Die SPD und die Vermögensteuer - Geld verdienen mit Sonnenbaden

Die Sozialdemokraten leisten sich mitten im Niedergang ein bizarres Verfahren zur Neuwahl der Parteiführung – und versuchen sich in ihrer Not auch noch mit populistischen Neid-Debatten. Ihr neues Feindbild: der Spitzenverdiener

Eine tolle Partei: das Übergangsführungstrio hat den roten Faden entdeckt / picture alliance
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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In der aktuellen Ausgabe des Vorwärts stehen die drei kommissarischen SPD-Vorsitzenden Rede und Antwort. Auf die Frage, ob es ihnen „zurzeit Spaß“ mache, in dieser Partei zu sein, antwortet Malu Dreyer: „Ja, denn wir spüren im Moment mal wieder, was für eine tolle Partei die SPD ist.“ Das ist zum einen sehr erfreulich für die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin.

Außerhalb des Übergangs-Führungstrios dürfe man sich allerdings wundern, worauf dieses Gefühl gründet. „Im Moment“ nämlich kratzt die deutsche Sozialdemokratie laut Umfragen hart an der Zweistelligkeit; „im Moment“ leistet sie sich ein bizarres Auswahlverfahren des oder der neuen Vorsitzenden; „im Moment“ ist die Partei über die Frage zerrissen, ob sie im Bund überhaupt weiter mitregieren soll. Und „im Moment“ befindet sich die SPD nicht nur in einer massiven Identitätskrise, sondern ist in ihrer Existenz als politische Gestaltungskraft bedroht.

Ein Hauen und Stechen

Was also ist so „toll“ an der SPD, wenn man einmal davon ausgeht, dass Malu Dreyer dieses Adjektiv nicht im Sinne von „verrückt“ oder „närrisch“ verwendet hat? Die Aussicht auf die bevorstehende Mitgliederbefragung zu den Kandidaten für den Parteivorsitz dürfte kaum ein Grund zur Freude sein. Denn wenn am 1. September die Bewerbungsfist abläuft, beginnen schon bald die Regionalkonferenzen, bei denen sich die Bewerberinnen und Bewerber der Parteibasis vorstellen können.

Die CDU hatte es Ende vergangenen Jahres ähnlich gehandhabt. Allerdings mit dem kleinen Unterschied, dass bei weitem nicht so viele Kandidaten bereit standen – und vor allem die Zahl der öffentlichen Vorstellungsrunden auf acht beschränkt wurde. Die SPD hingegen plant sage und schreibe 23 Regionalkonferenzen – oder mit anderen Worten: ein Hauen und Stechen über viele Wochen hinweg.

23 mal Krawall

CDU-Funktionäre, die im letzten Herbst das Kandidaten-Schaulaufen ihrer eigenen Partei begleitet haben, berichten davon, dass man mit acht Veranstaltungen bereits an der Grenze des Erträglichen gewesen sei. Weil nämlich die Konkurrenten Spahn, Merz und Kramp-Karrenbauer von Vorstellungsrunde zu Vorstellungsrunde immer schärfer formuliert hätten und die Polarisierung innerhalb der Partei entsprechend zunahm.

Da braucht man kein Prophet zu sein, um zu ahnen, was eine annähernde Verdreifachung dieses Pensums für die ohnehin auf Krawall gestimmte SPD bedeutet. „Wir zeigen gerade, dass wir eine echte Mitgliederpartei sind“, sagte Dreyers Ko-Interimsvorsitzende Manuela Schwesig in besagtem Vorwärts-Interview. Tatsächlich dürfte das Auswahlverfahren die innerparteilichen Fliehkräfte der SPD verstärken – zumal vor dem Hintergrund der absehbaren Wahlschlappen in Sachsen und Brandenburg.

Auf der Suche nach dem roten Faden

Viel Grund zur Freude gibt es bei Lichte besehen für Dreyer und Schwesig also eher nicht. Also schauen wir einmal, was Thorsten Schäfer-Gümbel, der Dritte im Bunde, seiner Parteizeitung zu sagen hat. Wenn er, so Schäfer-Gümbel, mit Neumitgliedern (ja, die scheint es noch zu geben) telefoniere, dann fragten diese als erstes nie nach Köpfen oder dem Verbleib in der Großen Koalition. Sondern vielmehr „nach dem roten Faden der SPD“. Diesen müsse man künftig „deutlicher machen“.

Gesagt, getan. Schäfer-Gümbel und seine Funktionärsgenossen haben den roten Faden soeben ausformuliert, und siehe da: Es ist sogar ein richtig dunkelroter Faden geworden, aus dem sich wunderbare Steuererhöhungen spinnen lassen. Und sogar noch weit mehr, denn in Wahrheit handelt es sich um blanken Populismus. Der Spruch jedenfalls, mit dem die SPD-Bundestagsfraktion für die selektive Abschaffung des Solidaritätsbeitrags wirbt, zeugt vom Zustand der politischen Verwahrlosung dieser Partei. „Keine Steuergeschenke für Spitzenverdiener!“, heißt es da – als ob Steuersenkungen ganz selbstverständlich nichts anderes wären als ein Taschengeld, das Vater Staat seinen unmündigen Schutzbefohlenen zusteckt.

Geldbündel vom Fließband

Dieses paternalistische Verständnis vom Bürger als einem Geburtstagskind, das die Sozialdemokraten da verbreiten, wird noch getoppt durch die Abbildung eines Mannes auf einem Liegestuhl, Sonnenbrille im Haar und Cocktailglas vor sich, neben dem die Geldbündel von einem Fließband herabfallen. Nur, damit auch allen klar ist, womit in Deutschland Jahresgehälter von 74.000 Euro und darüber verdient werden: mit Sonnenbaden.
 
Dass Schäfer-Gümbel seinen roten Faden, einmal aufgenommen, fröhlich weiterspinnt und justament zur sich ankündigenden Rezession die Wiedereinführung der Vermögensteuer fordert, passt ins Bild einer SPD, die sich mental längst aus der Verantwortung verabschiedet hat. Übrigens auch Schäfer-Gümbel selbst, der ja seine politischen Ämter gegen einen hochdotierten Job bei der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) eintauschen konnte. Ob er sein dortiges Spitzengehalt ebenfalls auf Liegestühlen verdient, wird sich ja zeigen. Wenn aber die SPD so weitermacht, dann wird sie nicht nur untergehen. Sondern sogar dafür sorgen, dass ihr nicht einmal mehr jemand hinterhertrauert

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