SPD-Vorsitz - Was, wenn Olaf Scholz fällt?

Von kommendem Montag an stimmen die SPD-Mitglieder in einer Stichwahl über den SPD-Vorsitz ab. Wenn Olaf Scholz verliert, hätte das nicht nur bittere Auswirkungen für ihn persönlich. Das Schicksal von Bundeskanzlerin Angela Merkel hängt an diesem Wahlausgang

Reißt Olaf Scholz die Kanzlerin mit? / picture alliance
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Die zwei Nachrichten des Wochenendes? Die Große Koalition hat sich auf eine Grundrente verständigt, und Olaf Scholz will reinen Männer-Vereinen die Gemeinnützigkeit absprechen. Das eine Thema ist von gewaltiger Dimension und harret seit mehr als zehn Jahren einer Lösung. Das andere fällt eher in die Kategorie kurios als gewaltig. Und doch könnte es die größeren Auswirkungen haben.

Vergangene Woche noch hatte Olaf Scholz in der Stichwahl mit Norbert Walter-Borjans Boden gutmachen können. Besser gesagt: Walter-Borjans hatte seine Chancen fast mutwillig verschlechtert, indem er wissen ließ, dass nach seiner Auffassung die SPD gar keinen Kanzlerkandidaten mehr aufstellen müsse, weil sich die dahinter stehende Frage gar nicht mehr stelle. Diese Äußerung fiel nicht nur in die Kategorie kurios, das war schon verschroben. Denn wie soll man jemandem die Ambition auf eine Führungsposition abnehmen, wenn er die Führungsposition des Landes gar nicht mehr anstreben möchte.

Kein Gefallen für mehr Geschlechtergerechtigkeit

Vielleicht wollte Scholz diese Graupe seines Wettbewerbers wieder ausgleichen, um faire Bedingungen für beide zu gewährleisten. Von kommendem Montag an dürfen die 440.000 SPD-Mitglieder ein zweites und entscheidendes Mal darüber abstimmen, wen sie als neues Vorsitzendenpaar haben möchten.

Weil bis zu dieser Stelle immer nur von den beiden Männern dieser verbliebenen Paarungen die Rede ist: Das haben sich die Genossen selbst zuzuschreiben, dass diese Vorsitzendenwahl einer größeren Geschlechtergerechtigkeit keinen Gefallen tut. Denn Olaf Scholz trat erstmal allein an, um dann wissen zu lassen, dass die Dame seiner Wahl später bekannt gegeben werde. Die Botschaft: Ist doch egal, mit welcher Frau ich antrete. Hauptsache, ich trete an. Und ebenso wie in seiner Paarung mit Klara Geywitz wie in jener von Walter-Borjans und Saskia Esken gibt es ein Dreiklassen-Gefälle zwischen der Prominenz der bisherigen politischen Leistungsbilanz der Männer gegenüber den Frauen.

Scholz’ ganze Karriere hängt an seiner Wahl

Aber das nur als ein weiterer Hinweis darauf, wie verkorkst (und nebenbei fast tödlich kostspielig) diese Form der Vorsitzendensuche bei den Sozialdemokraten ist. Viel wichtiger ist, dass nicht nur das Überleben dieser ältesten deutschen Partei daran hängt. Sondern auch das Bestehen dieser Koalition und die Kanzlerschafts Angela Merkels.

Denn wenn Scholz nicht Parteivorsitzender wird, dann muss er sein Amt als Finanzminister umgehend aufgeben. Das ist ihm auch völlig klar. Er hat in mehreren Interviews gesagt, er wisse darum, dass er mit dieser Kandidatur seine ganze politische Karriere aufs Spiel setze. Dann wäre für ihn mit 61 Schluss. Viele vom Format eines Olaf Scholz hat die SPD nicht mehr.

Erstarken der SPD in der Opposition

Vor allem aber wäre bei seinem Rücktritt von allen Ämtern mit einiger Wahrscheinlichkeit Schluss mit dieser Koalition. Denn die Vizekanzlerschaft von Scholz verleiht diesem hochfragilen Gebilde einen letzten Rest an Stabilität. Es ist nicht gewährleistet, dass statt seiner dann einfach Walter-Borjans, früherer Finanzminister in Nordrhein-Westfalen, in die Regierung einträte.

Zumal er und vor allem seine Partnerin bei der Stichwahl, Saskia Esken, immer wieder zu erkennen gegeben haben, dass sie sich ein Erstarken der SPD eher in der Opposition als in der Merkel-Regelung vorstellen können. Diese zweite und entscheidende Wahlrunde wird zu einer Abstimmung der Sozialdemokraten über den Verbleib in der Regierung Merkel.

Darum quält AKK die SPD

Die innerparteilichen Gegner der Kanzlerin drücken dem Duo Esken-Borjans daher derzeit heimlich die Daumen. Denn ein vorzeitiges Ende der Kanzlerschaft Merkels wird nur über den Ausstieg der Sozialdemokraten möglich sein. Wie es aussieht, hat das auch die CDU-Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer begriffen. Sie leidet unter dem Sitzfleisch ihrer Vorgängerin und hat es bisher nicht vermocht, sich von ihr zu emanzipieren.

Niemand in der CDU, außer der Fraktionsvorsitzende mit einer (hoch unwahrscheinlichen) Revolte der Unionsabgeordneten, hat es in der Hand, Merkel zum Aufhören zu zwingen. Und wenn AKK nicht über ein vorzeitiges Ausscheiden Merkels ins Amt kommt, wird sie es schwer haben, die Kanzlerkandidatur für sich in Anspruch zu nehmen. Jeder Tag, den Merkel früher aufhörte, wäre für AKK ein guter Tag. Und umgekehrt.

Deshalb quält die Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer die SPD mit allerlei in deren Augen bellizistischen Vorschlägen. Ihre Vorschläge für höhere Ausgaben und mehr Übernahme von Verantwortung bei Auslandseinsätzen der Nato sind inhaltlich geboten und profilieren sie als Fachministerin. Darüber hinaus sollen sie die SPD vergrämen. Ihr offener Krieg mit Heiko Maas um eine europäische Schutzzone in Nordsyrien war nur der Anfang ihrer Offensive gegen die SPD. Eine Niederlage von Scholz würde ihr strategisch in den Plan passen.

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