch eine Mehrheit wählen, dann ist das doch ihre Entscheidung – und keine Entscheidung von „denen da oben“. Auch die Große Koalition wurde gebildet, weil sich viele Parteien entschieden haben, CDU oder SPD zu wählen. Nur weil jemand taktisch wählt, kann man doch nicht sagen, seine Stimme sei nichts wert.

Hat es nicht einen faden Beigeschmack, eine Partei nur deswegen zu wählen, um eine schlimmere Alternative zu verhindern?
Natürlich, aber so ist nun mal unser Wahlrecht gebaut. Da fliegen ganz viele Stimmen in den Ofen. Es gibt andere Modelle, die eine Priorisierung von Kandidaten möglichen. Also: Ich wähle erst den Kandidaten der Grünen, weil ich den mag und dann den von der SPD, weil ich den auch gut finde – und dann kommt der von der CDU, wenn die anderen beiden keine Mehrheit bekommen.

Seit der Landeswahlausschuss die Zahl der Landeslistenplätze der AfD mit dem Hinweis auf angebliche Formfehler auf 18 reduziert hat, wähnt sich die Partei sowieso als Opfer einer Intrige. Verstärkt das Engagement Ihrer Initiative diesen Effekt nicht noch?
Wenn ein Kind im Sandkasten rumrüpelt und man ihm sagt, „ich will, dass du jetzt gehst“, und dieses Kind wird dann noch wütender, kann man den anderen dann einen Vorwurf machen? Ich finde: Nein. Die AfD hat ihren Opfermythos so erfolgreich gepflegt, dass Organisationen wie meine schon gefragt wurde: Wollt Ihr nicht mal damit aufhören, gegen die AfD Stimmung zu machen?

Was antworten Sie denen?
Nein, der Fehler bei diesen Landeslisten liegt klar bei der AfD. Und eigentlich müsste sich Sachsens AfD-Chef Jörg Urban dafür entschuldigt, dass er das Vertrauen der Wähler in die Partei enttäuscht hat. Wenn die AfD nicht mal ihre Landeslisten hinbekommt, wie will sie dann regieren?

Sagt „Zukunft Sachsen.“ Auf der Homepage Ihrer Initiative findet man nur Ihren Namen und Ihr Foto. Wer ist Sascha Kodytek, und wer sind Ihre Mitstreiter?
Die Menschen hinter mir sind Menschen aus ganz Sachsen, ein erweiterter Freundeskreis, wenn Sie so wollen. Es sind etwa zehn Leute zwischen 20 und 30 Jahren, Studenten, Auszubildende, Angestellte.

Sie waren früher Mitglied der SPD. Hat die Partei ihre Finger im Spiel?
Nein, und darüber bin ich ganz froh. Es wäre schädlich, wenn Parteien zum taktischen Wählen aufrufen. Eine Partei muss mit Inhalten überzeugen. Mitglieder des Landeswahlausschusses werden mittlerweile bedroht.

Wie reagieren die Anhänger der AfD auf Ihr Engagement?
Die Kommentare auf Facebook sind aggressiv, aber teilweise auch humorvoll. „Bei Euch klapperts doch. Ihr verhaltet Euch wie im Kindergarten “. Oder: „Ihr seid die modernen neuen Nazis. Das eigene Volk verraten. Wir sehen uns irgendwann, wenn Ihr auf der Straße um Hilfe schreit und keiner hilft.“

Macht Ihnen das keine Angst?
Es gibt einen Grund dafür, warum auf der Homepage nur mein Foto steht – um die anderen zu schützen.

Zum ersten Mal in Erscheinung getreten ist Ihre Iniative vor der Stichwahl des Bürgermeisters von Görlitz, als Sie auf Ihrer Facebook-Seite einen Aufruf von Hollywood-Stars wie Daniel Brühl veröffentlichten, nicht die AfD zu wählen. Seit wann interessiert sich Hollywood für den Osten?
Hollywood hat sich schon immer für den Osten interessiert, weil Görlitz eine Stadt ist, die im Zweiten Weltkrieg von Bomben verschont worden ist und deshalb eine wunderschöne Altstadt hat. Deshalb hat Hollywood dort schon Filme wie „Inglorious Basterds“ oder „Grand Hotel Budapest“ gedreht. Man nennt die Stadt auch Görliwood. Der Aufruf stammt von Schauspielern, die schon in Görlitz gedreht haben.

Der britische Guardian schrieb, die AfD hätte die Bürgermeisterwahl wegen dieses Aufrufs aus Hollywood verloren. Tatsächlich hat aber ein Zweckbündnis der „Altparteien“ den Sieg des AfD-Kandidaten Sebastian Wippel knapp verhindert.
Wir haben den Aufruf an die internationalen Medien weitergegeben. Wir reklamierten seinen Erfolg nicht für uns. Wenn jemand daran entscheidenden Anteil hatte, dann waren das Franziska Schubert von den Grünen, die ihre Kandidatur zurückgezogen hat – und die anderen Parteien. 

Das Beispiel Görlitz hat gezeigt: Das taktische Wählen kann funktionieren. Aber was kommt danach? Was ist, wenn das Zweckbündnis zerbricht, weil die Gegnerschaft zur AfD als Grundlage für eine Zusammenarbeit nicht tragfähig ist?
Die Vorstellung bereitet auch mir Bauchschmerzen. Es führt kein Weg daran vorbei, dass wir Politiker brauchen, die gute Arbeit machen.

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