Infektion nach Corona-Demo - „Mit der Maske bist Du der Gegner“

Bei der Berliner Corona-Demo vom 1. August wurde ein Kameramann des rbb von Demonstranten bedrängt. 5 Tage später wurde er positiv auf Covid-19 getestet. Wie bewertet er das gekippte Demonstrationsverbot?

Demonstranten auf einer Demo gegen die Corona-Maßnahmen (Symbolbild) / dpa
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Autoreninfo

Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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*Dennis Steinfeld ist freier Kameramann beim rbb in Berlin. Für den Sender hat er u.a. die Corona-Demo vom 1. August gefilmt. 

Herr Steinfeld, Sie waren auf der großen Anti-Corona-Demo am 1.  August im Einsatz. Fünf Tage später haben Sie einen Coronona-Test gemacht, der positiv ausfiel. Haben Sie sich dort infiziert?
Davon gehe ich aus. Wenn Du mit Tausenden Menschen auf einer Riesendemo bist, die weder Maske tragen noch den Sicherheitsabstand einhalten, liegt das nahe. Ich kann es aber natürlich nicht beweisen.

Einer Ihrer Kollegen ist dabei angespuckt worden. Was ist Ihnen passiert?
Mir ist das passiert, was Dunja Hayali auch passiert ist. Wir wurden bepöbelt und angeschrien von allen Seiten. „Systemmedien“ oder „Lügenpresse“. Für uns Journalisten ist das eigentlich schon das Standardprogramm.

Schickt der rbb zu solchen Einsätzen keine Security-Leute mit?
Doch, normalerweise schon. Aber an diesem Tag waren so viele Teams auf der Demo im Einsatz. Es waren alle davon überrascht, wie viele Demonstranten dort waren und dass die Maskenpflicht so vehement ignoriert wurde. Wir waren nur ein ganz kleines Team, eine junge Reporterin und ich. Wir waren zwischen einer Anti-Corona-Demo und einer Gegendemo, also zwischen allen Fronten.

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Fotos dieser Demo zeigen Menschen, die eher aussehen, als wären sie auf einem Rave als auf einer Demo.
Es war eine eigenartige Stimmung. So volksfestmäßig. Nachdem die Polizei die Versammlung aufgelöst hatte, marschierten die Demonstranten völlig verloren am Kanzleramt vorbei. Einer sagte: „Die Merkel traut sich heute nicht raus – wir gehen lieber zum Bundestag.“ Aggressiv wurde die Stimmung erst später auf der Straße am17. Juni. Da sind Menschen mit PEACE-Fahne neben Menschen mit Reichsbürgerflagge marschiert. Das war echt schräg.

Sind Sie als Kameramann körperlich angegriffen worden?
Nein, aber die Leute waren halt frustriert, weil sie nicht wussten, wo sie hinsollten, nachdem die Demos und Kundgebungen  aufgelöst worden waren. Vor dem Reichstag war noch eine andere Kundgebung angemeldet, aber die hat nicht stattgefunden. Dann war noch eine auf der Straße des 17. Juni, die hat stattgefunden. Die Leute sind dann dort herumgeirrt. Es war eine merkwürdige Situation. Da wurde halt der angebrüllt, der gerade da war. Der Polizist. Der Kameramann. Oder der Ordner.

Wird da noch der Sicherheitsabstand eingehalten?
Nein, gar nicht. Die haben uns ins Ohr gebrüllt. Die sind ganz nah rangekommen.

Aber das hatten die Veranstalter der Polizei vorher zugesagt. Hat das vor Ort keiner eingefordert?
Ach, wo. Bei der Demo waren die alle unter sich. Da ist keiner hingegangen, der da nicht hinwollte.

Das heißt, als Kameramann waren Sie einer der wenigen, die Maske trugen?
Am Anfang schon. Bei solchen Veranstaltungen lege ich meine Maske dann allerdings auch irgendwann ab, weil ich keinen Bock habe, sofort einen auf die Schnauze zu bekommen. Die wissen ja, mit wem sie es machen können. Und es war zu wenig Polizeischutz da.

Wer eine Maske trägt, kriegt was aufs Maul?
Man wird auf jeden Fall zum Feindbild, ob man gleich körperlich angegriffen wird, hängt davon ab, an wen man gerät. Mit der Maske bist du der Gegner. Die Teilnehmer der Gegendemo trugen ja auch Maske. Anders als die Anti-Corona-Demonstranten haben die auch Abstand gehalten.

Warum reagieren einige so aggressiv auf diese Maske?
Ich weiß gar nicht, ob das an der Maske liegt. Auf solchen Veranstaltungen entsteht schnell eine Dynamik. Einer brüllt: „Was Du machst, ist nicht okay.“ Und dann stehen 500 Leute drum herum, und dann schaukelt sich das sofort hoch. Sogar Frauen, von denen man das gar nicht erwartet hätte, lassen sich davon anstecken. Die werden zu Furien. Ich kenne das schon von Pegida-Veranstaltungen.

Für die nächste Demo am gestrigen Samstag hatten Parteien und Initiativen am rechten Rand in ganz Europa für die Demo getrommelt. Wie hoch war ihr Anteil bei der Demo am 1. August?
Schwer zu sagen. Es steht Leuten ja nicht auf die Stirn geschrieben, ob sie Reichsbürger oder stramme AfDler sind. Aber wenn man die Leute mit Nazi-T-Shirts oder Reichsbürgerflaggen nimmt, waren es maximal zehn Prozent.

Sie haben sich fünf Tage später auf Corona testen lassen. Hatten Sie das Gefühl, Sie hätten sich dort infiziert?
Nein, ich hatte in der darauffolgenden Woche einen Termin in Österreich und hab  auf dem Rückweg in Bayern einen kostenlosen Autobahn-Test mitgenommen. Ich dachte: Warum nicht? Ich hatte da aber noch keine Symptome. Die kamen erst einen Tag später. Ich war plötzlich super-schnell k.o. und hatte ein Kratzen im Hals, beziehungswiese in der Lunge. Noch heute spüre ich ein Stechen in der Brust.

Waren Sie schockiert?
Nein, mehr schockiert war ich, dass ich sieben Tage lang auf das Testergebnis warten musste. Eine Folge von Söders Bayern-Panne. Für uns ist das dramatisch. Meine Frau ist hochschwanger. Wir haben ein zweijähriges Kind.

Gestern haben Rechtsextreme und Querdenker bei der Anti-Corona-Demo zum Sturm auf Berlin geblasen. Hatten Sie damit gerechnet, dass es diesmal richtig kracht?
Ich bin kein Experte. Aber ich hätte es mir vorstellen können. So war die Dynamik ja schon häufig. Beim nächsten Mal bleiben dann nur noch die ganz Harten übrig. 

Waren Sie gestern auch wieder dabei?
Nein, ich war den ganzen Tag bei einer ruhigen Veranstaltung. Der Sender hat mir  gesagt, dass man darüber nachdenke, wie man in Zukunft über solche Veranstaltungen berichten will, damit die die Mitarbeiter sich keiner Gefahr aussetzen.

Weil es keine Security für Sie gab?
Nein, die können auch keine Schutzzone um uns herum schaffen. Die können nur aufpassen, dass uns keiner gegen die Kamera tritt oder in den Rücken springt. Man kann solche Veranstaltungen auch aus der Ferne filmen. Wir hätten da einfach nicht reingehen dürfen. Wer das will, kann das gerne machen. Aber diese Kollegen müsste man dann eigentlich für 14 Tage isolieren.

Berlins Innensenator hatte die gestrige Demo verbieten lassen, das Verwaltungsgericht hat das Verbot aber wieder gekippt. Eine richtige Entscheidung?
Ich bin da hin- und hergerissen. Einerseits musste sich Geisel so entscheiden, weil er sich hinter die Polizisten stellen musste. Die stehen an vorderster Front und müssen sich anbrüllen lassen. Sie sind den Demonstranten schutzlos ausgeliefert.

Und andererseits?
Muss man die Demonstranten auf die Straße lassen, auch, wenn man sie lieber in einen Ikea-Schrank sperren würde. Aber eigentlich müssen die dann auch die Regeln einhalten. Es ist eine ganz schwierige Kiste.

*der Name des Interviewten wurde auf seinen eigenen Wunsch aus Sicherheitsgründen geändert. Die Fragen stellte Antje Hildebrandt

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