Wolfgang Kubicki zur Impfpflicht - „Der Nutzen steht in keinem Verhältnis zum Schaden“

Wolfgang Kubicki, stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP und Bundestagsvizepräsident, hat gemeinsam mit 22 Parteifreunden im Bundestag einen Gruppenantrag gegen die allgemeine Impfpflicht gestellt. Im Interview spricht er über sein Freiheitsverständnis, vorsichtigen Optimismus angesichts der Omikron-Welle, sein Verhältnis zu Karl Lauterbach und Markus Söder und warum er trotzdem für freiwilliges Impfen wirbt.

„Auf einen groben Klotz auch mal einen groben Keil“: Wolfgang Kubicki / dpa
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Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Herr Kubicki, Sie sind der geborene Lebemann. Aber feiern Sie im hohen Norden auch Karneval?

Nein, also ich jedenfalls nicht. Es gibt zwar auch im hohen Norden Karnevalsgesellschaften, aber ich selbst feiere nicht. Wir sind ja das ganze Jahr über fröhlich – und nicht nur zwangsweise, wie es in anderen Teilen Deutschlands der Fall ist.

Weil der Bundestag wegen Karneval nur eine Sitzungswoche im Februar hat, verschiebt sich die Entscheidung über die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht. Sie haben zusammen mit 22 Parteifreunden einen Antrag gegen die allgemeine Impfpflicht gestellt. Da kommt Ihnen die Verzögerung durch den Karneval doch ganz gelegen, oder?

Zunächst einmal sind es inzwischen über 30 Kollegen, und zwar nicht nur aus der FDP, sondern zum Beispiel auch aus der Unionsfraktion, was ich gut finde. Dass wir wegen Karneval sitzungsfreie Zeit haben, hat schon Tradition im Deutschen Bundestag. Aber: Im Falle des Falles kann der Bundestag immer auch kurzfristig zusammenkommen.

In den sozialen Medien hat sich der Bundestag damit zum Gespött gemacht, denn coronabedingt fallen die meisten Veranstaltungen aus.

Richtig, es hätte nichts dagegen gesprochen, noch weitere Sitzungswochen zu etablieren. Aber die Verzögerung, von der Sie sprechen, hat mit der Karnevalspause nichts zu tun, sondern damit, dass eine gründliche Debatte geführt werden muss, was ich für angemessen halte.

Warum?

Es gibt gravierende medizinische, ethische und juristische Fragen, die bisher nicht beantwortet sind. Und ich glaube, die Öffentlichkeit hat ein Anrecht darauf, dass alle diese Aspekte frei im Parlament debattiert werden, damit nicht der Eindruck entsteht, es werden Entscheidungen hinter verschlossenen Türen getroffen. 

Die Omikronwelle schwappt gerade über Deutschland. Die Inzidenzen steigen gerade vertikal an. Möglicherweise sind durch die ansteckendere, aber harmlosere Virusvariante genug Menschen immunisiert, dass sich die Abstimmung über eine allgemeine Impfpflicht im April erübrigt?

Diese Frage kann man erst dann beantworten, wenn man weiß, ob eine Infektion mit Omikron dazu beiträgt, dass man eine dauerhafte Immunisierung hat – auch gegen weitere Varianten. Ich teile die Auffassung von Karl Lauterbach, dass es zu früh ist, eine Einschätzung abzugeben. Aber ich bin verhalten optimistisch angesichts der bisher vorliegenden Informationen.

Die rasant steigende Zahl der Inzidenzen beunruhigt Sie nicht?

Nein, weil wir feststellen, dass die Hospitalisierungen nicht zunehmen und wir keine Überlastung der Intensivstationen haben – im Gegenteil: Die Zahl der Corona-Patienten nimmt trotz steigender Inzidenzen sogar ab. Das sehen wir auch in anderen Ländern.

Zum Beispiel?

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Ich war gerade auf Mallorca. Die Spanier haben eine Impfquote von deutlich über 80 Prozent und eine Inzidenz von mehr als 1600. Die gehen jetzt dazu über, Corona zu behandeln wie eine Grippe. Das ist unter Umständen ein ermutigendes Zeichen.

Aber daraus kann man doch nicht schließen, dass Impfen nichts bringt. Vermutlich wären die Inzidenz und die Hospitalisierungsquote ohne Impfschutz um ein Vielfaches höher.

Impfen bringt in jedem Falle etwas. Mittlerweile wissen wir aber, dass es keine sterile Immunität durch die Impfung gibt. Auch Geimpfte und sogar Geboosterte können sich selbst infizieren und Infektionsträger sein – und sogar erkranken. Aber Omikron scheint auch Nichtgeimpfte nicht mehr so schwer zu befallen, wie das bei anderen Varianten der Fall war. Damit relativiert sich das Erfordernis einer Impfpflicht.

Sogar FDP-Chef Christian Lindner hat sich zuletzt für die allgemeine Impfpflicht ausgesprochen. Was spricht denn aus Ihrer Sicht dagegen?

Ich glaube nicht, dass wir die Impfquote mit einer Impfpflicht signifikant erhöhen können. Es ist auch naiv zu glauben, die Androhung eines Bußgeldes könne Menschen dazu bewegen, sich impfen zu lassen, wenn das schon mit 2G nicht gelungen ist – dem faktischen Ausschluss aus der Gesellschaft. Und Sie müssen auch immer fragen: Was machen Sie mit denen, die sich auch dann nicht impfen lassen, beziehungsweise nicht impfen lassen können?

Die Erfahrung zeigt, dass Gesetze Skeptiker auch entlasten können. Wenn Impfen zur Pflicht wird, wird ihnen die Entscheidung abgenommen.

Warum glauben Sie, dass das funktionieren sollte? Wir erklären etwas, was Leute freiwillig nicht einsehen, zur Pflicht? Meine Lebenserfahrung spricht dagegen.

Wie würden diese Menschen nach Ihrer Einschätzung auf eine Impfpflicht reagieren?

Reichere Menschen können sich die Bußgelder leisten, Hartz-IV-Empfänger aber nicht. Man müsste dann – denkt man das zu Ende – eine Erzwingungshaft anordnen. Wir haben 12 Millionen Menschen, die nicht geimpft sind. Mit einer Impfpflicht erreichen wir vielleicht noch zwei Millionen, aber 10 Millionen nicht. Stellen Sie sich vor, die legen alle gegen ihre Bußgeldbescheide Widerspruch ein.

In Österreich werden heute schon vierstellige Bußgelder verhängt, wenn Menschen gegen Coronaregeln verstoßen.

Die Österreicher haben schon Schweißperlen auf der Stirn, wenn sie daran denken, dass jetzt bald die allgemeine Impfpflicht in Kraft treten soll. Eine Überforderung der Verwaltung ist dort zu befürchten.

Wie belastbar ist eine Demokratie, wenn man aus Angst vor dem Widerstand einer Minderheit vor Gesetzen zurückschreckt, die die Mehrheit schützen sollen?

Das ist nicht mein zentrales Argument. Ich halte den Eingriff in die körperliche Unversehrtheit schon nicht mehr für sinnstiftend. Darüber könnte man nachdenken, wenn man mit der Impfung eine sterile Immunität – also einen Fremdschutz – erreicht. So war es zum Beispiel bei den Pocken oder Masern. Mittlerweile wissen wir aber, dass das bei Corona nicht der Fall ist. Viele große Ausbrüche, die wir in der unmittelbaren Vergangenheit hatten, waren Ausbrüche bei 2G und 2G-plus.

Ist es indiskret, Sie zu fragen, ob Sie selbst geimpft sind?

Nein, gar nicht. Selbstverständlich bin ich geimpft. Und ich werbe auch für Impfungen. Und zwar nicht, weil man damit der Gesellschaft dient, sondern zuerst sich selbst. Man schützt sich vor schweren Verläufen oder vielleicht sogar vor dem Tod durch Corona. Aber obwohl wir bereits fast zwei Jahre Pandemie hinter uns haben, gibt es relativ wenig wissenschaftliche Erkenntnisse, wer sich wo ansteckt oder wie Infektionsketten entstehen. Es fehlt zudem eine Aufklärungskampagne mit Durchschlagskraft – ein positives Framing, um sich impfen zu lassen.

Super Idee. Ihre Partei sitzt ja jetzt mit in der Regierung. Warum kommt da gar nichts?

Na ja, effektiv ist die neue Regierung erst seit dem 8. Dezember im Amt. Wir können nicht in wenigen Tagen nachholen, was die alte Regierung versäumt hat. Daran arbeiten wir aber jetzt. Karl Lauterbach und ich haben ja ein gutes Verhältnis zueinander.

Tatsächlich? In der Bild haben Sie ihn vor der Bundestagswahl noch einen „Spacken” genannt.

Zunächst habe ich dort erklärt, dass man Karl Lauterbach bei uns zum Teil so bezeichnet. Außerdem ist das plattdeutsch und beschreibt jemanden, der einem auf die Nerven geht. Darüber hat er sich aber gar nicht beschwert, sondern über den Begriff „Dumpfbacke“.

Aber Herr Kubicki, das ist ja noch schlimmer.

Ach, wir fetzen uns gerne mal, auch öffentlich. Wir schätzen uns aber gegenseitig, und das hatte ich in dem Interview auch mehrfach zum Ausdruck gebracht. Außerdem hatte ich mich bei ihm unmittelbar für den durch das Interview entstandenen Eindruck persönlich entschuldigt. Er teilt übrigens meine Einschätzung, dass er der bessere Mediziner und ich der bessere Jurist bin. Er teilt sicher meine Meinung, dass die Menschen im Rahmen der gesundheitlichen Aufklärung ein positives Framing brauchen, das sie begeistert, statt sie moralisch in Bedrängnis zu bringen.

Fällt Ihnen spontan ein Slogan ein?

Es gibt keinen Slogan, der alle Impfskeptiker gleich hinter dem Ofen hervorholt. Aber ich finde die Aktion deutscher Hersteller hervorragend, mit ihren Markenslogans fürs Impfen zu werben. Wenn Audi mit dem Slogan wirbt, „Fortschritt durch Impfen”, ist das wesentlich effektiver, als wenn man erklärt, wer sich nicht impfen lässt, gehört nicht zu uns.

Glauben Sie tatsächlich, dass das auch nur einen Impfskeptiker überzeugt?

Das darf natürlich keine einmalige Sache sein. Sie müssen die Menschen täglich mit der Botschaft konfrontieren. Es muss schick werden zu erklären: „Ich bin geimpft oder geboostert.“ Warum haben wir im Sommer nicht mehr Impfzelte vor Clubs aufgestellt? Warum binden wir nicht Influencer ein, damit die über ihre Social-Media-Kanäle fürs Impfen werben – und zwar positiv?

Die Mehrheit der Bevölkerung ist erschöpft davon, dass die Regierung immer noch keinen klaren Kurs in der Corona-Politik hat. Wäre es da nicht klüger, die Ampelkoalition träte in  so einem wesentlichen Punkt wie der allgemeinen Impfpflicht geschlossen auf?

Es ist doch der Sinn einer parlamentarischen Demokratie, dass man genau in dieser zentralen Frage unterschiedliche Auffassungen artikulieren und Anträge stellen können muss. Auch im Ethikrat werden alle drei Positionen aus dem Bundestag – eine allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahren, eine altersbezogene Impfpflicht und eine Ablehnung der Impfpflicht – vertreten. Ich rechne damit, dass es im Deutschen Bundestag eine Mehrheit für eine Impfpflicht geben wird. Gleichwohl werbe ich weiter dafür, davon Abstand zu nehmen, denn der Nutzen steht in keinem Verhältnis zu dem Schaden, der dadurch verursacht wird.

Ihre Kritiker finden, es sei ein infantiles Freiheitsverständnis, was Sie da strapazieren. Freiheit muss mit Verantwortung einhergehen. Darauf hat Gerhard Baum gerade hingewiesen. Müssen gravierende Grundrechtseinschränkungen nicht hingenommen werden, wenn es um den Schutz von Leben und Gesundheit geht?

Wenn das so wäre, wäre es nachvollziehbar. Ich finde es normal, wenn man bei gleicher Datenlage zu verschiedenen Auffassungen kommt. Ich respektiere ja auch diejenigen, die meine Meinung nicht teilen. Aber dasselbe erwarte ich dann auch von ihnen. Außerdem weise ich mit aller Vorsicht darauf hin, dass auch Sabine Leutheusser-Scharrenberger, der man sicher kein infantiles Freiheitsverständnis vorwerfen wird, sich ebenfalls gegen die allgemeine Impfpflicht ausspricht.

Gerhard Baum, der Grandseigneur der Liberalen, hat die FDP aufgefordert, sich von Ihnen zu distanzieren. Er sagt, sie begeben sich auf das Gebiet der Demagogie, wenn Sie behaupten, „die Mehrheitsgesellschaft übe an den Ungeimpften Rache und Vergeltung“. Wie kommen Sie da eigentlich drauf?

Diese Aussage ist falsch. Ich habe sie so gar nicht getroffen. Ich habe gesagt, dass ich über das jakobinerhafte Verhalten vieler in diesem Land entsetzt bin, deren Freude an 2G und Impfpflicht nicht mehr rational ist. Vielen scheint es um Rache und Vergeltung zu gehen. Ich nehme dabei übrigens die politische Debatte über die Impfpflicht ausdrücklich aus. Aber wenn zum Teil überlegt wird, Ungeimpfte nicht mehr medizinisch zu behandeln, ihnen die grundlegende Teilhabe am öffentlichen Leben zu entziehen oder – wie der französische Staatspräsident darüber nachdachte – deren Bürgerrechte infrage zu stellen, dann halte ich das für gefährlich. Denn die Überlegung, die Ungeimpften seien schuld an der Misere, ist falsch. Wie es Christian Drosten sagte: Es ist keine Pandemie der Ungeimpften, sondern eine Pandemie.

Aber noch im vergangenen Jahr haben Sie Coronaleugner und Impfskeptiker geradezu angestachelt, als Sie in der Bild damit geprahlt haben, dass Sie auch während des Lockdowns Kneipen besucht haben. Sie hätten „von Ihrem Recht auf autonomes Handeln Gebrauch gemacht“. Haben Sie den Beifall aus dieser Ecke nötig?

Nein, es lohnt sich, das vollständige Video anzuschauen. Dann sieht man auch, dass diese Äußerung scherzhaft gemeint war. In der Transkription kommt die Ironie nicht zur Geltung. Ich halte außerdem Überlegungen, als Mensch wäre man nur respektabel, wenn man nie eine Regel übertreten hat, für ziemlich abgehoben. Ich kenne niemanden, der sich in den vergangenen zwei Jahren an sämtliche Corona-Regeln gehalten hat. Den allermeisten waren die sich ständig verändernden Regeln ja auch gar nicht in voller Breite bekannt. 

Aber als stellvertretender Bundestagspräsident haben Sie auch eine Vorbildfunktion. Was sagt eigentlich Ihre Frau dazu, dass Sie als Krawallbruder Schlagzeilen machen?

Das müssen Sie meine Frau fragen.

Jüngstes Opfer Ihrer Beschimpfungen war der Ratsvorsitzende des Weltärztebundes Frank Ulrich Montgomery. Den haben Sie als „Saddam Hussein der Ärzteschaft” bezeichnet.

Ich habe unmittelbar nach meiner Äußerung mit Frank Ulrich Montgomery gesprochen. Er fand das gar nicht so schlimm. Außerdem teilt er selber gerne aus, da muss man auch einstecken können. Die Tatsache, dass sich die deutsche Ärzteschaft von seinen letzten Äußerungen distanziert hat, spricht für sich.

Jede Partei hat ja ihr Sorgenkind. Die Grünen haben Boris Palmer, die Linke hat Sahra Wagenknecht. Die CDU hat Hans-Georg Maaßen. Und die FDP hat Wolfgang Kubicki. Täuscht der Eindruck, oder fühlen Sie sich in dieser Rolle ganz wohl?

Ich finde es ziemlich unverfroren, mich in die gleiche Rolle wie Maaßen oder Sahra Wagenknecht oder Boris Palmer zu stellen. Ich bin stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP. Ich war sieben Mal Spitzenkandidat bei Landtagswahlen mit historisch herausragenden Erfolgen. Ich bin bei der letzten Bundestagswahl von 14 Prozent der Menschen in meinem Wahlkreis direkt gewählt worden und habe eines der besten Direktwahlergebnisse erreicht. Ich muss mich wegen unbotmäßiger Vergleiche, wie Sie sie hier ziehen, nicht rechtfertigen. Wer mich nicht wählen will, muss das nicht tun. 

Vielleicht wurden Sie ja aber auch deshalb gewählt, weil es viele Leute cool finden, dass Sie Klartext sprechen und auch mal „einen raushauen“.

Ich mache meine Überlegungen, was ich sagen will, nicht davon abhängig, wie es bei Cicero oder der Bild wirkt.

Wovon dann?

Ob ich glaube, dass es notwendig ist, auf einen groben Klotz auch mal einen groben Keil zu setzen. Ich habe aus meiner Meinung noch nie einen Hehl gemacht. Das hat auch etwas mit meiner Unabhängigkeit zu tun, die ich mir bis zum Ende meiner Tage bewahren will.

Weil die FDP nicht mehr neben der AfD sitzen wollte, wurde jetzt die Sitzordnung im Bundestag geändert. Wie ist es jetzt in der Mitte des Parlaments. Hat sich der Ton schon gemäßigt?

Das werden wir heute erst sehen. Über Weihnachten ist ja umgebaut worden. Ob das eine sinnvolle Maßnahme ist, darüber kann man lange argumentieren.

Ihnen war es egal?

Es ist nicht mein zentrales Thema. Aber im Grunde haben wir nur den Wunsch von Ralph Brinkhaus erfüllt, der sagte, die FDP rückt nach links.

Bei Ihnen hat man von Mäßigung noch nicht viel gemerkt. Gerade haben Sie den Rücktritt von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder gefordert. Ein Trick, um von der Kritik an Ihren verbalen Entgleisungen abzulenken oder um für Ihren Antrag gegen die Impfpflicht zu werben?

Weder noch. Ich halte es nur für unverantwortlich, dass ein Ministerpräsident mit falschen Zahlen operiert, um freiheitseinschränkende Maßnahmen zu begründen. Zu behaupten, Ungeimpfte seien rund 15mal häufiger betroffen als Geimpfte, und in Wahrheit sind sie nur dreimal häufiger betroffen, finde ich schon spektakulär, weil es das Vertrauen in die Lauterkeit staatlicher Organe untergräbt.

Aber muss man deshalb gleich seinen Rücktritt fordern?

Ich kämpfe politisch seit jeher für die Freiheit. Wer, wie Söder, meint, Freiheit könne man mit falschen Erklärungen beschränken, hat unsere Verfassung nicht verstanden oder nicht zu schätzen gelernt. Söder ist beim Einfordern von Folgsamkeit groß, wenn er aber selbst gravierende Fehler zu verantworten hat, klein. Entweder er ist für alles verantwortlich, wie er immer deutlich macht, oder für nichts. Wenn man sich an diese Art der Politik gewöhnt hat, ist meine Forderung sicherlich ein bisschen spektakulär. Ich möchte mich daran nicht gewöhnen. Aber es war ja nicht die einzige Entgleisung von Herrn Söder in der Vergangenheit.

Wie hat er reagiert?

Weiß ich nicht. Im Landtag hat er sich schon mehrfach über mich beschwert. Das ist sein gutes Recht. CSU-Generalsekretär Markus Blume hat erklärt, es sei unangemessen für einen Bundestagsvizepräsidenten, sich so zu äußern. Aber auch da gilt für mich der Grundsatz: Wenn die Großkopferten der CSU so sensibel sind, sind sie im politischen Geschäft deplatziert.  

Die Fragen stellte Antje Hildebrandt.

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