Radikalismus - Linke Gewalt

Die Gefahr linksextremer Straftaten wird oft unterschätzt. Dabei dreht sich die Gewaltspirale immer schneller. Die ideologische Begründung für die „Revolution“ reicht in die sechziger Jahre zurück. Doch zugleich zeigt sich die gewaltbereite linke Szene extrem anpassungsfähig.

Seit der Jahrtausendwende nimmt die Gewalt durch Linksextreme wieder zu / Andreas Herzau
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Autoreninfo

Klaus Schroeder (Foto dpa) ist Professor für Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin und wissenschaftlicher Leiter des Forschungsverbundes SED-Staat. Seine Forschungsschwerpunkte sind das geteilte und wiedervereinigte Deutschland, der rechte und linke Extremismus sowie der Sozialstaat. Vor Kurzem erschien sein Buch „Kampf der Systeme“ (Olzog edition, Reinbek).

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Blockierte Autobahnauffahrten und auch der Versuch, Zufahrten zu Flughäfen zu besetzen: Einige Akteure kleben ihre Hände auf der Straße fest, sodass sie von der Polizei nur mit erheblichem Aufwand weggeschafft werden können. Sie bezeichnen sich als „Aufstand der letzten Generation“. Ihre Vertreter behaupten, der Klimawandel zerstöre die Erde, und sie halten sich für die letzte Generation, die den (angeblich) sich selbst beschleunigenden Klimakollaps noch aufhalten kann. Darüber hinaus kritisieren sie – zu Recht – die Vernichtung von Lebensmitteln.

Sie können dem linken Milieu zugerechnet werden, wenngleich sie mehrheitlich keine Linksextremisten sind. Mit diesen haben sie aber die Selbstermächtigung zu kriminellem Verhalten gemein. Sie ignorieren den Rechtsstaat und gehen davon aus, dass der gute Zweck alle Mittel rechtfertigt.

„Konsequenter Antifaschismus“

In den vergangenen Jahren sind die linke und die linksextreme Szene insgesamt ideologisch radikaler und ihre Gewaltformen enthemmter geworden. Teile der Grünen, der Linkspartei und der Jusos lassen eine prinzipielle Distanzierung von politisch links motivierter Gewalt vermissen.

Derzeit stehen in Dresden immer noch eine in Leipzig wohnende Studentin und ihre linken Gesinnungsgenossen vor Gericht, von denen einige den Sicherheitsbehörden einschlägig durch linksmotivierte Gewalttaten bekannt sind. Laut Anklage haben sie mit äußerster Brutalität mehrere Rechtsextreme überfallen und malträtiert, beispielsweise schlugen sie mit Schlagstöcken und Eisenstangen auf schon am Boden liegende Personen ein. Linksextremisten solidarisierten sich ohne Wenn und Aber mit den Angeklagten und verkündeten auf indymedia.org: „Konsequenter Antifaschismus ist notwendig, auch wenn er sich nicht immer im Rahmen des Gesetzes bewegt, bedenkt man die Unfähigkeit und den Unwillen deutscher Sicherheitsbehörden, geht es um die Verfolgung gewaltbereiter Neonazis, deren Ideologie die Vernichtung von Menschenleben zum Ziel hat.“

Ihre eigene „Humanität“ zeigte hingegen die linke Szene in Leipzig im September 2021 anlässlich einer Demonstration gegen den Prozess, den sie für politisch motiviert hielt. Ihre Anhänger randalierten und trugen ein Transparent mit sich, auf dem sie dem Chef des polizeilichen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrums drohten: „Bald ist er aus, Dein Traum, dann liegst Du im Kofferraum.“ Dies ist zweifelsohne eine Anspielung auf den von Linksterroristen ermordeten Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer, dessen Leiche 1977 in einem Kofferraum aufgefunden wurde. Die Demonstration hatte, nebenbei gesagt, eine sächsische Landtagsabgeordnete der Linkspartei angemeldet.

Linke Feindbilder:  Die Polizei als Gegner im
Kampf um die „Rote Flora“ / Andreas Herzau

Taktische Morde

Auch in Stuttgart, nicht gerade bekannt für eine starke linksextreme Szene, kam es Ende Mai 2020 zu einem brutalen Gewaltübergriff. Eine Gruppe vermummter Linksextremisten überfiel mehrere Personen, die in einer AfD-nahen Gewerkschaft organisiert sind. Einen der Überfallenen schlugen sie sogar noch, als er auf dem Boden lag. Die Person erlitt lebensgefährliche Verletzungen und hätte von den linken Gewalttätern bei dem Überfall getötet werden können. Der Vorfall wurde zwar in der regionalen, aber kaum in der überregionalen Presse ausführlich erwähnt.

Die linke Schlägerbande rechtfertigte die Gewalttat mit dem Hinweis auf eine angeblich faschistische Gesinnung der überfallenen Personen. In ihrer Kommandoerklärung führten die Täter aus, dass bei derartigen gewalttätigen Übergriffen auch schwere bis tödliche Verletzungen vorkommen könnten. Eine gezielte Tötungsabsicht bestritten sie, dafür sei die Bewegung momentan nicht stark genug. Sie drohten jedoch unverhüllt, sie würden Morde an politischen Gegnern nicht prinzipiell ausschließen, sondern in taktische Überlegungen einordnen.

Linke Gewalt und ihre Wurzeln

Ein weiterer Höhepunkt im antizivilen Verhalten linker Gewalttäter war der Überfall von Linksextremisten auf die Angestellte einer Immobilienfirma in Leipzig. Im November 2019 attackierten zwei vermummte Linksextremisten die Mitarbeiterin in ihrer Privatwohnung. Sie schlugen sie brutal nieder und flüchteten dann. In ihrer Rechtfertigung bekannten die linken Täter freimütig, sie hätten die Frau bewusst ins Gesicht geschlagen, damit es ihr wirklich wehtat.

Diese drei grausamen Gewalttaten sind typisch für eine Enthemmung von Gewalt innerhalb der linken Szene. Was die Medien heute als neues Phänomen einer eigentlich gewaltfreien linken Szene beschreiben, ist in Wirklichkeit nur ein Wiederaufflammen brutaler Gewalt, die ihre Wurzeln in den sechziger Jahren hat.

Die linken Gewaltdiskussionen sind seitdem bekannt. Der medial omnipräsente Führer des Sozialistischen Deutschen Studentenbunds (SDS) Rudi Dutschke plädierte bereits mehr als ein Jahr vor den tödlichen Schüssen auf Benno Ohnesorg im Jahr 1966 für die Notwendigkeit revolutionärer Gewalt. Er forderte eine „Propaganda der Tat“ und illegale Aktionen, die in den Zentren des Imperialismus die revolutionären Bewegungen in der Dritten Welt unterstützen sollten. In seinen Aufzeichnungen finden sich schon zu diesem Zeitpunkt Überlegungen zum Aufbau eines urbanen, militärischen Apparats der Revolution.

Radikalisierung in den 70er Jahren

Im September 1967 propagierte Dutschke, der SDS müsse zu einer politischen Organisation von Guerillakämpfern werden, um von der Universität aus den Kampf gegen die bürgerlichen Institutionen zu führen. Damit ist frühzeitig das Ziel benannt: die Zerstörung der bürgerlichen Gesellschaft und ihrer Institutionen, der Kleinfamilie, der Marktwirtschaft, aber auch der Konventionen. Dutschke und andere Führungskader des SDS charakterisierten die Bundesrepublik als eine vorfaschistische Gesellschaft.

Nach dem Mord am Studenten Ohnesorg im Juni 1967 in Westberlin durch Polizeiobermeister Karl-Heinz Kurras, einem Stasi-Spitzel und SED-Mitglied, wie erst 2009 bekannt wurde, und dem Attentat auf Dutschke durch den Hilfsarbeiter Josef Bachmann im April 1968 radikalisierten sich Teile der linken Szene in kaum vorstellbarer Weise. Der sogenannte Straßenkampf intensivierte sich, gleichzeitig entstanden linksterroristische Gruppen. Den ersten Anschlag verübte am 9. November 1969 in Westberlin die linksextreme Gruppe Tupamaros gegen das jüdische Gemeindehaus. Sie wollte jüdisches Blut sehen, um den terroristischen Kampf der Palästinenser gegen Israel zu unterstützen.

Linksterroristische Gruppen wie die Bewegung 2. Juni, die RAF und die Revolutionären Zellen zogen seit den frühen siebziger Jahren eine Blutspur durch Westdeutschland. Sie fanden zumindest in der ersten Phase hinreichend Sympathisanten, die zwar nicht selber Gewalt ausüben wollten, aber die „revolutionären Aktionen“ der Linksterroristen klammheimlich begrüßten.
Das linksextreme Personenpotenzial wuchs laut Verfassungsschutzbericht bereits Mitte der siebziger Jahre auf über 100 000 Personen und erreichte im Jahr 1983 mit 117 000 seinen Höhepunkt. Die linke Gewalt stieg exponentiell an. Die zahlenmäßig meisten gewaltsamen Übergriffe gab es mit über 2200 Gewalttaten und 129 Terroraktionen im Jahr 1981.

Schüsse auf Polizisten

Die Proteste gegen die Flughafenerweiterung durch eine weitere Startbahn in Frankfurt/Main begannen bereits 1979. Immer wieder kam es zu Demonstrationen und Straßenschlachten. Am 2. November 1987 folgten knapp 300 Menschen dem Aufruf zu einer Demonstration. Einige Teilnehmer kündigten im Vorfeld gewalttätige Aktionen an. Die Polizei rückte mit Wasserwerfern vor und drängte die Demonstranten ab. Der Linksautonome Andreas E. gab gegen 21.14 Uhr Einzelschüsse auf die Polizei ab. Zwei Polizisten starben, sieben weitere wurden zum Teil schwer verletzt. Die Pistole war auf einer Anti-Atomkraft-Demonstration einem Polizisten entwendet worden.

Nachdem es einige Jahre im Kontext der gewaltbereiten linken Szene ruhiger war, eskalierte die linke Gewalt anlässlich einer 1.-Mai-Demonstration im Jahr 1987 in Berlin-Kreuzberg. Gewalttätige Ausschreitungen am 1. Mai gab es in den nachfolgenden Jahren nicht nur in Berlin, sondern auch in Hamburg und Frankfurt/Main.

Wer sind Linksextreme?

Was kennzeichnet Linksextremismus? Als linksextrem lassen sich Gruppen und Personen bezeichnen, die nicht nur die Wirtschaftsordnung, den Kapitalismus, überwinden oder abschaffen möchten, sondern auch das politische System insgesamt verändern und die bürgerliche Gesellschaft zerschlagen wollen. Da sie die Verfassung und die ihr zugrunde liegende Werteordnung ablehnen, stufen die Sicherheitsbehörden sie zu Recht als verfassungsfeindlich ein. Linksextremisten stehen meist unter dem Schutzschirm des gesamten linken Milieus. Dass oftmals die Trennlinien zwischen extremer und radikaler, aber demokratischer Linker verschwimmen, erschwert sowohl die Einordnung als auch die Betrachtung des Linksextremismus.

Linksextreme beziehen sich auf unterschiedliche Ideen und Ideologien sowie existierende oder untergegangene sozialistische/kommunistische Staaten. Das Spektrum der Gruppen reicht(e) von Anhängern der DDR über Maoisten und (Post)Autonome bis hin zu Anarchisten, die jegliche Herrschaftsform ablehnen. Die Sicherheitsbehörden schätzen das linksextreme Personenpotenzial für 2020 auf über 34 000 Personen, unter ihnen etwa 9600 Gewalt­orientierte, die zumeist in kleinen autonomen und anarchistischen Gruppen agieren. Seit den achtziger Jahren prägen die Autonomen die gewalttätige linke Szene.

Von 2001 bis 2021 verübten laut dem neu eingeführten Erfassungssystem für politisch motivierte Gewalt linke Akteure knapp 29 000 Gewalttaten und damit deutlich mehr als rechte Gewalttäter (knapp 21 000). Im Jahr 2021 übertrafen linke Gewalttaten erneut deutlich die rechten. Bei den Körperverletzungen insgesamt lagen die rechten Gewalttäter im vergangenen Jahrzehnt leicht vorne, bei den gefährlichen Körperverletzungen sowie vor allem bei Brandstiftungen und Landfriedensbruch jedoch die linken Gewalttäter. Wegen der speziellen Erfassung von Straf- und Gewalttaten – es wird weiterhin immer nur eine Straf- beziehungsweise Gewalttat gelistet, unabhängig davon, wie viele Taten der jeweilige Täter verübt hat – werden linke Gewalttaten deutlich unterzeichnet.

Zentral ist der „Antifaschismus“

Selbstdefinierte Aktionsfelder des aktuellen Linksextremismus sind „Antifaschismus“ und „Antirassismus“, „Antiimperialismus“, „Antiglobalisierung“, „Antirepression“, „Antikapitalismus“ sowie „Antidemokratie“ als Kampf gegen die parlamentarische Demokratie und „Antigentrifizierung“. Seit einigen Jahren kämpfen Linksextremisten auch für das Klima, das ihrer Meinung nach vom Kapitalismus bedroht wird.

Zentral für Linke aller Schattierungen ist jedoch neben dem Antikapitalismus der sogenannte „Antifaschismus“. Dabei gelingt es ihnen immer wieder, „rechts“ mit Rechtsextremismus gleichzusetzen und den Kampf gegen Rechtsextremismus in einen „Kampf gegen rechts“ zu transformieren. Diese Sprachregelung ist bis weit in Medien, Bildungswesen und auch Parlamente eingegangen.

Unklare Situation: Demonstranten am Rande des G-20-Gipfels 2017 / Andreas Herzau

Nach dem Fall der Mauer entwickelte sich im Ostteil Berlins eine Hausbesetzerszene, die die Volkspolizisten nicht zurückdrängen konnten. In der Mainzer Straße besetzten Linksautonome, vor allem aus dem Westteil der Stadt und dem Bundesgebiet, mehrere leer stehende Häuser. Nach der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 beschloss der Berliner Senat, die besetzten Häuser zu räumen, was im November erfolgte. Dass es bei der „Schlacht um die Mainzer Straße“ keine Toten gab, ist eher Zufall. Ein ehemaliger Hausbesetzer resümierte im Nachhinein: „Diese Schlacht um die Straße dauerte etwa zwei Stunden. Die Luft war voll Tränengas und fliegenden Steinen, aus den Häusern flog alles, was beweglich war, heraus. Selbst Balken, Gehwegplatten und Gullideckel wurden auf die Beamten heruntergeworfen, ihr Tod wurde einfach in Kauf genommen.“

Wiederaufflammende Gewalt

Seit der Jahrtausendwende dreht sich die linke Gewaltspirale wieder schneller. Im Juni 2007 gab es anlässlich des G-8-Gipfels in Heiligendamm schwere Ausschreitungen. Linke Gruppen und Parteien aller roten Schattierungen mobilisierten schon Monate vorher und riefen mehr oder weniger direkt zu Gewalt auf, da das Treffen der mächtigsten Männer und Frauen der Welt Symbol der weltumspannenden Dominanz von acht Ländern mit kapitalistischen Strukturen sei. Während einer Demonstration von mehreren 10 000 Personen am 2. Juni 2007 in Rostock wurde die Polizei bei einer erbitterten Straßenschlacht zwischen etwa 2000 Autonomen und 5000 Polizisten von der Gewaltbereitschaft und der Gewaltintensität der Linksextremisten überrascht. Am Ende der Randale waren 430 Polizisten verletzt.

Eine Bundestagsabgeordnete der PDS kritisierte im Nachhinein die Distanzierung von Gewalt während der Demonstrationen. Die gewaltsame Auseinandersetzung zwischen dem Schwarzen Block und der Polizei sei von den Medien übertrieben dargestellt worden. Sie plädierte für bewegungsinterne Kritik, aber nicht für Distanzierung und betonte, dass selbstverständlich die Polizei die Gewalt provoziert habe. Ehemalige Stipendiaten der Rosa-Luxemburg-Stiftung beteiligten sich an der Gewaltorgie und konstatierten: „Wir müssen uns nicht entschuldigen, wenn wir das staatliche Gewaltmonopol infrage stellen. Wir wollten angreifen und haben es in Rostock auch getan […].“ Sie behaupteten, Riots seien eine Aktionsform mit Stärken und Schwächen wie jede andere Aktionsform auch, und plädierten für einen „emanzipatorischen militanten Widerstand“.

Hunderte Verletzte beim G-20 Gipfel

Knapp zehn Jahre später ereigneten sich im Juli 2017 bei Protesten gegen den G-20-Gipfel in Hamburg ebenfalls bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen zwischen gewalttätigen linken Demonstranten und Polizisten. Die Polizei verlor zeitweise den Überblick und konnte das gewalttätige Geschehen nicht unter Kontrolle halten. Militante Akteure und Betrunkene sowie „erlebnis­orientierte“ Jugendliche warfen mit allem, was sie in die Hände bekamen. Einige kletterten auf Häuserdächer und schleuderten Gegenstände herunter. Die Randalierer begannen, Geschäfte zu plündern, und schossen mit Zwillen Stahlgeschosse auf die Einsatzkräfte. Erst mit dem Einsatz des angeforderten SEK und der österreichischen Polizeieinheit Cobra konnte die Polizei die Straßen räumen.

Von den etwa 30 000 eingesetzten Polizisten wurden nach offiziellen Angaben allein zwischen dem 7. und 9. Juli 2017 etwa 400 verletzt. Die Zahl der verletzten Demonstranten ist nicht bekannt – vermutlich ebenfalls mehrere Hundert. Das Hamburger Landeskriminalamt registrierte für die Zeit vom 3. bis zum 19. Juli 2017 knapp 1000 Gewaltdelikte durch linke Demonstranten, darunter knapp 150 Fälle von gefährlicher Körperverletzung und etwa 600 von schwerem Landfriedensbruch.

Hauptfeinde: „Rechte“ und Polizisten

Hauptfeinde linker Gewalttäter sind Polizisten und als „rechts“ eingestufte Personen. Im „Kampf gegen rechts“ ist nach Auffassung von Linken aller Schattierungen nahezu alles erlaubt, auch die Suspendierung von Grundrechten. Da sie die Einordnung als „Rechtsextremist“ oder auch schon als „rechts“ sehr weit fassen, gelten inzwischen gleichsam alle als „Rechte“, die nicht explizit „Linke“ sind. Diese Personen outen sie, indem sie ihre Privatadressen veröffentlichen und sie in ihrem privaten und beruflichen Umfeld durch Plakate oder Flugblätter denunzieren. Dabei belassen es einige linke Militante jedoch nicht, sondern attackieren unliebsame Personen mit körperlicher Gewalt. Gewaltsame Aktionen gegen Sachen und Personen im Umfeld der als „rechts“ definierten Szene finden inzwischen nahezu täglich statt. Im Fokus ist dabei seit mehreren Jahren die AfD.

Schwarzer Augenblick:  Rohe Gewalt gegen den
Gipfel 2017 / Andreas Herzau

Polizisten werden inzwischen nicht nur durch Stein- und Flaschenwürfe, Molotowcocktails und („Polen“-)Böller während und nach Demonstrationen attackiert, sondern auch in ihrem privaten Umfeld „besucht“, wie der Aufmarsch von etwa 60 teils vermummten Linken vor dem Privathaus eines Polizisten mit Parolen und dem Hassgesang „Wir haben einen Spaten für den Garten“ zeigt. Offenbar wollten sie damit seine im Haus anwesende Frau und die zwei Kinder einschüchtern. In ihrer auf indymedia.org veröffentlichten Kommandoerklärung schrieben die linken Gewalttäter: „Seid kreativ! Bullen haben Namen und Adressen! Macht diese öffentlich. Macht Konzerte, Flohmärkte, seid kreativ vorm Haus eines Bullen. Die Bullen können nicht jedes Haus schützen und das sollten WIR ausnutzen!“

Linke Gewalttäter beschimpfen in der Tradition der RAF Polizisten als „Pigs“ und als „Bullenschweine“. In manchen Bekennerschreiben bezeichnen sie sie darüber hinaus als „übel riechende Schweine“ und „Abschaum“. Mitunter drohen sie sogar, ihre Gewalt zu intensivieren, sollte sich die Polizei in bestimmten Konfliktsituationen nicht zurückziehen. Bisher habe kein Bulle oder Nazi bei gewalttätigen Auseinandersetzungen sterben müssen; ab einer bestimmten Eskalationsstufe seien Tote jedoch nicht mehr ausgeschlossen.

Gewalt gegen alles

Zugenommen haben Brandanschläge auf Bahnstrecken, deren Auswirkungen kaum zu kalkulieren sind. Ende März 2018 setzten Linksextremisten mehrere Kabelstränge unter einer Brücke in Berlin-­Charlottenburg in Brand. Als Folge waren 6500 Haushalte und 400 Gewerbekunden stundenlang ohne Strom. Die linken Täter behaupteten, mit ihrem Sabotageakt hätten sie den normalen Gang vielfältiger Arbeitsabläufe in der Hauptstadt außer Kraft gesetzt. Da die technische Entwicklung auf ein faschistisches System hinauslaufe, sei allein deshalb ein revolutionärer Bruch notwendig.

Anfang Oktober 2020 legten Linksextremisten erneut einen Brand an einem Kabelschacht einer Bahntrasse in Berlin. Die Aktion sei ein Warnsignal für die geplante Räumung eines Hauses. Eine „feministisch-revolutionär-anarchistische Zelle“ teilte in ihrer Kommandoerklärung mit, sie hätten die immer katastrophaler werdende Normalität sabotiert. Als Folge war der S-Bahn-Verkehr auf der Strecke für mehr als eine Woche blockiert; die potenziellen Fahrgäste mussten andere Verkehrsmittel nehmen, in denen sie – dicht gedrängt in Corona-­Zeiten – gesundheitsgefährdet waren.

Gegen die (vermeintliche) Gentrifizierung der Stadt ist Linksextremisten jedes Mittel recht. Sie zünden Autos von Immobilienfirmen an, versuchen Baukräne zu stürzen und attackieren Neubauten. 2015 schossen sie in Berlin Stahlkugeln mit Zwillen in die Fensterscheiben des Kinderzimmers eines Neubaus. Die Geschosse schlugen gegen die Fensterscheibe, während sich die 13-jährige Tochter im Zimmer befand. Da Licht brannte, war das Zimmer unschwer als Kinderzimmer zu erkennen.

Ebenso wie ihre linken Altvorderen lassen heutige Linksextremisten keinen Zweifel an der Berechtigung ihrer gewalttätigen Aktionen zu. Diese Selbstermächtigung zum (vermeintlich) revolutionären Handeln charakterisiert den gewaltbereiten Kern, aber auch nicht gewaltbereite Linksextremisten, die sich mit Gewaltfantasien begnügen. Linksextremisten spielen sich innerhalb linker Milieus als Gesinnungs- und Revolutionswächter auf und pflegen den Mythos der Revolution.

Die Themen wechseln, der Grundtenor bleibt gleich

Die Betrachtung der historischen Entwicklung des Linksextremismus zeigt in der Argumentation, den politischen Zielen und Kampfmitteln deutliche Kontinuitäten von der revolutionären überwiegend kommunistischen Linken, die sich Anfang des letzten Jahrhunderts konstituierte, über die APO der sechziger Jahre bis hin zu den sich als revolutionär verstehenden heutigen Linken. Dies schließt selbstverständlich Modifikationen mit ein, die sich aus dem Wandel der Zeit ergeben haben.

Linksradikale und Linksextremisten zeigen sich seit Jahrzehnten überaus flexibel in der Vereinnahmung von Themenfeldern und Kampagnen. Einst interessierten sie sich nicht für Umwelt und Atomkraftwerke, nutzten aber die Proteste für gewalttätige Ausschreitungen. Heute „sorgen“ sie sich um Klima und Natur, Tierschutz oder die Erhaltung sanierungsbedürftiger Stadtviertel. Vor allem aber beklagen sie einst und heute eine zunehmende Faschisierung der Gesellschaft und fordern den gewalttätigen Kampf gegen alles, was ihnen als repressiv und „rechts“ gilt.

 

Dieser Text stammt aus der April-Ausgabe des Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.

 

 

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