YouTube-Video zum Corona-Abitur - Rezo, Deutschlands linker Donald Trump

Rezo zuzuhören ist wie einen Mundschutz zu tragen: Nach mehr als fünf Minuten extrem nervig. Das ist jedenfalls die Erkenntnis unseres Gastautors Finn Wandhoff aus dem neuesten Video des YouTubers, in dem er Schulöffnungen kritisiert. Doch geht es Rezo überhaupt um die Sache?

YouTuber Rezo: Vor jedem Adjektiv ein „krass“ oder „scheiße“ / dpa
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Autoreninfo

Finn Wandhoff ist seit 2017 Vorsitzender der Schüler Union, die rund 5.000 Mitglieder hat. Wandhoff hat 2019 in Plön, Schleswig-Holstein sein Abitur gemacht und arbeitet derzeit im Bundestag.

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Finn Wandhoff ist seit 2017 Vorsitzender der Schüler Union, die rund 5.000 Mitglieder hat. Er hat 2019 in Plön, Schleswig-Holstein sein Abitur gemacht und arbeitet derzeit im Bundestag. 

Deutschlands mutmaßlich bekanntester Aachener hat wieder zugeschlagen: Vorgestern, mit einem diesmal nur zwanzigminütigen Video, in dem es ihm scheinbar um die Abschlussprüfungen und die teilweise Wiedereröffnung der Schulen geht, vor allem in Nordrhein-Westfalen. Diese Öffnungen würden die Schüler nämlich richtig „ficken“, wie im Video deutlich gemacht wird. Spätestens hier sollte klar sein, es geht nicht um Armin Laschet, sondern um YouTuber Rezo, seit letztem Jahr allgemein dadurch bekannt, dass er der CDU ihre social-medialen Schwächen aufgezeigt hat.  

Um mich im Stile seiner anzunähern, möchte ich zunächst ankündigen, wohin dieser Text führen soll: Ich möchte aufzeigen, dass eine teilweise Wiederaufnahme des Schulunterrichts kein Skandal ist und dass Rezo zur demokratischen Lösungsfindung nicht taugt.

Nach fünf Minuten extrem nervig

Zunächst muss man Rezo zugestehen, dass er es im ersten Teil des Videos geschafft hat, vernünftige Argumente gegen eine Schulöffnung und Abschlussprüfungen schlüssig darzulegen. Aber Rezo zuzuhören ist eben wie einen Mundschutz zu tragen: Nach mehr als fünf Minuten extrem nervig. Sie finden den Vergleich schlecht? Rezo findet einen schlechteren: Nachdem er zunächst Argumente vorbringt und untermauert, vergleicht er - frei nach der Komikerin Hazel Brugger - die Corona-Maßnahmen mit Verhütung.

Seine Schlussfolgerung: Auf die Einschränkungen zu verzichten, weil sie Wirkung zeigen, sei wie auf Verhütung zu verzichten, weil sie funktioniere. Das Einzige, was die soziale Distanzierung und Verhütungsmittel gemeinsam haben, ist, dass beides vor Schwangerschaft schützt. Dass der Vergleich absolut hinkt, ist natürlich egal, ist ja schließlich nur ein lustiger Vergleich.

Egal

Viel schlimmer hingegen seien laut Rezo die logischen Denkfehler der Anderen, genannt hier Armin Laschet. NRWs Ministerpräsident argumentierte gegenüber dem YouTuber, dass die Vergleichbarkeit des Abiturs unter den Ländern gewährleistet werden müsse, weshalb Prüfungen unter entsprechenden hygienischen Voraussetzungen sinnvoller seien, als gar keine Prüfungen. Rezos Einspruch? Die Schulabschlüsse seien ohnehin nie vergleichbar gewesen, daher sei dieser Punkt jetzt auch egal.

Zudem habe es ja Petitionen abertausender von Menschen gegeben, die ebenfalls gegen die Argumente Laschets sprechen würden. Kein Wort darüber, dass, ob Rentnerin oder Student, wirklich jeder, und das mehrfach, jene Petitionen hat unterschreiben können. Kein Wort von den Schülerinnen und Schülern, die gerne eine Prüfung schreiben würden, weil darin ihre Stärke liegt und weil man ihnen eine Chance nimmt.

Rezo und die Heinsberg-Studie

Kein Wort über die entsprechenden Hygienevorkehrungen, die de facto getroffen werden und gegen die bei Rezo einzig und allein spricht, dass wir ja alle wüssten wie das war mit der Hygiene, damals an der Schule. Und das Bedeutendste: Kein Wort über das wichtigste Argument für eine Wiedereröffnung der Schulen: Das Zusammenkommen und Rausholen der Kinder, die zu Hause in sozial schwierigsten Verhältnissen leben. Für diese Kinder ist es entscheidend, ob sie heute oder erst in zwei Wochen wieder eine Schule besuchen können, die sie aus ihrem täglichen Umfeld in eine andere Umgebung bringt.

Stattdessen zählen für Rezo Screenshots von YouTube-Kommentaren, ungültige Petitionen oder eine herausgepickte Studien – hier die Heinsberg Studie -, die erst als wissenschaftlich ungültig dargestellt wird und deren Ergebnisse trotzdem gleich darauf zur Untermauerung der eigenen Behauptungen benutzt werden. Richtig absurd wird es dann, als Rezo erzählt, dass er nach seinem Gespräch mit Armin Laschet sofort einen „promovierten Anwalt“ für Schulrecht angerufen habe, der ihm bestätigte, wie falsch Laschet und wie richtig er, Rezo, liege. Das ist ungefähr so, wie wenn beim Dschungelcamp Dr. Bob für die Seriosität der Show herangezogen wird.

Es geht ihm nicht um die Sache

Rezos Sprache ist einfach. Das ist sinnvoll, wenn man einem großen Publikum etwas erklären will. Er jedoch geht darüber hinaus, seine Sprache wird Eins mit seinem Inhalt: Sie ist populistisch. Vor jedem Adjektiv ein „krass“ oder „scheiße“ und man kann sich bildlich vorstellen, wie beeindruckt sich Rezo-Fans, geprägt durch dieses Sprachniveau, von sogenannten „Experten“ und „statistischer Ungültigkeit“ zeigen.

Das könnte einem egal sein, wäre da nicht der entscheidende Punkt zum Ende des Videos. In den letzten zwei Minuten nutzt Rezo die Zeit, um zu zeigen, dass jede Parteien - bis auf Grüne und AfD - mindestens ein Landesministerium für Bildung führt und erklärt im gleichen Zungenschlag, dass die einzig vernünftige Schlussfolgerung jetzt sei, diese Parteien nicht mehr zu wählen. Und hier endet nicht nur sein Video, sondern auch Rezos Glaubwürdigkeit und es zeigt sich, dass es ihm von Beginn an eben nicht um eine Sache, sondern um eine politische Tendenz ging.

Rezos gefährliche Lehren

Neben der erneuten – mutmaßlich ungewollten – Bestätigung für jeden jungen Rechtsextremen und auch Linksextremen, der sich nach dem Sturz des Systems sehnt und eine solche absolute Haltung mit Freude adaptiert, lehrt Rezo Millionen junger Zuschauer inmitten dieser fundamentalen Krise vor allem eines: Der Großteil unserer Parteien ist inkompetent; andere Bewertungen als die meine sind ungültig; die Institutionen und damit die Demokratie selbst sind nichts wert. Damit ist Rezo quasi nichts anderes, als eine europäische und linke Version von Donald Trump.

Entscheidend ist, dass ein bedeutender Teil meiner Generation über Parteigrenzen hinaus Freude an dieser Demokratie und diesem System hat. Für uns hört ab jetzt die Debatte über unvernünftige YouTuber auf und die Debatte über die Zukunft unseres Landes beginnt.

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