Robert Habeck und die Grünen - Beredte Unantastbarkeit

Noch nie waren die Grünen in Umfragen so beliebt wie heute. Das liegt nicht nur am Richard-David-Prechthaften Sex-Appeal ihres Vorsitzenden Robert Habeck. Umweltpolitik steht gerade besonders bei der Jugend hoch im Kurs. Doch werden darüber andere Themen vernachlässigt?

Irgendwo zwischen verträumt und vernagelt: Robert Habeck, der Robin Hood der Klimaschützer / picture alliance
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Es ist schon einige Jahre her, dass ich Robert Habeck das erste Mal persönlich begegnet bin. Der Spiegel hatte den damaligen Umweltminister Schleswig-Holsteins zur Blattkritik eingeladen, und Habeck, damals noch mehr Literat als Politiker, ging auf eine Passage eines Stückes von mir ein, in dem ich den schleswig-holsteinischen SPD-Politiker Ralf Stegner mit dem besserwisserischen „Howi“ aus der legendären Serie „Ein Colt für alle Fälle“ verglichen hatte: Weil Stegner bei diversen Veranstaltungen, zu denen ich ihn begleitet hatte, wie jener Howi zu allem und jenem kompetent etwas zu sagen hatte – weil er das auch mal studiert oder sich sonstwie damit näher auseinandergesetzt habe. 

Natürlich war ich geschmeichelt, wie Habeck diesen Vergleich erst lobend hervorhob – dann aber auch wieder kritisch hinterfragte. Mehr noch: Er schaffte es, innerhalb von drei Sätzen einmal im Kreis zu argumentieren und gegen Ende des Gesagten das eingangs Gesagte komplett zu revidieren. Und hinterher waren trotzdem alle begeistert von seiner Beredsamkeit. 

Unwiderstehlicher Sex-Appeal 

Jahre später bot er uns bei Cicero einen Aufsatz mit einer Ko-Autorin an, in dem er sich mit Camus‘ Freiheitsbegriff auseinandersetzte. Der Essay las sich gut, aber man wusste  am Ende nicht, warum eigentlich. Die Kunst der beredten Unantastbarkeit hat Habeck seither perfektioniert, weshalb er inzwischen die Beliebtheitstreppe der deutschen Politiker anführt. Habeck und Anna-Lena Baerbock, dieses Pärchen ist die zarteste Versuchung, seit es Politik gibt. Sie verströmen einen unwiderstehlichen Sexappeal, der bei Lichte betrachtet weniger im Politischen als vielmehr im Physisch-Phänomenologischen verortet ist. Auf eine Art ist das eine perfide Form des Sexismus, der bei den Grünen und vor allem bei Habeck leichter durchgeht als bei Normalsterblichen, wie ein Spiegel-Reporter einmal trefflich belegte. 

Der Höhenflug der Grünen hat natürlich jenseits dieses Richard-David-Prechthaften des Robert Habeck einen handfesten Grund. Sie haben sich über Jahrzehnte einem Thema gewidmet, dem Erhalt dieser Erde, dessen Relevanz unbestreitbar ist. Außer man gehört zu jenen Menschen, die sich mit verschwörerischer Kennermiene und unter Verwendung von Fremdwörtern darin ergehen, dass der anthropogene Anteil am Klimawandel nicht nachgewiesen sei. Die Grünen vertreten dieses Thema mit großer Leidenschaft und Glaubwürdigkeit und Nachhaltigkeit. Sie sind daher die stärkste Marke unter den politischen Parteien dieses Landes. Der SPD ist derweil sowohl ihr Markenkern als auch die Leidenschaft abhanden gekommen. Ihre Leidenschaft scheint besonders darin zu bestehen, sich selbst Leiden zu schaffen. In die entstehende Lücke drängen die Grünen und haben diese Marktlücke auf 20 Prozent ausgebaut. 

Zwischen verträumt und vernagelt 

Hinzu kommt, dass eine ganze „Generation Grün“ von Lehrern in dieser Hinsicht bei jungen Menschen eine natürlich vorhandene Sensibilität (etwa in Form von Kinder-Tierliebe) verstärkt hat, die die Basis für das Phänomen „Greta“ bildet. 

Die Hausse der Grünen wird sich daher nicht abebben, sondern sich noch verstärken. Weil die umweltbewussten Kinder als angehende Wählerinnen und Wähler als nachwachsende Rohstoffe für die Grünen angesehen werden können. Die richtige Ernte kommt wahrscheinlich erst noch für die Grünen. 

Erst in 10 bis 20 Jahren wird sich erweisen, ob die Grünen neben ihrem richtigen Riecher bei der Ökologie nicht auf anderen Politikfeldern irgendwo zwischen verträumt, vernagelt und verklärt gewesen sind und damit unverantwortliche Politik gemacht haben. Ganz vorne steht da die Bevölkerungsentwicklung in Afrika und die damit einhegende Migration, eine Bewegung, die erst begonnen hat – so wie vor 30 Jahren die Öko-Bewegung. Auch internationale Konflikte und deren Auswirkungen auf Weltwirtschaft und Weltfrieden könnten das Leben der heute jungen Menschen dereinst unmittelbarer beeinflussen als das Klima.

Was ist mit der Migration? 

Nur in einem Zeitraum längerer Dimension wird sich also erweisen, ob sich die jungen Menschen immer wieder freitags der größten Gefahr ihres künftigen Lebens protestierend entgegenstellten. Und ob die Grünen in großer Selbstgefälligkeit ein der Ökologie ebenbürtiges Thema ignoriert und romantisiert haben. Man kann da im Spiegel der Geschichte gewaltig schief liegen. Sowohl bei den Schwerpunkten politischer Programmatik als auch beim Demonstrieren. Taten wir auch vor bald 40 Jahren, in den Menschenketten gegen den Nato-Doppelbeschluss, der sich als Garant für die stabilste Friedenszeit unserer Generation erwies. 

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