Sawsan Chebli - Frau, Migrantin, Aufsteigerin

Die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli engagiert sich als Muslimin gegen Antisemitismus. Jüdische Organisationen zweifeln an der Glaubwürdigkeit der Sozialdemokratin

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Jüdische Organisationen äußersten Bedenken bezüglich Sawsan Cheblis Engagement gegen muslimischen Antisemitismus / picture alliance
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Philipp Peyman Engel ist Redakteur der Jüdischen Allgemeinen

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Es war ein Auftritt nach ihrem Geschmack: medienwirksam, gut ausgeleuchtet und passend zum neuen Lieblingsthema. Wochenlang hatte Sawsan Chebli keine Gelegenheit ausgelassen, sich als kompromisslose Kämpferin gegen Antisemitismus zu präsentieren. Sie gab Zeitungsinterviews, twitterte und suchte das Gespräch mit Schoah-Überlebenden. Am Ende schließlich saß sie auf der ganz großen Bühne. In der Talkshow von Anne Will konnte ­Chebli ihre Botschaft endlich vor einem Millionenpublikum loswerden: Die muslimische Gemeinschaft habe ein Problem mit Judenhass in den eigenen Reihen, so die palästinensischstämmige Berliner Staatssekretärin für bürgerschaftliches Engagement. Der Kampf gegen Antisemitismus müsse entschiedener geführt werden.

„Nie wieder!“, sagte sie unter Applaus des Publikums. Ihr Vorschlag, verpflichtende Besuche für Flüchtlinge in KZ-Gedenkstätten einzuführen, stieß auf breite Zustimmung. „Mir imponiert die junge Staatssekretärin“, schwärmte nach der Sendung sogar der CDU-Politiker Norbert Lammert. Doch insbesondere die jüdische Gemeinschaft reagierte skeptisch. Denn in den vergangenen Jahren war von der 39-Jährigen wenig bis gar nichts zum Thema Antisemitismus zu hören gewesen – obwohl es in der Hauptstadt nahezu wöchentlich judenfeindliche Angriffe gibt. Zudem gilt die SPD-Politikerin als dem politischen Islam und der Muslimbruderschaft nahestehend. Das Kopftuch bezeichnet sie als religiöse Pflicht, die Scharia als absolut vereinbar mit dem Grundgesetz. „Warum wird das immer als Widerspruch konstruiert?“, so Chebli 2016 in einem Interview mit der FAZ.

Aufsteigerin mit Vitamin B

Als Frau, Migrantin und Aufsteigerin ist Chebli so etwas wie das personifizierte sozialdemokratische Versprechen. Ihre Eltern sind palästinensische Flüchtlinge. Lange Zeit hatten sie keine Aufenthaltsgenehmigung, ihr Vater sprach auch nach 40 Jahren in Berlin kaum Deutsch und konnte weder lesen noch schreiben. Chebli studierte Politikwissenschaft. Schnell machte sie unter dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller in der Berliner SPD Karriere. Mit der designierten Parteichefin Andrea Nahles und dem noch amtierenden Außenminister Sigmar Gabriel weiß Chebli auch in der Bundespartei maßgebliche Genossen an ihrer Seite. Auch zu Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier pflegt sie beste Kontakte. Bis 2016 war sie dessen stellvertretende Sprecherin im Auswärtigen Amt. Schon damals gab es Spannungen zwischen ihr und der jüdischen Gemeinschaft.

Entsprechend groß war die Aufregung, als aus den Groko-Verhandlungen nach außen drang, die SPD wolle sie zur Antisemitismusbeauftragten machen. Vom Zentralrat der Juden über das American Jewish Committee Berlin (AJC) bis hin zur Werte-Initiative – jüdisch-deutsche Positionen waren Bedenken zu hören. Am Ende soll Kanzlerin Merkel entschieden haben, dass die Personalie mit ihr nicht zu machen sei.

Jüdische Organisationen äußern Kritik

Nachdem dies gescheitert war, schickte die SPD Chebli für das Amt der Integrationsbeauftragten ins Rennen, als Nachfolgerin von Aydan Özoguz. Doch auch dieses Vorhaben der SPD scheiterte. Zu groß war der Widerstand aus der jüdischen Gemeinschaft. „Allein die Äußerungen von Sawsan ­Chebli zur Scharia disqualifizieren sie für beide Ämter“, sagt der Vorsitzende des Arbeitskreises jüdischer Sozialdemokraten Berlin, Mirko Freitag. Das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus (JFDA) bezweifelt Cheblis fachliche Eignung. „In beiden Ämtern muss man sich auch mit der Diskriminierung von Juden gut auskennen. Für Frau Chebli gibt es aber keine Unterschiede zwischen Judenhass und Rassismus, obwohl sie bei der Bekämpfung zentral sind“, so JFDA-Sprecher Levi Salomon.

Das American Jewish Committee Berlin wirft ihr eine implizite Verharmlosung von muslimischem Judenhass vor. Laut Chebli ist der Antisemitismus von rechts ein viel größeres Problem als der in der muslimischen Gemeinschaft, da angeblich 90 Prozent der antisemitischen Straftaten von Rechtsextremen begangen werden. „Diese Bestandsaufnahme ist irreführend und basiert auf Vermutungen“, sagt die AJC-Direktorin Deidre Berger.

Zwei Sawsan Cheblis

Gerne hätte man sich mit Sawsan Chebli zu den Vorwürfen der jüdischen Gemeinschaft unterhalten. Doch eine Anfrage von Cicero ließ sie unbeantwortet. Eine Parteifreundin aus dem Berliner Rathaus gibt sich offener. „Es gibt zwei Sawsan Cheblis“, sagt diese, eine, die in Wirklichkeit knallhart die Agenda des politischen Islam vertrete und den Kampf gegen Judenhass als marginal ansehe. Und eine, die inzwischen gelernt habe, was man als Politiker öffentlich sagen sollte. „Die jeweilige Antwort auf eine Frage hängt davon ab, welche Sawsan Chebli man fragt.“

Dies ist ein Text aus der März-Ausgabe des Cicero. Erhältlich am Kiosk und in unserem Onlineshop.










 

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