Radikalisierte Klima-Proteste - „Wenn es irgendwo brennt, seid bitte nicht überrascht“

Aktivisten der Klima-Bewegung kündigen in Worten und Taten eine weitere Radikalisierung an. Manche von ihnen sprechen schon hoffnungsvoll von einer „grünen RAF“. Politik und Öffentlichkeit sollten dies endlich ernst nehmen und die Aktionen von „Fridays for Future“ & Co. nicht länger als jugendlichen Überschwang verharmlosen.

Klimaaktivisten vom „Aufstand der letzten Generation“ blockieren den Zugang zur Köhlbrandbrücke in Hamburg / dpa
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Ralf Hanselle ist stellvertretender Chefredakteur von Cicero. Im Verlag zu Klampen erschien von ihm zuletzt das Buch „Homo digitalis. Obdachlose im Cyberspace“.

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Wie eigentlich kann das Leben geiler sein, mehr Spaß machen, mehr kicken, mehr rocken? Berechtigte Frage. Tadzio Müller hat sie gestellt. Der 45-jährige Klimaaktivist und Mitbegründer des Aktionsbündnisses „Ende Gelände“ sucht seit geraumer Zeit schon nach Möglichkeiten, harte politische Angriffe auf unterhaltsame Weise „von den gesellschaftlichen Rändern“ her zu starten. Das gestand der selbsternannte Klimapartisan mit dem recht gewöhnlichen Namen Müller bereits vor über einem Jahr in einem Interview mit der linken Tageszeitung taz. Von den Rändern aus könne man den Normalwahnsinn eben am besten entlarven, so der tatenhungrige Aktivist, der ansonsten auch schon mal unverhohlen von einer „grünen RAF“ oder von „Sabotage for Future“ schwadronierte. Mehr Rock’n’Roll wagen, mehr Lifestyle-Kick für das gelangweilte Leben am Rande der deutschen Mittelschicht!

Müller würde das natürlich ganz anders formulieren. In etwa so: „Die Klimakrise bringt mittlerweile Leute um. Ab wann wird dann friedliche Sabotage tatsächlich Notwehr?“ Eine ethische Finesse. Mit ihr müssen sich inzwischen nicht nur die Aktivisten von „Ende Gelände" rumschlagen. Viele aus der Mitte der neuen Klimabewegungen sehen sich mittlerweile am Ende der Niedlichkeit angekommen. Denn wo sollte man sich auch sonst verorten, wenn Greenpeace bereits am Werderschen Markt sitzt und auch das bis dato nicht zu jenen Ergebnissen führt, die etwa Aimèe van Baalen, Sprecherin der Gruppe „Aufstand der letzten Generation“, „so dringend benötigt, um die Menschen vor dem Klimakollaps zu retten und Massenflucht, soziale Unruhen und möglicherweise sogar Krieg zu verhindern“?

Die Aktivisten der Generation Z machen jetzt ernst

Das haben inzwischen auch Fridays for Future, die einstigen „Happy Kids“ unter den meist eher apokalyptisch gestimmten Post-Millennials erkannt. Die Welt dreht sich eben weiter, auch wenn ein niedlicher Trotzkopf gelegentlich mal mit dem Fuß aufstampft. Bei Fridays for Future sieht man sich daher vor eine „Verbreiterung der Protestformen“ gestellt. Das zumindest gestand Carla Reemtsma, Sprecherin der klimabewegten Schulschwänzer, am Wochenende der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung: „Wir haben das klassische Repertoire durchgespielt und sind trotzdem meilenweit von unseren Zielen entfernt.“

Schluss also mit Kindchenschema und drolligen Eisbäraugen. Oder um es mit dem Spaß-Guerillero Tadzio Müller zu sagen: „Eisbären sind mir ziemlich wumpe!“ Was jetzt kommt, das könnte das Ende der Unschuld markieren, der Salto mortale in der Geschichte deutscher Gegenkulturen: Burn, warehouse, burn!

Die Aktivisten der Generation Z nämlich machen jetzt ernst. Denn nach Z käme andernfalls nichts mehr, und nach fest käme ab. Am Montag klebten sich daher vorsichtshalber schon einmal zahlreiche Aktivisten vom Aufstand der letzten Generation mit Bauschaum auf die Fahrbahn der Hamburger Köhlbrandbrücke und provozierten so eine, in ihren Worten, „massive, nicht ignorierbare Störung des todbringenden Alltags“.

Hamburger Hafen lahmgelegt

Was wie das Motto eines surrealistischen Happenings inmitten einer absurden Wirklichkeit klingt, das hat den Auto- und Warenverkehr am größten deutschen Seehafen über Stunden nahezu zum Erliegen gebracht. Auf der A7 krachten sogar vier Fahrzeuge ineinander, und das alles für das eigentlich doch sehr ansehnliche Motto „Essen retten, Leben retten“. Letzteres kann übrigens – Tadzio Müller zum Trotz – eigentlich doch furchtbar „geil“ sein: Etwa, wenn man als Aufständiger der letzten Generation zunächst ein sogenanntes „Lebensmittelrettungsgesetz“ fordert, nur um dann dann anschließend 60 Liter Rapsöl über eine Autobahnauffahrt im Hamburger Süden zu verschütten.

Jetzt aber bitte keine Klagen! Bis hierhin sind wir schließlich mitgegangen, und die Kids hatten zuvor ja auch lauthals gewarnt! Irgendwann gibt es dann eben kein Zurück mehr: Bis Sonntagabend hatte man der Bundesregierung ein Ultimatum gesetzt, um einen Zeitplan für das geforderte Lebensmittelrettungsgesetz zu verkünden. Passiert ist nichts. Was bleibt einem rebellischen Herzen mit Heimweh nach Zukunft dann irgendwann anderes übrig, als eben Häfen und Flughäfen zu blockieren, um so auf eine „todbringende Politik“ zu verweisen? „Die massiven Störungen im Hafen sind nichts im Vergleich zu Störungen durch Fluten, Dürren, Essensknappheit. Es ist unsere Pflicht, gegen eine todbringende Politik Widerstand zu leisten“, heißt es in einem kurzen Erklärtext zu der verschärften Aktionsform.

Es ist, als wenn das „knisternde Vietnam-Gefühl“ allmählich wieder in die deutschen Städte zurückkehrt – jener juvenile Widerstandsgeist, der Ende der 60er-Jahre schon einmal dazu geführt hatte, dass sich Bürgerkinder zum gefürchteten Bürgerschreck umfrisierten und aus harmlosen Vorstadtstrizzis irgendwann brandgefährliche Anarchisten wurden. Denn an den Taten wird man ihre Worte erkennen: „Ein brennendes Kaufhaus mit brennenden Menschen vermittelte zum ersten Mal in einer europäischen Großstadt jenes knisternde Vietnam-Gefühl, das wir in Berlin bislang noch missen müssen“, hieß es im Mai 1967 im legendären Flugblatt Nr. 7 aus der Feder der Kommunarden Rainer Langhans und Fritz Teufel. Nicht mal ein Jahr später wurde aus der gewaltsamen Phantasie dann Wirklichkeit: Andreas Baader und Gudrun Ensslin zündeten in Frankfurt das traditionsreiche Kaufhaus M. Schneider an. Und nochmal ein paar Jahre drauf, und mit dem Polizisten Norbert Schmid starb das erste Opfer der RAF.  

Auch damals lag der Beginn darin verborgen, dass ein paar blind gewordene Aktionisten ihre eigenmächtig gezogene Demarkationslinie überschritten sahen. Da war die Sehnsucht nach Spaß, nach Kick, nach Rock’n’Roll. Auch der Sound jener Jahre klang ähnlich wie heute: „Wenn es irgendwo brennt in der nächsten Zeit, wenn irgendwo eine Kaserne in die Luft geht, wenn irgendwo in einem Stadion die Tribüne einstürzt, seid bitte nicht überrascht“, hieß es im Flugblatt Nr. 7 der Kommune 1. Tadzio Müller hat dieses vermeintliche Recht der Jugend auf Krawall und Furor in einem Interview mit dem Spiegel jüngst in ähnliche Worte gekleidet: „Zerdepperte Autoshowrooms, zerstörte Autos, Sabotage in Gaskraftwerken oder an Pipelines. Das wird es nächsten Sommer auf jeden Fall geben.“ Ist das nur Weissagung oder schon Sehnsucht? Die Zeit der Eisbären jedenfalls ist vorbei. Die Klimabewegung droht endgültig ihre Unschuld zu verlieren. Politik und Öffentlichkeit sollten gewarnt sein.

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