Horst Seehofer - Sein letztes großes Werk

Nach dem Debakel für die CSU bei der Bayernwahl sind alle Blicke auf Horst Seehofer gerichtet: Wann, wenn nicht jetzt, müsste der Bundesinnenminister zurücktreten? Doch Seehofer mauert. Noch. Das hat mit Angela Merkel zu tun

Warten auf den richtigen Moment für den Abgang: Bundesinnenminister Horst Seehofer / picture alliance
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Schon mal aufgehorcht? Richtig zugehört? Mal nicht sofort in die beliebte und verbreitete Abwehrhaltung gegen diesen Mann verfallen? Seit dem Wahlabend ist Horst Seehofer der einzige aus der Riege der betroffenen Spitzenpolitiker, der immer wieder davon spricht, dass dieses Wahlergebnis der CSU auch personelle Konsequenzen haben müsse. Nur noch nicht jetzt, sondern nach einer eingehenden Befassung mit dem Absturz auf 37,2 Prozent. Zuletzt hat er sogar gesagt, er könne sich einen außerordentlichen Parteitag vorstellen, bei dem er sich dem Votum der Basis als CSU-Vorsitzender stelle. 

Vielleicht sollte man einfach mal den Seehofer-Verzerrer vom Ohr nehmen, der alles ins Hässliche und Böse übersteuert, was der Mann sagt. Und ihn beim Wort nehmen. Nur mal so aus Spaß, um es einmal ganz anders als sonst zu machen. 

Und vielleicht macht das dann auch viel mehr Sinn.

Parallelen zu Caligula  

Zum Beispiel seinen Satz vor den Landtagswahlen in Bayern, mit dem Hinweis, er trete schon deswegen nicht zurück, nicht als Minister und nicht als Parteichef, weil er noch „ein großes Werk zu verrichten“ habe. Ein namhafter CSU-Politiker hat mir dazu entgeistert gesagt, das erste, was ihm bei diesem Satz durch den Kopf geschossen sei, war: Caligula. Jetzt ist er größenwahnsinnig – wie der römische Gewaltherrscher Caligula. Dessen Ende bekannt ist. Er musste von der eigenen Prätorianergarde gemeuchelt werden, sonst hätte der dekadente römische Despot ewig weiter seine blutrünstige Machtorgie gefeiert.

Aber was, wenn Seehofer wirklich den Eindruck hat, noch eine große Aufgabe übernehmen zu müssen, die sonst keiner übernimmt in der Union: Angela Merkel dabei zu helfen, loszulassen. Zu erkennen, dass es vorbei ist. Für ihn. Aber auch für sie. 

Warten auf den richtigen Moment für den Abgang  

Es würde in diesem Kalkül keinerlei Sinn machen, sich jetzt schon zurückzuziehen und so den Druck auf Merkel aus der hessischen Landtagswahl in zehn Tagen zum nehmen, bei der dann sie unmittelbar für das Wahlergebnis verantwortlich ist, viel unmittelbarer noch und eineindeutiger als für das bayerische, bei dem man die CSU wunderbar als Schuttabladeplatz benutzen kann, wie das auch der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier ziemlich unfein vor der Bayernwahl getan hat, indem er sagte, die CSU habe „viel Vertrauen gekostet“.  

Was, wenn sich Seehofer seinen Sprenggürtel einfach aufbewahrt für den aus seiner Sicht richtigen Moment, seinen Abgang mit jenem der Kanzlerin zu verbinden, also sein Werk zu verrichten? Drei Jahre lang hat der CSU-Chef alles versucht, Merkel von ihrem Kurs in der Flüchtlingspolitik abzubringen.Teilerfolge hat er auch erzielt. Aber am Ende ist er immer unterlegen. Immer wieder wurde er am Ende gedemütigt, zuletzt bei seinem Masterplan und den Zurückweisungen an der deutschen Grenze, an dessen Ende er sogar dergestalt gedemütigt wurde von Merkel, dass er die bilateralen Abkommen mit den Anrainerländern anstelle der Zurückweisungen selbst verhandeln musste. Die sind weder real zustande gekommen noch „wirkungsgleich“, wie er gefordert hatte. 

„Angela, es ist zu Ende“    

Die Halsstarrigkeit der Kanzlerin in dieser Frage über die letzten drei Jahre hat bei Seehofer eine Obsession ausgelöst. Das einzige Motiv, das alle Aussagen Seehofers aus der jüngsten Zeit in einen schlüssigen Zusammenhang setzt, ist jenes, die Kanzlerschaft von Angela Merkel zu beenden. Ein Motiv, dass sowohl in der Sache als auch in der persönlichen Betroffenheit des Horst Seehofers sogar nachvollziehbar ist. 

Zumal, das weiß auch Seehofer, sich in der CDU kein Held finden wird, der Merkel geradeheraus sagt: „Angela, es ist zu Ende.“    

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