Nach dem Putsch in Mali - Die Informationspolitik zu den deutschen Soldaten ist empörend

Der Militärputsch in Mali wirft Fragen auf, die auch von der Verteidigungsministerin beantwortet werden sollten. Denn die Bundeswehr ist in gleich zwei Missionen vor Ort. Doch von AKK hört man vieles, nur leider kaum etwas zur Situation der deutschen Soldaten.

Bundeswehrsoldaten am Flughafen von Gao in Mali / dpa
Anzeige

Autoreninfo

Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

So erreichen Sie Christoph Schwennicke:

Anzeige

Mit einem Militärputsch hat man als ordentlicher Demokrat so seine Schwierigkeiten. Manchmal wünscht man sich in schwachen Momenten insgeheim einen in Staaten, in denen es mit einem beinharten und skrupellosen Diktator aussichtslos erscheint, dass es durch Wahlen friedlich zu einem Regime Change kommt.

Im nächsten Moment schämt man sich aber schon wieder für diesen Gedanken wider die Gewaltenteilung. Auch weil die Erfahrung zeigt, dass gerade in Afrika solche Putsche an Ende nur bedeuten, dass der oberste Putschist sein Barett nur gegen eine Leopardenfellmütze eintauscht, um fortan als Tyrann zu regieren und das Land auszubeuten, bis ihn der nächste wegputscht. 

Näher an Deutschland als man denkt

In Mali ist es jetzt zu einem solchen Militärputsch gekommen. Was sich weit weg anhört, aber aus zweierlei Gründen nah an Deutschland dran ist. Zum einen sind in Mali seit einigen Jahren etwa 900 Bundeswehrsoldaten in zwei Missionen im Einsatz, zum anderen ist das von Islamisten geschundene und terrorisierte Land eines, aus dem sich unter anderem die Migrationsströme Richtung Europa speisen.

Der Einsatz der Bundeswehr in einem multinationalen Einsatz gehört also zu einem Unterfangen, das man allgemein als „Fluchtursachen bekämpfen“ bezeichnet. Die deutsche Beteiligung an der United Nations Multidimensional Integrated Stabilization Mission in Mali (MINUSMA) ergänzt das deutsche Engagement bei der von der EU geführten Ausbildungsmission European Union Training Mission Mali (EUTM). Die von internationalen Ausbildern der EUTM trainierten malischen Sicherheitskräfte werden unter anderem im Norden Malis zur Stabilisierung und Wiederherstellung der staatlichen Integrität eingesetzt.

Die Bundeswehr und der Putsch

Die Sache ist für die deutsche Bundesregierung delikat. Sie hat den weggeputschten Präsidenten Ibrahim Boubacar Keïta stets mit wohlwollenden Worten bedacht, auch wenn seit seiner Wiederwahl vor zwei Jahren immer klarer wurde, dass es mit der Korruption in Mali so weitergehen würde wie bisher. Zugleich haben die Bundeswehrsoldaten in Mali das Militär ausgebildet, aus dem heraus jetzt der Präsident zur Abdankung gezwungen wurde.

Zwar gib es bislang keine Hinweise darauf, dass Militärs, die mit den Bundeswehrsoldaten in Mali zu tun hatten, am Putsch beteiligt waren. Auch haben sich die Gerüchte bisher nicht bestätigt, dass westliches Militärgerät, etwa aus Bundeswehrbeständen beim Putsch benutzt worden sind. Der Tagesspiegel meldet aber, dass ihm vom Verteidigungsministerium bestätigt wurde, dass sich unter den Führern des Putsches zwei Offiziere befinden, die in Deutschland bei der Bundeswehr ausgebildet wurden. Einer von ihnen studierte an einer Bundeswehruniversität, ein anderer besuchte 2008 einen Einheitsführerlehrgang an einer deutschen Truppenschule. 

Wortkarge Bundesregierung

All diese Informationen müssen sich die Abgeordneten des Deutschen Bundestages und die deutsche Öffentlichkeit mühsam zusammenklauben. Die Bundesregierung ist bislang überaus wortkarg, was den Putsch in Mali angeht und was das mit den deutschen Soldaten zu tun hat. Und auch, was das nun für sie heißt.

Bundesaußenminister Heiko Maas hat es unmittelbar nach den ersten Meldungen bei einigen allgemeinen Worten belassen. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer traf sich Ende vergangener Woche mit ihren französischen und britischen Amtskollegen in Saarlouis und ließ wissen, dass die Soldaten bis auf Weiteres dort blieben: Aus Sicherheitsgründen seien die im Land aktiven deutschen Soldatinnen und Soldaten zunächst in ihre Liegenschaften zurückbeordert worden, so die Ministerin. Ihr Schutz habe derzeit Vorrang. „Wie es weitergeht, werden wir in den kommenden Tagen im Licht der aktuellen Entwicklungen in Mali gemeinsam mit allen internationalen Partnern festlegen“, kündigte Kramp-Karrenbauer an. 

Unter dem Radar

Da sind dürre Nachrichten und Informationen. Es ist gerade zugegebenermaßen viel los auf in der Welt. Jenseits von Corona gehen die Proteste nach den Wahlen in Belarus weiter, es gibt eine Krise zwischen Russland und der Europäischen Union wegen einer möglichen Vergiftung des Oppositionellen Alexej Nawalny. Alles wahr. Wie aber mit dem Putsch in Mali und den Konsequenzen für die Bundeswehrsoldaten umgegangen wird, entspricht nicht dem, was von der Bundesregierung in einem solchen Fall verlangt werden kann und verlangt werden muss. 

Die deutschen Streitkräfte sind eine Parlamentsarmee, der Einsatz muss vom Bundestag bewilligt werden, die Parlamentarier haben ein Recht auf ordentliche Unterrichtung. Davon kann bisher keine Rede sein. Der Einsatz in dem hochexplosiven afrikanischen Land war seither immer sehr unter dem allgemeinen Radar geblieben, was in einem krassen Missverhältnis zum Risiko steht, dem die Soldaten dort ausgesetzt sind.

Am Wochenende sah es die Verteidigungsministerin als geboten an, in ihrer Eigenschaft als CDU-Vorsitzende in einer Sonntagszeitung ausführlich zu Corona, Maskenpflicht und dem CDU-Parteitag im Dezember Stellung zu nehmen. Daran ist nichts auszusetzen. Kramp-Karrenbauer sollte aber jenseits dessen in dieser Woche schleunigst für eine anständige Unterrichtung über den Putsch in Mali und die Implikationen für die Bundeswehrsoldaten sorgen. Das ist sie ihren Untergebenen, den Abgeordneten und der deutschen Öffentlichkeit dringend schuldig. 

Anzeige