Rechtsextremismus im Kommando Spezialkräfte - „Es schmerzt mich in der Seele“

Nach Rechtsextremismus-Vorwürfen gegen das Kommando Spezialkräfte will die Verteidigungsministerin nächste Woche über die Zukunft der Elitetruppe entscheiden. Eine Auflösung ist nicht ausgeschlossen. Helmut Willmann hat das KSK einst mitaufgebaut. Er plädiert für einen anderen Weg.

Soldaten des KSK bei einer Übung: „Diese Leute sind handverlesen“ / dpa
Anzeige

Autoreninfo

Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

So erreichen Sie Christoph Schwennicke:

Anzeige

Helmut Willmann ist Generalleutnant a.D. des Heeres der Bundeswehr. Von 1996 bis 2001 war er Heeresinspekteur und war am Aufbau des Kommando Spezialkräfte maßgeblich beteiligt.

Herr Willmann, Sie haben die Fälle von strukturellem Rechtsextremismus im Kommando Spezialkräfte in Calw verfolgt. Was löst das bei Ihnen aus? 
Es schmerzt mich in der Seele. Denn in meiner Verantwortung wurde die Truppe aufgebaut, sie war mein Augapfel. Und der Geist der Truppe war immer ein Thema.  

Hat die Führung versagt? 
Zumindest hat sie über einen längeren Zeitraum eine bedenkliche Entwicklung nicht erkannt oder unterschätzt, und das bei einer begrenzten Zahl von Kommandosoldaten, die der Führung allesamt persönlich gut bekannt sein müssten. 

Wo müsste man ansetzen?
Das Problem ist der Wechsel vom Einsatz wieder zurück in den Normalbetrieb der Kaserne. Der Einsatz ist oft hart, und die Rückkehr in die normale Welt nach dem Einsatz sehr schwer. Die Soldaten erleben Dinge, deren Grausamkeit wir uns gar nicht vorstellen können. Ein halbes Jahr sind sie in der abgeschlossenen Welt des Kampfeinsatzes, immer in Lebensgefahr. Dann kommen sie mit veränderter Psyche zurück. Das haben mir auch die Ehefrauen immer wieder eindrücklich erzählt: „Mein Mann ist völlig verändert aus dem Einsatz zurückgekommen. Ich möchte meinen früheren Mann wiederhaben.“ 

Was heißt das für diejenigen, die sich um die Einsatzsoldaten kümmern?
Dass sie der Einsatznachbereitung besondere hohe Bedeutung zukommen lassen müssen. Dem Soldaten muss genügend Zeit zur Resozialisierung gegeben werden. Er muss aus der Selbstisolierung des Einsatzes herausgeholt werden. Er muss ins normale Leben zurückfinden. Wenn das nicht gelingt, besteht die Gefahr der Anfälligkeit für politisch extreme Einflüsterungen.  

Ist das ein rein deutsches Problem?
Nein. Wir kennen dieses Phänomen leider aus allen Elitetruppen weltweit. Deshalb sind die Vorgesetzten ganz besonders gefordert, ein Auge auf den Geist der Truppe zu haben. Und einzugreifen, wenn sich Hinweise zeigen, dass da eine abgeschlossene Welt entsteht. 

Jetzt wird in Berlin erwogen, das KSK aufzulösen. 
Pauschale Vorwürfe und radikale Lösungen sind sicher der einfache Weg. Eine Auflösung des KSK wäre aus meiner Sicht aber eine völlig überzogene Reaktion. Sie würde auch der großen Mehrheit der Kommandosoldaten nicht gerecht. Diese Leute sind handverlesen. Die Auswahl stellt hohe physische, psychische und intellektuelle Anforderungen an jeden Einzelnen. Ein Militärpfarrer, der die Soldaten in Afghanistan betreut hat, sagte mir: „Noch keine Truppe hat mir mir so ernsthaft und fundiert über religiöse Fragen diskutiert wie diese Kommandosoldaten.“ 

Was bedeutete die Abschaffung militärisch? 
Die Bundeswehr würde besonders im Rahmen von Stabilisierungsoperationen außerhalb Europas Fähigkeiten verlieren, die unverzichtbar sind, aus konzeptioneller wie operativer Sicht. Der richtige Weg lautet: Gründliche, auch schonungslose Analyse, Veränderung des derzeitigen Konzepts, und wo nötig und entschiedenes Handeln. Das schließt personelle Konsequenten ein. Ich hoffe sehr, dass die politische Führung nicht der Versuchung erliegt, mit vermeintlich einfachen Lösungen Führungsstärke zu simulieren. 

Anzeige