Armin Laschet im Sommerinterview - Alles kann, nichts muss

Diversität, Klimaneutralität, keine Steuererhöhungen, keine Steuerentlastungen, dann doch Steuerentlastungen, schwarze Null. Wie will Armin Laschet bei all diesen Versprechen noch ernst genommen werden? Er konzentriert sich einfach auf sein ganz eigenes Wohlfühl-Wahlprogramm – mit Erfolg.

Immer cool bleiben, das war Armin Laschets Devise im ARD-Sommerinterview / dpa
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Autoreninfo

Uta Weisse war Online-Redakteurin bei Cicero. Von Schweden aus berichtete sie zuvor als freie Autorin über politische und gesellschaftliche Themen Skandinaviens.

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Über seine Frau Susanne sagt Armin Laschet im ARD-Sommerinterview: „Sie hat mich sowohl in vielen strategischen intellektuellen Debatten gefordert als auch sehr häufig, eigentlich immer unterstützt.“ Ohne sie hätte er so viel nicht geschafft, sagt der Kanzlerkandidat der Union.

Aus ihm heraus sprudelt das nicht gerade, er wirkt eher vorsichtig, als dächte er, „Achtung, Armin, hier könntest du stolpern“. Aber dann legt er den Kopf noch mal schräg und schaut liebevoll in die Kamera. Nun wirkt er erleichtert. Alles richtig gemacht, den Trichter schön weit aufgespannt, er hat seine Frau als gleichwertige Partnerin gezeichnet und ist nicht in die Falle getappt, sie in ihrer Qualität als Mutter zu loben. So kann sich wirklich keine Wählerin an dem stören, was Armin Laschet den ARD-Zuschauern erzählt.

Der woke Laschet

Schon im Gespräch mit der Frauenzeitschrift Brigitte hatte er vergangenen Mittwoch angekündigt, sollte er Kanzler werden, werde sein Kabinett zu gleichen Teilen mit männlichen und weiblichen Ministern besetzt. Und nicht nur die Interessen der Frauen wolle er in einer möglichen Kanzlerschaft vertreten, auch die der Ostdeutschen und Migranten, das macht er im Gespräch mit ARD-Moderatorin Tina Hassel im Sommerinterview deutlich. Die einzelnen Länder, Ost wie West, würden sich wiederfinden in einem Kabinett Laschet. Nach der Wahl wolle er ebenfalls Akzente in puncto Diversität setzen, denn Deutschlands Vielfalt spiegele sich aktuell weder im Kabinett noch im Bundestag wider.

Neue Stadt, neuer Laschet, möchte man meinen. Längst vergessen scheint er zu haben, dass er es in seinem Stammland NRW nicht so genau nahm mit der Diversität. Vergangenen Sommer, Monate bevor er sich in diesem Jahr zum Kanzlerkandidaten durchsetzte, stellte er zum Auftakt des NRW-Wahlkampfes die CDU-Riege für Bürgermeister- und Landratsämter in einem Waldstück in Castrop-Rauxel vor: allesamt männlich, weiß, mittleren Alters. Fast wie abgesprochen trugen sie alle auch noch Hemden in blassen Blautönen, die Ärmel lässig hochgerollt, hatten durchweg auf Krawatten verzichtet. In den sozialen Medien wurde schnell über „Laschets Klontruppe“ gewitzelt.

Laschet, Kanzler der Mieter

Und auch im Streit um die CO2-Bepreisung von Heizkosten zwischen Mietern und Vermietern präsentiert sich Laschet in neuem Anstrich, aus schwarz mach rot. „Die jetzige Lösung, dass der Vermieter quasi gar nichts leistet, wird keinen Bestand haben“, sagt er. Aber Moment mal, hatte die Unionsfraktion im Bundestag nicht gegen einen solchen Kompromiss zur Aufteilung der CO2-Kosten gestimmt? Ja. Monatelang hatte der Koalitionspartner SPD darauf hingewirkt. Die Union ließ den Gesetzentwurf platzen, die CO2-Kosten müssen vorerst die Mieter alleine schultern. Auf kritische Nachfrage von Moderatorin Hassel weicht Laschet auf die prozentuale Verteilung aus, eine 50-50-Regelung sei nicht tragbar. Denn Vermieter hätten schließlich keinen Einfluss auf das Heizverhalten der Mieter. Auf den Einwand, dass Mieter auch keinen Einfluss darauf hätten, ob Vermieter sich für wärmedämmende Investitionen entschieden, gibt es Nicken von Laschet. Weiter eingehen auf das Thema will er aber nicht.

Laschet, der Öko

Als die Moderatorin tiefer in die Klimaprogrammatik der Union im Wahlkampf einsteigen will, spult Laschet wohlklingende allgemein gehaltene Sätze ab. Seine Partei strebe bereits fünf Jahre früher als es das Pariser Klimaabkommen vorsehe, die Klimaneutralität 2045 an. Wie man denn aber dahin gelangen wolle, hakt Hassel nach. Kohle-Ausstieg und CO2-Bepreisung sind die Stichworte. Wie hoch solle der CO2-Preis denn werden? Das regle der Markt, antwortet Laschet. Aber wenn, wie von der Union vorgesehen, einzig der Markt ohne staatliches Eingreifen über den Preis bestimme, würden die Preise aufgrund zwangsläufig steigender Nachfrage für Zertifikate explodieren, argumentiert Hassel. Die Industrie würde die Kosten dann auf die Verbraucher umlegen und diese am Ende größtenteils dafür aufkommen. Armin Laschets Antwort darauf: Jein. Staatliches Eingreifen sei unter Umständen nötig, aber der Vorschlag der Grünen zu sozialen Ausgleichszahlungen an die Verbraucher sei auf jeden Fall viel zu bürokratisch.

Gerne rühmt sich Laschet auch damit, dass er als NRW-Ministerpräsident bereits vorbildliche Klimapolitik betreibe. Richtig ist, dass NRW das Bundesland mit den meisten Windkraftanlagen ist. Nur stammt der größte Teil der Anlagen aus vorherigen Legislaturen. Zudem droht NRW seine Spitzenreiterrolle in den Erneuerbaren zu verlieren. Die Hälfte aller Windanlagen könnte dort durch ein unter Laschet verabschiedetes Gesetz gefährdet sein. Es schreibt einen Mindestabstand von 1.000 Metern zwischen Windrädern und Kleinstsiedlungen vor. Als solche Siedlungen gelten aber bereits drei nahe beieinanderstehende Häuser. Ferner betrifft die neue Regelung auch bestehende Windanlagen. Denn sobald diese umgerüstet werden müssen, gilt das als Baumaßnahme und die neue Mindestabstandsregel würde greifen.

Laschet, der Sparer

„Keine Steuererleichterungen“, die könne man sich aktuell nicht leisten, wiederholt Laschet mehrmals in ruhigem, aber bestimmten Ton, wie der vernünftige Papa, der seinen Kindern unnötigen teuren Krimskrams verbietet. Nur hat die Union selbst in ihrem Programm den Wählern milliardenschwere Steuergeschenke versprochen. Allein die Begrenzung der Besteuerung für Unternehmensgewinne auf 25 Prozent würde den Staat laut Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) jährlich mehr als 17 Milliarden Euro kosten. Den Solidaritätszuschlag komplett abzuschaffen, würde mit zusätzlichen zehn Milliarden Euro zu Buche schlagen. Insgesamt geht das DIW von Einnahmeausfällen von bis zu 30 Milliarden Euro aus. Pro Jahr.

Wenn es Steuerentlastungen geben solle, dann für niedrige und mittlere Einkommen, sagt Laschet im Sommerinterview. Nur hat das Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung vor kurzem berechnet, dass ausgerechnet Haushalte mit einem jährlichen Bruttoeinkommen ab 300.000 Euro die größten steuerlichen Vorteile erwarten können, wenn die Union ihre Steuerpläne wie im Wahlprogramm durchsetzte.

Laschets Mann fürs Grobe

Immer wieder streut Laschet Wenns und Vielleichts ein. Gleichzeitig fällt immer wieder das Schlagwort Steuerentlastung. Wer die ARD-Sendung am Wochenende nur nebenbei laufen hatte, wüsste vielleicht gar nicht genau, wie Laschet denn eigentlich zum Thema steht. Steuererhöhungen, wie sie SPD, Linke und Grüne planten, kämen mit Laschet als Kanzler jedenfalls nicht in die Tüte. Das unterstreicht er mehrmals. Gleichzeitig solle, wenn es nach der Union geht, nach den Rekordschulden der Corona-Pandemie die schwarze Null wieder das Ziel sein. Die Unions-Forderungen aus dem Wahlprogramm sollten sich einzig über Wirtschaftswachstum – angekurbelt durch Entlastungen für Unternehmen, das gesteht Laschet im Interview zumindest ein – finanziert werden. Das ist eine sehr optimistische Rechnung.

Aber Laschet geht dem Thema Finanzierbarkeit sowieso geschickt aus dem Weg. Warum sollte er sich auch damit belasten? Sie ist der größte Schwachpunkt des CDU-Wahlprogramms. Und schließlich hat er Friedrich Merz, der vom Wettstreiter Laschets um die Spitzenkandidatur nun zu seinem Experten für Wirtschafts- und Finanzpolitik im CDU-Wahlkampfteam berufen wurde. Merz hat bekanntlich wenig Berührungsängste mit unbequemen Themen. Ob nun Frauenquote, Vergewaltigung in der Ehe, Einkommensgerechtigkeit, gleichgeschlechtliche Ehe – Merz scheut nicht davor zurück, zu sagen, was er denkt. Und steckt im Zweifel ordentlich dafür ein.

So zog Merz also einen Tag nach Laschets Sommerinterview ins Feld, um die Aussagen seines Kanzlerkandidaten zu verteidigen. Auf die Frage, „Steuererleichterungen ja oder nein?“, antwortete er gegenüber dem Deutschlandfunk: Es gelte beides, und beides stimme auch vollkommen miteinander überein. Aha.

Dass der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der ebenfalls Kanzlerkandidat der Union werden wollte, am Dienstag öffentlich in Richtung Laschet poltert, Steuersenkungen seien das Herzstück der Unions-Steuerpolitik, das finde sich auch im gemeinsamen Wahlprogramm eindeutig wieder, ist natürlich ungemütlich für Laschet. Ob ihm Söder aber damit den Wahlkampf verhagelt? Eher nicht. Es ist Sommerloch, noch lange hin bis zur Bundestagswahl. Und sollten wir durch die Delta-Variante vor der Wahl noch eine vierte Pandemie-Welle erleben, was Experten zufolge sehr wahrscheinlich ist, interessieren sich die Wählerinnen und Wähler sowieso nicht mehr groß für Wahlprogramme. Wichtig ist dann, ob die Schulen und Kitas offen bleiben.

Laschet dürfte also genau auf die Art, wie er erfolgreich durch das Sommerinterview gekommen ist, auch durch den restlichen Wahlkampf gleiten: sich möglichst nicht festlegen, „aktuell nicht“, „vielleicht“, „wenn“ einstreuen. Die Strategie heißt: alles kann, nichts muss.

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