Zukunft der Groko - „Ich bin dabei!“? - Ja, eben!

Zum Auftakt der Haushaltsberatungen hat Angela Merkel angekündigt, die verbleibenden Aufgaben beherzt anzupacken. Warum der Appell der Kanzlerin zum Weitermachen eine Ermunterung sein soll, aber in Wahrheit eine Drohung ist

Aus „Wir schaffen das!“ wurde „Ich bin dabei!“: Angela Merkel /picture alliance
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Der Kollege Robin Alexander hat gestern in der Welt geschrieben, dass diese traditionelle Kanzlerrede von Angela Merkel zum Auftakt  der Haushaltswoche im Bundestag ihre letzte gewesen sein könnte. Ich persönlich bin mit solchen Aussagen inzwischen vorsichtig. Gebranntes Kind. Denn ich habe wiederum im vergangenen Jahr gesagt, dass diese Neujahrsrede ihre letzte sein würde. Sieht überhaupt nicht danach aus, als ob ich recht behalten würde. 

Ihren unerschütterlichen Willen weiterzumachen, demonstrierte Merkel gestern bei ihrer Rede auch den Abgeordneten ihrer Großen Koalition. Man solle sich den verbleibenden Aufgaben widmen und sich engagiert an die Arbeit machen. „Ich bin dabei!“ schloss sie ihre Rede.

Wir schaffen das 

Ich bin dabei. Wir schaffen das. Bei diesen kurzen und bedeutungsschweren Sätzen der Kanzlerin ist erfahrungsgemäß Vorsicht geboten. Immerhin ist es diesmal kein amorphes Wir, sondern ein Individuelles Ich. Sie will das schaffen. Sie will die Große Koalition über die reguläre Ziellinie 2021 bringen und hat vor allem gegen die Resistenzen in der SPD angeredet. 

Dass sie weiter gewillt ist, Kanzlerin zu sein, soll da als Ermunterung wirken. Tut es aber nicht. In den eigenen Reihen wissen natürlich intuitiv alle, dass die strukturellen 20 Prozent (die CSU herausgerechnet) daran liegen, dass Merkel immer noch da ist. Sie liegt wie eine Bleiplatte auf Partei und Land. Nur traut sich das keiner, das der CDU offen zu sagen. Der jüngste Parteitag war abermaliger Beleg dafür, dass die CDU nicht imstande ist, sich von diesem Schicksal zu befreien. Die CSU hat das inzwischen in einem Kraftakt getan. das Innenministerium ist Horst Seehofers Austragshäusl, aber in Bayern sind Parteivorsitz und Staatskanzlei in einer starken neuen Hand. Und schon geht es hoch mit den Umfragen

Weiter in der Groko? 

Die CDU aber hat eine Vergangenheit, die nicht vergehen will, um einmal ein Mitscherlich-Wort zweckzuentfremden. Und die SPD hat eine Zukunft, die nicht beginnen will. Seit Monaten beschäftigen sich die Genossen mit der Wahl einer neuen Doppelspitze, das Grande Finale dieser Suche mündet in einen Parteitag am übernächsten Wochenende, bei dem auch über die von Merkel indirekt angesprochene Frage entschieden werden soll: Weiter in der Groko – oder raus aus der Groko?   

Wolfgang Schmidt, der kluge und erfahrene Politnik an der Seite von Olaf Scholz, hat dieser Tage auf Facebook geschrieben, warum eine SPD ziemlich, nun ja, töricht wäre, die Große Koalition zu verlassen. Merkel, so seine Prognose, würde dann nach der Weihnachtspause zu Beginn des Jahres verkünden, dass sie nun doch entgegen ihres Naturells eine Minderheitsregierung führen würde. Der nächste Schritt wäre eine Besetzung aller SPD-Ministerien mit CDU/CSU-Leuten, einer Vizekanzlerin Annegret-Kramp-Karrenbauer, dann schon nominell als Kronprinzessin tituliert. 

Jens Spahn als Finanzminister

„Da der Bundeshaushalt 2020 in dieser Woche final vom Bundestag beschlossen werden wird und Frau Merkel also das ganze Jahr 2020 „durchregieren“ kann – ohne auf Stimmen der Opposition angewiesen zu sein“, schreibt Scholz Intimus Schmidt, „könnte sie sich am Ende nach den Winterferien „schweren Herzens“ zu einer Minderheitsregierung für das Jahr 2020 durchringen und Neuwahlen für das Frühjahr 2021 ankündigen – nach dem Ende der deutschen EU-Ratspräsidentschaft.

Sie kann dann im Januar sechs neue Ministerinnen ernennen, 10 Parlamentarische StaatssekretärInnen und drei StaatsministerInnen (dafür braucht sie den Bundestag nicht). Frau Kramp-Karrenbauer dürfte Vizekanzlerin werden, Herr Spahn Finanzminister, Herr Altmaier Außenminister – und sie wird vermutlich zusehen, dass die neu zu benennenden Ministerinnen und Parlamentarischen StaatssekretärInnen eine Verjüngung und Erneuerung der CDU/CSU symbolisieren.

Warten auf 2021

Alle Möglichkeiten zur ministeriellen Präsentation in den Händen der Union, ginge es in einen Wahlkampf, dessen Sieger dann schon feststehen. Wie gesagt. Klug analysiert ist das. Und es kommt noch etwas hinzu: Man darf nicht unterschätzen, wie sehr sich der gesamte Apparat einer Bundestagsfraktion an die Besitzstände klammert, wenn bei einer herbeigeführten vorgezogenen Neuwahl die Hälfte der Plätze im Parlament SPD-seitig wegfielen.

Deshalb ist die Lage die: Das „Ich bin dabei!“ der Kanzlerin ist eine Drohung, der weder die CDU (aus Feigheit) noch die SPD (aus Existenznot) etwas entgegenzusetzen hat. Und wir alle tun gut daran, nicht mehr über letzte Reden dieser Kanzlerin zu räsonieren. Bis 2021 geht das so weiter. Mindestens. Wem das nicht gefällt, der sollte sich in Geduld üben. Angeln hilft da sehr als Training. Oder vor Weihnachten ein Päckchen zur Post bringen.  

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