Man kann sich an dieses neue Unterhaltungsformat der politischen Casting-Shows in den Volksparteien richtig gewöhnen. Nach der Entscheidung in der SPD-Show „Deutschland sucht die Super Sozis“ geht die CDU nun das zweite Mal innerhalb eines guten Jahres in den Contest, um die neue Führungsfigur der Konservativen, oder das, was früher einmal die Konservativen waren, zu finden.
Wenn sich nicht noch weitere Kandidaten berufen fühlen, dann werden es dieses Mal drei Männer aus Nordrhein-Westfalen untereinander ausmachen. Zwei davon waren schon in der letzten Dreierkonstellation angetreten und Annegret Kramp-Karrenbauer unterlegen.
Laschet hat die beste Ausgangslage
Deshalb ein besonderer Blick auf den Novizen in diesem Wettbewerb. Armin Laschet, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, rüttelt zwar nicht an den Gitterstäben des Adenauerhauses oder des Kanzleramtes, aber im Unterschied zur letzten Runde steht dieses Mal fest, dass er auch Ansprüche erheben wird.
Um das unumwunden zu sagen: Wenn er Parteichef werden möchte, dann dürfte ihm dieses Ziel weder von Friedrich Merz noch von Jens Spahn erfolgreich streitig gemacht werden können. Laschet hat innerparteilich die beste Ausgangslage, und da eine Mitgliederbefragung per Parteitagsbeschluss nicht in Frage kommt, wird die Vorentscheidung im Parteivorstand und mit den Landesverbänden getroffen werden. Am Vorsitzenden des mitgliederstärksten Landesverbands (und gleichzeitigem Regierungschef) kommt da niemand vorbei. Außerdem hat sich der geschmeidige Laschet, selbst eher links der Mitte innerhalb der CDU verortet, breit in der Partei vernetzt. Er ist eine Art Helmut Kohl von links.
Neue Generation
Und wenn Laschet Parteivorsitzender wird, dann dürfte er auch die Kanzlerkandidatur in Anspruch nehmen, auch wenn da mit einem markanteren Kandidaten wie Friedrich Merz die Chancen auf einen Wahlsieg höher stehen. Merz würde der AfD mutmaßlich mehr Stimmen abjagen als Laschet, der den Wählerinnen und Wählern gerade aus der Zeit der akuten Migrationskrise als unbedingter Merkelianer in Erinnerung geblieben sein dürfte.
Im luftleeren Raum, wenn also Parteipolitik frei wäre von Proporzdenken und Anciennität, wäre der wünschenswerteste Parteichef und etwaiger Kanzlerkandidat Jens Spahn. Er verkörpert als einziger der drei wirklich eine neue Generation, wie sie im europäischen Umfeld von Deutschland mit Tatendrang und Frische am Werk ist. In Finnland, in Frankreich, in Österreich, in Dänemark.
Progressiv und konservativ
Spahn hat seinen Tatendrang und seine Durchsetzungsfähigkeit im Gesundheitsministerium bewiesen, kein Ministerium, in dem einem die Erfolge von selbst in den Schoß fallen. Er vertritt einen politischen Kurs, den man progressiv-konservativ nennen könnte. Seine selbstverständlich gelebte Homosexualität und seine klare, kritische, aber immer faire Haltung zu Merkels Agieren in der Flüchtlingskrise 2015/2016 machen diese auf den ersten Blick widersprüchlichen Attribute progressiv und konservativ kompatibel. Er könnte damit ein Mann der Moderne sein, einer wie Sebastian Kurz in Österreich oder Emmanuel Macron aus Frankreich, die beide an der derzeitigen Antriebsarmut einer überalterten deutschen Bundesregierung leiden.
Ist Deutschland bereit für einen schwulen Kanzler? Ja. Ist die CDU bereit für einen schwulen Parteichef? Die Frage ist nicht ganz so eindeutig zu beantworten. Da gibt es Reserven, aber die gab es auch, als gleichwohl zum ersten Mal eine Frau CDU-Vorsitzende und Kanzlerkandidatin wurde.
Dringend nötiger Generationenwechsel
Jugend ist kein Wert an sich, aber in einen Epochenwechsel vom Analogen ins Digitale eben doch. Für Spahn ist das Digitale kein Neuland, sondern das natürliche Habitat, in dem er aufgewachsen ist. Ob dann er oder der CSU-Vorsitzende Markus Söder als Kanzlerkandidat anträten, machte für die beiden natürlich einen großen Unterschied. Für den Tatendrang und den dringend nötigen Generationswechsel in der deutschen Regierung aber nicht.
Politik im luftleeren Raum gibt es leider nicht. Am Ende liegt diese Entscheidung bei den Gremien und damit in den Händen von Armin Laschet. Er muss sich fragen, ob es derjenige macht, der die besten Ausgangspositionen hat, also er selbst. Oder die besten Umfragen, also Friedrich Merz. Oder das beste Alter. Jens Spahn wird am 16. Mai 40 Jahre alt.