Robert Habeck versus Christian Lindner - Verpeilt ist das neue Cool

Es war eine Art Fernduell der Posterboys der Politik. Während sich die ARD den FDP-Chef Christian Lindner im Sommerinterview vorknöpfte, nahm das ZDF den Grünen-Vorsitzenden Robert Habeck ins Verhör. Beide sind Meister der beredten Unantastbarkeit. Aber einer von beiden hat gewonnen

Mehr Habeck wagen: Im Landtagswahlkampf wanzt sich FDP-Chef Christian Lindner (rechts) an die Grünen heran / picture alliance
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Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Erinnert sich noch jemand an die entlaufene Kuh Yvonne oder an Bruno, den Problembären oder an das schielende Oppussum Heidi? Immer im Sommer, wenn das Parlament in die Pause geht, tauchen plötzlich mehr oder minder possierliche Tiere auf. Das ist wohl kein Zufall. Sie stopfen jenes sommerliche Loch, das das sich auftut, wenn die Regierenden verreisen.

In diesem Jahr hat sich allerdings noch kein Tier erbarmt. Aber es besteht auch kein Bedarf. 2019 ist das Superwahljahr. Wer braucht Problembären oder Problemkühe, wenn sich die Politiker warmlaufen für die Wahlkämpfe in Brandenburg, Sachsen und Thüringen? Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen stellten sich jetzt FDP-Chef Christian Lindner und der Vorsitzende der Grünen, Robert Habeck, den Fragen von ARD und ZDF. Ein Fernduell der Posterboys der Politik, wenn man so will.

Performance:

Nicht ohne meinen Dreitagebart. Das ist der Dresscode für den modernen Mann, auch im Wahlkampf. Er kann signalisieren: Ich bin verdammt busy. Ich muss das Klima, wenn nicht gar die Welt retten. Da bleibt keine Zeit, sich zu rasieren. Es gibt wichtigere Dinge im Leben.

Eigentlich war es Robert Habeck, der diesen Standard gesetzt hat. Der Dreitagebart. Verwuschelte Haare. Dackelblick. Das weiße Oberhemd ein bisschen zerknittert. Verpeilt ist das neue Cool. So etwas mögen vor allem die Frauen. Ausgerechnet Habeck war es aber jetzt, der plötzlich davon abwich. Glatt rasiert wie ein Junger Liberaler erschien Habeck zum Sommerinterview. Und trotzdem werden womöglich viele gedacht haben: „Der ist aber nett“. Habeck wirkt auch ohne Dreitagebart, als hätte er einen. ZDF-Reporterin Shakuntala Banerjee begegnete ihm im Fischereihafen seiner Heimatstadt Flensburg. Nonchalant gab Habeck ihr einen grünen Ball mit dem K („wie Kanzlerfrage“) zurück, den sie ihm zur Begrüßung in die Hand drückt. Charmanter hat ihr wohl noch keiner den Stinkefinger gezeigt. „Den können die Fischer an die Boje täuen.“

Ein wenig wirkt es so, als wolle Robert Habeck ausdrücken: So viel Understatement, so viel Frechheit tut gut in Zeiten, da die Wähler zu spüren bekommen, wohin uns das Höher, Schneller, Weiter des Kapitalismus geführt hat – in die Klimakrise. Weil das so gut zu funktionieren scheint, hat der Bilderbuch-Liberale Christian Lindner den bisherigen Habeck-Dresscode „unrasiert“ befolgt und sich zum Interview am Spreeufer in Berlin in Chinos, hellblauem Hemd und wildledernen Sneakers betont lässig in einen Sessel gefläzt – sofern das mit gentleman-like übereinandergeschlagenen Beinen möglich war.

Lindner gibt sich Mühe, genauso volksnah wie der Posterboy der Grünen zu wirken. Doch das geht schief. Der FDP-Chef kann das Image des neo-liberalen Spießers nicht einfach so abstreifen. Zu sehr bedient Lindner die Klischees Porsche fahren, auf Eigenverantwortung pochen und nicht müde werden, eine „Start-up-Mentalität“ von der Politik einzufordern. Im Ergebnis dümpelt die FDP bei fünf Prozent herum. Sie musste sich gerade den Vorwurf des ehemaligen Bundesinnenministers Gerhard Baum (FDP) gefallen lassen, sie sei undeutlich, lebensfremd und kühl. Im Interview mit Tina Hassel bestätigte ihr Chef alle diese Vorurteile – und das in einem Tonfall, der keinen Zweifel daran ließ, wer der Chef in dieser Arena sein soll: Christian Lindner.

Er fiel der Interviewerin ins Wort, wenn sie seine Monologe unterbrach. Klar, dass er es genau umgekehrt sah.Tina Hassel solle ihm doch nicht dauernd ins Wort fallen, sagte er genervt. An einer Stelle allerdings wehrte sich Lindner völlig zu Recht: Als die Leiterin des ARD-Hauptstadt-Studios Fragen stellte, die sich die Zuschauer ausgedacht hatten. Welcher Teufel ritt sie, als sie den FDP-Chef fragte: „Gleichaltrige Freundin oder Vermögenssteuer?“ Geschmacklos finde er solche privaten Fragen, ereiferte sich Lindner. Sie hätte diese diese Frage auch nicht gestellt, versuchte sich die Moderatorin zu verteidigen, sie sei aber eben die Anwältin der Zuschauer, welche sie betont duzte („eure Fragen“).

Inhalt:

Wie hält es der Vorzeige-Liberale mit dem Klimaschutz? Der, so hatte er noch vor Wochen mit Blick auf die Bewegung „Fridays for Future“ getönt, sei „was für Profis“. Damit, so stellte er jetzt im Interview klar, habe er aber nicht etwa sich gemeint, sondern Wissenschaftler. Tausende haben sich jetzt hinter die Jugendbewegung gestellt. Da muss auch der FDP-Chef zurückrudern.

Lindner steckt in der Bredouille. Kann er sich vor diesem Hintergrund noch leisten, die Bewegung als Kindergarten herunterzuspielen und den Klimaschutz als Gedöns? Oder heißt es jetzt: mehr Habeck wagen? Der FDP-Chef wanzte sich an die Grünen heran. Neben der Migrationsfrage sei der Klimaschutz das wichtigste Thema der Politik, beteuerte er jetzt. Prima Klima? Ja, bitte. Aber kosten darf es bitte nichts. Die alte liberale Leier.

Das Wort CO2-Steuer vermied der FPD-Chef. Lieber redete er von einem „CO2-Preis“. Der, so schwurbelte er, werde das Verhältnis von Angebot und Nachfrage schon regulieren. Da war er wieder, der gute alte Markt. Statt das Kerosin für Inlandsflüge zu verteuern, möchte er lieber die Deutsche Bahn aufbrezeln: „Warum macht man nicht die Zugfahren attraktiver, indem man die Bahn schneller und pünktlicher macht und das Streckennetz ausbaut?“, fragte er. Aber wie verriet er nicht. Gefragt wurde aber auch nicht danach. Zu wenig Zeit für Tiefe in diesem Format.

Ob ein Verbot von Flugreisen nicht effektiver wäre, fragte Hassel. Und jetzt zuckt Lindner, der gerade von einer längeren Flugreise nach Asien zurückgekehrt ist, doch unmerklich zusammen. Verbote seien der falsche Weg. „Man kann auch mit synthetischen Kraftstoffen fliegen“.  

Zwei Drittel der Deutschen sind inzwischen für mehr Klimaschutz. Aber geht das ohne CO2-Steuer? Nein, traut sich Grünen-Chef Robert Habeck im ZDF zu sagen. Sozial gerecht solle diese Steuer aber sein, beeilt er sich hinzuzufügen. Wer weniger CO2-Emissionen verursache, solle Geld über den Strompreis zurückerstattet bekommen.

Beim Ausstieg aus der Braunkohle will der Vorzeige-Grüne auf die Tube drücken. „2038 wäre zu spät, um die Klimaschutzziele zu erreichen“. Wie er den Kumpels in Brandenburg und Sachsen das mitten im Landtagswahlkampf  verkaufen will, fragte Shakuntala Banerjee, und im Gegensatz zu ihrem ARD-Pendant Tina Hassel ließ sie ihr Gegenüber nicht mit Ausreden entkommen. „Wir wollen, dass die Energiekonzerne Energiekonzerne bleiben“, fabulierte der Chef-Grüne wolkig. Nur sollten sie eben von fossilen Brennstoffen auf alternative Energien umsteigen. „Das Prinzip Hoffnung also“, bilanzierte Banerjee resigniert. Bislang war es das Erfolgsgeheimnis des Robert Habeck, aber je näher eine Regierungsverantwortung rückt, desto weniger wird er ein Geheimnis aus seinen Plänen machen können.

Glaubwürdigkeit:

Dieser Punkt geht an „Rrrrooooooobert“. Der Mann hat immerhin eine Vision und kommt damit genau zur richtigen Zeit. Aber Politik ist mehr als die Rettung des Klimas. Und wenn Habeck schon keinen blassen Schimmer hat, wie er den Strukturwandel in der Lausitz finanzieren soll, wie sieht es dann erst mit der Sozialpolitik aus? Deutschland sucht den Super-Kanzler-Kandidaten. Doch vielleicht muss man sich damit abfinden, dass es den gar nicht geben kann. Auch nicht, wenn er Robert Habeck heißt.

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