Rezo - Abgefuckt von der CDU

Kaum hat die CDU ihren Wahlkampf offiziell eröffnet, da meldet sich ein bekannter Gegner zu Wort. In seinem neuen Video rechnet der Youtuber Rezo mit Laschet & Co ab. Was er der Partei vorwirft, ist nicht neu. Aber nicht nur deshalb muss sie das Rezo-Video nicht ernst nehmen.

Wahl-o-mat der Generation U 20: Rezo / Screenshot Youtube
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Autoreninfo

Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Aufatmen im Konrad-Adenauer-Haus. Der Mann, der vor zwei Jahren die Zerstörung der CDU proklamierte, hat noch immer blaue Haare. Sein Lieblingswort ist immer noch „verkackt“. Er redet immer noch wie ein Politikstudent im dritten Semester, der „Langenscheidts Jugendwörterbuch“ verschluckt hat. Und weil er sich dabei bewegt wie ein Rapper, der zu tief ins Glas mit codeinhaltigem Hustensaft geschaut hat, muss ihn die Partei nicht ernst nehmen.

Puh, das war knapp. Man kann sich vorstellen, wie sie in der CDU-Parteizentrale geschwitzt haben, als bei YouTube plötzlich das neue Video von Rezo auftauchte.

Mit Schrecken erinnern sie sich dort noch an das erste Video, das die Partei 2019 vor der Europawahl in ein PR-Desaster stürzte. Es endete damit, dass die damalige CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer strengere Regeln für Meinungsmacher im Internet forderte, weil sich der Rest der Partei nicht einig war, ob man Rezos Rundumschlag mit einem 333-seitigen PDF oder lieber mit einem „Hey-Rezo-du-alter-Zerstörer-Video“ von Philipp Amthor kontern sollte. Der ist mit 28 Jahren das Küken in der Partei. Er tritt aber auf wie einer, der noch den Zweiten Weltkrieg miterlebt hat.

Der Wahl-o-Mat der Generation Ü20 

Der Rest der Geschichte ist bekannt. Rezo, der Wahl-o-Mat für die Jungakademiker in der Generation Ü20, gewann den Henry-Nannen-Preis für den 55-minütigen Aufklärungsfilm mit 13-seitigem Quellenverzeichnis. Ein Meinungsmacher und Aktivist bekam damit den Oscar für „Journalisten“. Die CDU konnte das kritisieren, soviel sie wollte. Sie musste sich trotzdem die Frage gefallen lassen, warum der eigene Nachwuchs sie neben diesem Influencer so alt aussehen ließ.

Jetzt meldet sich Rezo mitten im Wahlkampf zurück. Sein neues Video heißt so, wie sich die größte Volkspartei derzeit verkauft: als geballte „Inkompetenz“. Mehr als 2,3 Millionen Menschen haben es bislang gesehen – das sind schon fünf Mal mehr, als die CDU Mitglieder hat.  

Von Kanzlerkandidaten zum „Häuptling Wirdsonix“

Aber kann Rezo der Partei damit noch wehtun? Die CDU ist ohnehin schon angezählt. Und vielleicht erklärt das, warum der 28-Jährige seine Ansprüche schon heruntergeschraubt hat. Die CDU ist zwar noch immer sein Endgegner, doch wenn Rezo vor der Europa-Wahl 2019 noch investigativ unterwegs war und die „Zerstörung“ der Partei proklamiert hatte, begnügt er sich jetzt mit einem Best-of der schon sattsam bekannten Fettnäpfe, in die Laschet & Co in diesem Wahlkampf zielsicher gestapft sind.

„Es geht um Politiker, die sich Fehlverhalten geleistet haben, nicht um irgend einen random Versprecher, nicht um irgendeinen peinlichen Satz oder so. Sondern es geht um ein Scheitern und Verkacken in essenziellen Skills, die man als Politiker in einem hohen Amt haben sollte.“ Allen voran geht es um den Mann, der als „Häuptling Wirdsonix“ (Spiegel) gerade eine Zweitkarriere als Witzfigur im Internet gestartet hat – mit durchschlagendem Erfolg. In Umfragen liegt die CDU inzwischen gleichauf mit der SPD. Bei der Wahl am 26. September geht es um eine Grundsatzentscheidung. Weiterwurschteln wie bisher? Oder aufbrechen zu rot-rot-grünen Ufern?

Warum soll die Jugend CDU wählen? 

Und vor diesem Hintergrund dürfen die Parteisoldaten das neue Video von Rezo im Konrad-Adenauer-Haus eben doch nicht ignorieren. Schließlich erreicht der berufsjugendliche YouTuber damit eine Altersgruppe, die sich nach dem Klimaschutzurteil des Bundesverfassungsgerichts und den jüngsten Korruptionsaffären in der CDU fragen muss, warum sie eine Partei wählen sollte, der es in erster Linie darum geht, den eigenen Hintern zu retten.

Neue Enthüllungen sind da gar nicht mehr erforderlich. Es reicht schon, wenn Rezo die jüngsten „PR-Fails“ von Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner und die Pannen von Verkehrsminister Andi Scheuer aufspießt. Wenn er die halsbrecherischen Wendungen des CDU-Kanzlerkandidaten Laschet in der Hochwasserkatastrophe referiert. „Morgens bremst er noch beim Klimaschutz. Mittags fordert er Tempo beim Klimaschutz. Ein paar Stunden später sagt er: ,Nur, weil so ein Tag ist, ändert man doch nicht seine ganze Politik.‘“ Schulmeisterlich fragt Rezo, was sich auch Parteifreunde von Laschet fragen, wenn auch nur hinter vorgehaltener Hand: „Was, wenn Du endlich mal einen eigenen Standpunkt hast?“

Seitenhieb auf die Grünen  

„Nicht akzeptabel auf einem anderen Level“, „krass unauthentisch“ findet er das Verhalten des Kandidaten. Dass die Bundesregierung bei der Digitalisierung meilenweit hinter ihren eigenen Versprechen hinterherhinkt, dass sich die CDU bei der Reform des Urheberrechtsgesetzes entgegen anderslautender Versprechen für Upload-Filter ausgesprochen hat, „fucke“ ihn zusätzlich ab, gesteht Rezo. „Die Inkompetenz ist so krass, dass es als Verarsche rüberkommt.“

Und was ist mit den Grünen? Schon das erste Rezo-Video kam als flammendes Plädoyer für den Klimaschutz und als Wahlempfehlung für Baerbock & Co daher. Das haben ihm viele Zuschauer verübelt. Hartnäckig hielt sich das Gerücht, das Video sei von den Grünen gesponsert worden. Er selbst hat das stets dementiert. Um diesen Verdacht auch bei dem neuen Video zu zerstreuen, gibt es einen Seitenhieb für die Baerbock-Partei. Oder sagen wir: einen Nasenstüber. Dass sie die männlichen Parteimitglieder von einem Wahlkampf-Foto einfach „weggecroppt“ habe, um „einen auf Frauen-Power zu machen“, sei „ein unnötiger Move“ gewesen, findet Rezo. „Gibt Sachen, die kannste bei PR echt nicht bringen.“

Ein „Bitte nicht wählen“ klingt anders. Das spart sich Rezo für die AfD auf, die Partei, „die immer gegen alles ist“. „Wenn Du so dumm bist und AfD wählst – todeslost sein Großvater.“ Seinen Anhängern muss er davon nicht überzeugen. Dieser Wahl-o-Mat ist einer für Wähler, die sich längst entschieden haben. So einen kann die CDU zwar nicht ignorieren. Sie muss ihn aber auch nicht ernst nehmen. 

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