Thüringen-Debakel der CDU - Das C steht für Chaos

Die Versuche der CDU Thüringen, aus ihrer ausweglosen Situation zu kommen, wirken immer verzweifelter. Dass Berlin Erfurt nach jeder Entscheidung auf die Finger haut, wirft kein gutes Licht auf den Gesamtzustand der Partei.

Mike Mohring, Annegret Kramp-Karrenbauer: Offensichtlich herrscht Funkstille zwischen Berlin und Erfurt
Anzeige

Autoreninfo

Marko Northe hat die Onlineredaktion von cicero.de geleitet. Zuvor war er Teamleiter Online im ARD-Hauptstadtstudio und Redakteur bei der "Welt". Studium in Bonn, Genf und Berlin sowie am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. 

So erreichen Sie Marko Northe:

Anzeige

Man könnte meinen, klare Regeln führen zu klaren Entscheidungen. Der Unvereinbarkeitsbeschluss beispielsweise, den die CDU auf ihrem Bundesparteitag Ende 2018 verabschiedet hat. Dort hieß es: „Die CDU Deutschlands lehnt Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit sowohl mit der Linkspartei als auch mit der Alternative für Deutschland ab.“

Nur scheitern hehre Ziele allzu oft an der schnöden Realität. Die Ergebnisse der Landtagswahl in Thüringen ließen den Christdemokraten im Freistaat im Grunde keine akzeptable Option. Sie konnten kaum eine Entscheidung treffen, die nicht im Widerspruch zum auch für sie geltenden Unvereinbarkeitsbeschluss gestanden hätte. Die einzige Möglichkeit wäre gewesen, sich vollkommen herauszuhalten. Für eine staatstragende Partei, wie es die CDU ihrem Selbstverständnis nach ist, war auch das anscheinend keine Möglichkeit.

Was hat man eigentlich erwartet?

Nun wurde erst die Wahl des FDP-Manns Thomas Kemmerich zum Fiasko nicht nur für die CDU Thüringen, der die Kanzlerin wie einem ungezogenen Kind nach der Abstimmung auf die Finger gehauen hat. Sondern auch für die Bundesvorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer, die infolge des „Erdbebens von Erfurt“ ihren Rücktritt ankündigte, weil sich Teile ihrer Partei anscheinend nicht daran hielten, was sie von ihnen verlangte. 

Was haben die Erfurter CDU-Abgeordneten also eigentlich erwartet, nachdem sie sich doch haben breitschlagen lassen, Bodo Ramelow wieder ins Ministerpräsidentenamt zu hieven? Der CDU-Bundesvorstand hatte keine andere Wahl, als Nein zu sagen. Alles andere hätte auch den Rest an Glaubwürdigkeit verspielt, den die Partei derzeit überhaupt noch hat.

Offensichtlich herrscht Funkstille

Doch auch das Nein am Tag nach der Entscheidung der Thüringer CDU fördert nicht das Vertrauen in die Christdemokraten. Es offenbart vielmehr die existenzielle Führungskrise, in der die Partei derzeit steckt. Denn einen besseren Eindruck nach Außen hätte es gemacht, wenn sich Thüringen und Berlin vor einer Entscheidung über den weiteren Verlauf und die temporäre Zusammenarbeit mit den Linken abgesprochen hätten.

Das scheint derzeit nicht möglich zu sein. Schon nach der Wahl Kemmerichs rumorte es in der Thüringer Fraktion. Dass sich der Bundesvorstand in die Entscheidung eines Landesverbands einmischte, wurde als Affront empfunden. Dass der Bundesvorstand nun abermals eine Thüringer Entscheidung „rückgängig“ machen will, zeigt, dass zwischen Berlin und Erfurt offensichtlich Funkstille herrscht. Die Noch-Parteivorsitzende und ihr Generalsekretär haben offenbar nichts mehr im Griff. Ob unter diesen Umständen die Entscheidung, wer Annegret Kramp-Karrenbauer nachfolgt, noch lange ungeklärt bleiben kann, ist mehr als zweifelhaft.

Anzeige