Streit um Manuela Schwesigs „Klimaschutzstiftung“ - Eine moralische Bankrotterklärung

Mecklenburg-Vorpommern wird keine 20 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt als Wiedergutmachung an die Ukraine schicken. So das Ergebnis eines völlig enthemmten Streits am Freitag im Schweriner Landtag, der von Beleidigungen und Tränen geprägt war. Für Manuela Schwesig und ihre rot-rote Landesregierung war die Landtagssitzung ein moralischer Tiefpunkt in der Affäre um ihre von Gazprom finanzierte „Klimaschutzstiftung“.

Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) sieht keinen Anlass zur Selbstkritik / dpa
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Ulrich Thiele ist Politik-Redakteur bei Business Insider Deutschland. Auf Twitter ist er als @ul_thi zu finden. Threema-ID: 82PEBDW9

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Als Ann Christin von Allwörden am Ende noch einmal ans Rednerpult kommt, ringt sie mit der Fassungslosigkeit. „Ich schäme mich in Grund und Boden für dieses Parlament“, sagt die CDU-Landtagsabgeordnete in ihrer Abschlussrede, die immer wieder von den teils höhnischen Zwischenrufen der SPD-, Linken- und AfD-Abgeordneten unterbrochen wird. „Wir möchten mit diesem Antrag schlicht und ergreifend Menschen helfen. Menschen, die im Krieg sind. Krieg – wir können uns das gar nicht vorstellen, diese extreme Ausnahmesituation, in der diese Menschen sich befinden. Aber wir reden hier über alle anderen Dinge, aber nicht über Menschen, die sterben, nicht über Menschen, die leiden“, sagt Allwörden unter Tränen.

Ihrer Wutrede am Freitag im Schweriner Landtag ging eine enthemmte, von wüsten Beleidigungen geprägte Debatte voraus, im Zuge derer Mecklenburg-Vorpommerns Regierung um Ministerpräsidentin Manuela Schwesig eine moralische Bankrotterklärung ablieferte. Die Wortgefechte waren so unsachlich, dass anschließend sogar eine Sitzung des Ältestenrats einberufen wurde. Auslöser war ein Antrag der aus CDU, FDP und Bündnisgrünen bestehenden sogenannten Jamaika-Opposition, 20 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt in die Ukraine zu schicken.

„Fake-Stiftung“

Zum Hintergrund: Vor zwei Wochen hatte der Landtag in der einer Sondersitzung einstimmig beschlossen, die von Manuela Schwesig ins Leben gerufene „Klimaschutzstiftung“ aufzulösen und die 20 Millionen Euro aus der Stiftung für humanitäre Zwecke in der Ukraine zu spenden.

Der mit Hilfe vom russischen Staatskonzern Gazprom ins Leben gerufenen Klimaschutzstiftung haftet seit ihrer Gründung im Januar 2021 der Vorwurf an, eine „Fake-Stiftung“ zu sein. Vordergründig sollten mit den Gewinnen aus den russischen Gas-Geschäften Umweltprojekte gefördert werden. Das politische Hauptziel der Stiftung war jedoch, die amerikanischen Sanktionen zu umgehen und so die Gaspipeline Nord Stream 2 in Betrieb zu setzen. Dafür hat sich die Stiftung in ihrer Satzung die Möglichkeit geschaffen, durch Tochterfirmen wirtschaftliche Geschäftsbetriebe ausüben zu können, mit denen der Weiterbau der Pipeline vorangetrieben werden sollte.

Stiftungsauflösung ist rechtswidrig

Nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine fürchtete Ministerpräsidentin Schwesig offenbar um ihr Image und verkündete einen Bruch mit ihrer bisherigen Russlandpolitik. In diesem Rahmen kündigte sie auch eine Auflösung der „Klimaschutzstiftung“ an, zudem sollten die von Gazprom zur Verfügung gestellten Stiftungsgelder von 20 Millionen Euro für humanitäre Zwecke in der Ukraine eingesetzt werden. Um beim Klimaschutz auf die Gazprom-Millionen nicht mehr angewiesen zu sein, kündigte Schwesig außerdem an, dieselbe Summe aus dem Landeshaushalt zur Verfügung stellen.

 

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Obwohl die Stiftungsauflösung und somit das Spenden der Stiftungsgelder an die Ukraine rechtlich nicht möglich sein dürfte – eine Stiftung ist zweckgebunden –, hatte der Landtag in einer Sondersitzung einstimmig beschlossen, die 20 Millionen Euro von Nord Stream 2 aus der Klimaschutzstiftung für humanitäre Zwecke umzuwidmen. Jedoch ohne konkret zu benennen, wie das trotz des engen rechtlichen Rahmens vonstattengehen soll.

Die entsprechende Rechtsprüfung dauerte CDU, FDP und den Grünen nun wohl zu lange, deswegen pochten sie mit einem Dringlichkeitsantrag am vergangenen Freitag darauf, das Geld für die Ukraine aus dem eigenen Haushalt zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig warfen sie der Regierung um Schwesig vor, zu lange Putin verharmlost zu haben.

„Billiger Populismus“

„Die Menschen in der Ukraine sterben jetzt. Der Krieg in der Ukraine tobt jetzt. Deswegen muss auch jetzt geholfen werden“, sagte Ann Christin von Allwörden in ihrer Eingangsrede. „Wir haben einen Fehler gemacht“, die von allen Landtagsparteien gegründete Klimaschutzstiftung sei ein Fehler gewesen. Deswegen sei es „Zeit für ein ganz klein wenig echte Wiedergutmachung“, so von Allwörden.

SPD und Linke reagierten mit heftigen Vorwürfen und verteidigten ihre Ministerpräsidentin, die krankheitsbedingt nicht anwesend war. Der Antrag sei laut Philipp da Cunha (SPD) reine „Publicity“. Finanzminister Heiko Geue (SPD) meinte, beim „Häuten der Zwiebel“ zu erkennen, dass die Antragsteller lediglich politischen Nutzen aus der Situation ziehen wollen: „Hauptsache es geht gegen die Ministerpräsidentin, ob sie sich wehren kann oder nicht.“ Selbst die AfD sprang der Regierung zur Seite: Der Antrag sei „billiger Populismus“ mit dem Ziel, „politisches Kapital“ zu schlagen, polemisierte Martin Schmidt, der sich veranlasst sah, Schwesig zu verteidigen: „Es wird alles versucht, um in die Medien zu kommen und die Landesregierung anzugreifen. Trauriger Höhepunkt war die Behauptung der Grünen, dass unsere Ministerpräsidentin eine Art Mitschuld am Krieg hätte und damit unser Land, das die Ministerpräsidentin personifiziert.“

Die Selbstverleugnung der Linken

Auch Torsten Koplin von der Linken, seit Jahren die moralische Stimme seiner Partei mit dem Ruf, Verteidiger der Schwächsten zu sein, legte in seiner Rede eine 180-Grad-Kehrtwende hin, die symptomatisch ist für die Selbstaufgabe der Linken in der rot-roten Regierung. Auch er wurde laut und stemmte sich gegen die finanzielle Soforthilfe für die Menschen in der Ukraine: „Ich habe das Gefühl, dass Sie uns vorführen wollen, und wir lassen uns nicht vorführen.“ Koplin warf der Opposition Scheinheiligkeit vor, der Antrag sei „verwerflich, niederträchtig und schäbig“.

Am Ende war klar: Es wird kein Geld aus der Landeskasse in die Ukraine fließen – SPD, Linke und AfD stimmten mit Nebelkerzen und Ausweichmanövern dagegen. Laut Finanzminister Geue hat „die Bundesregierung die Zuständigkeit, die Mittel und die Möglichkeiten, zu helfen“. Laut Philipp da Cunha (SPD) sei der Antrag haushaltsrechtlich nicht umsetzbar. Laut Torsten Koplin (Linke) dürfe Mecklenburg-Vorpommern kein Geld in andere Länder transferieren. AfD-Mann Martin Schmidt verstieg sich gar zu der Behauptung, finanzielle Hilfe für die Ukraine sei vor allem Privatsache.

Ausgerechnet die Politiker, die vor zwei Wochen noch sagten, eine rechtswidrige Stiftungsauflösung sei möglich, wenn der Wille da sei, verkünden nun, dass 20 Millionen Euro für die Ukraine aus der Landeskasse „haushaltsrechtlich“ nicht möglich seien.

Allein der Wille fehlt

„Es gibt einen Weg, wenn der Wille da ist. Wenn der Wille nicht da ist, soll man das sagen und nicht der Opposition vorwerfen, politisches Kapital schlagen zu wollen, nur weil sie einen anderen Weg geht. Das ist beschämend, frech, feige und unverschämt“, reagierte Ann Christin von Allwörden (CDU) auf die Vorwürfe.

Tatsächlich dürfte das Lockermachen der 20 Millionen Euro als außerplanmäßige Ausgabe kein Problem sein. Ironischerweise hätte die Spende sogar Schwesigs Ausweg aus ihrem Dilemma sein können. Zur Erinnerung: Schwesig wollte das Gazprom-Geld aus der „Klimaschutzstiftung“ an die Ukraine schicken und somit das Geld und ihr Image reinwaschen. Das dadurch fehlende Geld für den Klimaschutz wollte sie mit 20 Millionen Euro aus der Landeskasse ausgleichen. Die dafür nötige Stiftungsauflösung ist jedoch rechtlich nicht möglich, was auch Stiftungsleiter und Ex-Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) betonte, der sich gegen Schwesig stellte und ihren Plan als „rechtswidrig“ und „Anstiftung zur Untreue“ bezeichnete.

Schwesigs Unfähigkeit zur Selbstkritik

Die Stiftung arbeitet bereits daran, die wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe aus ihrer Satzung zu streichen. Sellering hatte das bereits am 28. Februar angekündigt. Die 20 Millionen Euro von Gazprom könnten so wirklich für Klimaschutzziele verwendet werden, die 20 Millionen Euro aus der Landeskasse wären dann nicht, wie von Schwesig angekündigt, für den Klimaschutz, sondern eben für humanitäre Zwecke in der Ukraine verwendet worden. Kurz: Schwesig hätte sich mit diesem kleinen Dreher aus der Affäre ziehen können, ohne das Stiftungsrecht biegen zu müssen.

Was also löste bei der Landesregierung solch heftige Abwehr gegen den Antrag aus? Die banale Antwort: Es ist wohl schlichtweg Eitelkeit. Allein die längst berüchtigte Unfähigkeit der Ministerpräsidentin und ihrer Regierung, Selbstkritik zu üben und Fehler einzugestehen, stehen den sofortigen Hilfsmitteln für die Ukraine im Weg.

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