Rücktritt von Stephan Mayer - Die verzweifelte Suche nach einem neuen CSU-General

Der wegen Pöbeleien erfolgte Rücktritt von Stephan Mayer als CSU-Generalsekretär kommt zum denkbar schlechten Zeitpunkt, denn in 16 Monaten wird in Bayern gewählt. Skandale kann Markus Söder jetzt also am allerwenigsten gebrauchen. Nun muss schnell ein Nachfolger gefunden werden. Doch das Personaltableau ist dünn. Einige Namen kursieren bereits.

Der zurückgetretene CSU-Generalsekretär Stephan Mayer / dpa
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Als eine „menschliche Tragödie“ hat Markus Söder den Fall am Mittwoch bezeichnet; dem tags zuvor zurückgetretenen CSU-Generalsekretär gehe es „tatsächlich nicht gut“. Soweit also die Einschätzung des Parteivorsitzenden und bayerischen Ministerpräsidenten zum „Fall Stephan Mayer“. Man kann aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass Söder, der mit Mayer ein „sehr langes, sehr menschliches Gespräch“ geführt haben will, sich nicht allzu lange mit Gefühlsduseligkeiten aufgehalten hat. Denn wenn der Regierungschef eines nicht ausstehen kann, dann ist es unprofessionelles Verhalten – zumal in seinem engsten politischen Umfeld.

Mayer, und das ist der Ausgangspunkt der aktuellen Misere, hat offenbar (und unwidersprochen) einen Journalisten des People-Magazins Bunte massiv unter Druck gesetzt, nachdem dieser über einen unehelichen Sohn des CSU-Generals berichtet hatte – und darüber, dass der unverheiratete Mayer noch dazu die Alimente für seinen achtjährigen Sprössling schuldig bleibe. Am Mittwoch voriger Woche, so berichtet es der Bunte-Journalist Manfred Otzelberger, habe Mayer ihn im Auto angerufen und sieben Minuten lang angeschrien und angepöbelt. Es seien Sätze gefallen wie: „Ich werde Sie vernichten. Ich werde Sie ausfindig machen, ich verfolge Sie bis ans Ende Ihres Lebens. Ich verlange 200.000 Euro Schmerzensgeld, die müssen Sie mir noch heute überweisen.“ Eine Kollegin Otzelbergers, die sich zu diesem Zeitpunkt mit ihm im Auto befand, kann das Gespräch offenbar bezeugen.

Ausstehende Alimente

An diesem Mittwoch erfolgte dann der unvermeidliche Rücktritt des Generalsekretärs, der sich nun erst einmal aus der Öffentlichkeit zurückziehen will. Die uneheliche Vaterschaft war für den Schritt des CSU-Politikers dabei keineswegs ausschlaggebend; in seinem Wahlkreis Altötting, den Mayer seit 20 Jahren im Bundestag vertritt, sei das kein Geheimnis gewesen, heißt es. Die Sache mit den ausstehenden Alimentezahlungen ist da schon ein bisschen unschöner – insbesondere für eine Partei, die christliche Werte hochhält. Aber auch das hätte kaum zu einem Rücktritt geführt. Es waren tatsächlich nichts anderes als das rabiate Auftreten und der Versuch, den Bunte-Mann unter Druck zu setzen, die Mayer Knall auf Fall den Job kosteten.

Man könnte den Vorgang jetzt zwar als eine rustikale Provinzposse abtun und Mayers heftige Reaktion als Folge seiner „kurzen Zündschnur“ erklären (wie es einige Medien getan haben). Aber tatsächlich ist die Sache hochbrisant, und in der CSU ist Feuer unterm Dach. Stephan Mayers Hauptaufgabe als Generalsekretär war es nämlich, den bayerischen Landtagswahlkampf zu organisieren. Und das ist alles andere als eine gemähte Wiese, zumal es bis zum Wahltermin nur noch 16 Monate sind und Markus Söder sich im Freistaat mit miserablen Zustimmungswerten konfrontiert sieht. Einen schlechteren Zeitpunkt für Mayers Rücktritt hätte es also kaum geben können. Erschwerend kommt hinzu, dass die Berliner Staatsanwaltschaft soeben angekündigt hat, Ermittlungen gegen den früheren CSU-Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer wegen einer möglichen Falschaussage im Zusammenhang mit dem PKW-Maut-Desaster einzuleiten. Insgesamt ist das alles eine Steilvorlage für die politische Konkurrenz, der es jetzt leicht fällt, das Bild der christlich-sozialen „Skandal-Partei“ neu auszumalen.

Der 48 Jahre alte Mayer gehörte zweifelsfrei zu den Talenten bei den Christsozialen. Im Jahr 2002 kam er als einer von zwölf CSU-Jungpolitikern erstmals in den Bundestag, war später innenpolitischer Sprecher und Vorstandsmitglied der Unionsfraktion sowie zuletzt Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium. Ende Februar dieses Jahres trat er als Generalsekretär die Nachfolge von Markus Blume an, dem heutigen bayerischen Wissenschaftsminister. Erfahrene CSU-Leute sprechen bis heute mit hohem Respekt über Mayer: Hochkompetent sei er, als „zuverlässig“ und sogar „bedächtig“ habe man ihn kennengelernt. Umso entsetzter zeigen sich enge Parteifreunde über sein ausfälliges Verhalten gegenüber dem Bunte-Journalisten: „Völlig schleierhaft, wie ihm das passieren konnte.“ Ob Mayer wirklich krank oder psychisch angeknackst ist, wie Söder es dargestellt hat, ist derweil unklar.

Landtagswahl in 16 Monaten

Fakt ist: Die CSU braucht jetzt dringend einen neuen Generalsekretär oder eine neue Generalsekretärin. Die bevorstehende Landtagswahl lässt keinen Aufschub zu, dennoch dürfte sich Markus Söder mit einer raschen Personalentscheidung nicht leichttun. Denn die Reihen der geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten sind sehr übersichtlich, ohnehin ist Reservoir an CSU-Talenten schon seit einigen Jahren merklich ausgedünnt. Und einen weiteren Fehlgriff darf sich der Parteichef weniger als anderthalb Jahre vor dem Urnengang auf gar keinen Fall leisten. Aber wen soll man nehmen? Dass Landesgruppenchef Alexander Dobrindt als „General“ eine Idealbesetzung wäre, darüber herrschen in der Partei wenig Zweifel. Doch Dobrindt wird seinen prestigeträchtigen Posten in Berlin kaum freiwillig gegen den Rambo-Job in München tauschen wollen.

Grundsätzlich stellt sich jetzt die Frage, ob für den vakanten Posten jemand aus „Berlin“ (also aus der CSU-Landesgruppe im Bundestag) akquiriert werden soll oder aus „München“ (also aus dem Landtag oder aus der bayerischen Staatsregierung). Angeblich, so wird spekuliert, hat Söder eine gewisse Präferenz für eine „Berliner Lösung“, weil er dann im Fall eines schlechten Landtagswahlergebnisses die Verantwortung ein Stück weiter von sich weisen könnte. Zumal das Problem ist: In Bayern selbst bieten sich nicht allzu viele Personen an. Derzeit fällt allenfalls der Name der bayerischen Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber, über die es heißt, man könne sie „überall hinschicken“. Doch zum einen dürfte die 44-Jährige sich am Kabinettstisch wohler fühlen als in der CSU-Parteizentrale. Noch dazu müsste dann auch ihr Ministerposten neu besetzt werden.

„Qualifikation, nicht Geschlecht“

Ergiebiger ist also der Blick auf die Landesgruppe im Bundestag. Die 51-jährige Andrea Lindholz käme in Betracht, weil sie „richtig Biss hat“, wie es heißt – aber gleichzeitig den Nachteil, dass sie (wie Söder) aus Franken kommt und ihre Chancen deswegen aus Proporzgründen eher schlecht stehen. Stefan Müller wird genannt, der mit Ex-Generalsekretär Mayer vor 20 Jahren erstmals in den Bundestag kam und den Ruf eines besonnenen Polit-Managers genießt. Florian Hahn, seit 2009 für den Wahlkreis München-Land im Bundestag, kommt als „kampagnenfähiger“ Politiker wohl ebenso in Frage wie der Bamberger Thomas Silberhorn. Wobei der 53 Jahre alte Jurist Silberhorn als zu intellektuell gilt, um auch Bierzelte bespielen zu können.

Ilse Aigner, Präsidentin des bayerischen Landtags und einstige CSU-Bundeslandwirtschaftsministerin, machte unterdessen schon ihre Präferenzen deutlich: „Der neue General sollte den ländlichen Raum repräsentieren und stärken“, so die Vorsitzende der oberbayerischen CSU am Donnerstag gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Entscheidend sei nicht, ob es eine Frau oder ein Mann werde: „Es geht um Qualifikation, nicht ums Geschlecht.“ Leichter macht das die Sache allerdings nicht.

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