Präsident der Bundespolizei - Der Bulle von Potsdam

Der eigenwillige Dieter Romann ist seit 2012 Präsident der Bundespolizei – und äußerst beliebt bei der Truppe. Trotz seiner Kritik an der Grenzöffnung entging er, anders als sein Freund Hans-­Georg Maaßen, der Entlassung. Doch wird er auch den Regierungswechsel überstehen?

Dieter Romann ist bei der Truppe beliebt. Bei Rot-Grün eher nicht / dpa
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Autoreninfo

Moritz Gathmann ist Chefreporter bei Cicero. Er studierte Russistik und Geschichte in Berlin und war viele Jahre Korrespondent in Russland.

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Es ist November, Dieter Romann sitzt in seinem Potsdamer Büro, die Hemdsärmel hochgekrempelt, ohne Krawatte, hinter ihm ein Schild mit den Worten „All Cops Are Beautiful“ – alle Bullen sind wundervoll, eine Umdeutung des in linken Kreisen beliebten Graffitos „ACAB“ (All Cops Are Bastards). Während das Land in die nächste Corona-Welle stolpert und die Rufe nach der Impfpflicht lauter werden, redet der Chef seinen mehr als 51 000 Mitarbeitern der Bundespolizei ins Gewissen. Er zeigt seinen Impfausweis, fordert seine Leute zur Impfung auf: „Bitte zieht mit!“ Und zückt eine riesige Pferdespritze: „Es tut auch gar nicht weh!“ Per Du, hemdsärmelig, mit Humor. Typisch Romann.

Mit solchen intern zugänglichen Videos hält der 59-Jährige seit Beginn der Corona-Krise den Kontakt zu seiner Truppe, die in Zügen und an Flughäfen beim Kampf gegen das Virus ganz vorne mit dabei – und entsprechend gefährdet ist. Unter den Polizisten ist der Chef unangefochten. Der promovierte Jurist ist einer, der „Arsch in der Hose hat“, hört man über den Mann, der die Bundespolizei seit seiner Ernennung zum Präsidenten 2012 zu dem gemacht hat, was sie heute ist: gut ausgestattet, ein Rückgrat des Staates, angesehen in Gesellschaft und Politik. Es ist die Lebensaufgabe des bulligen Typen, dem man bis heute ansieht, dass er 1991 deutscher Karatemeister wurde.

Der Hirte

2005 war die Bundespolizei aus dem Grenzschutz hervorgegangen, einer im Kalten Krieg formierten Polizei mit teilweise militärischem Charakter, die mit dem Wegfall der innerdeutschen Grenze und mit der Öffnung des Schengenraums in die Identitätskrise geriet. Dem Normalbürger fällt heute meist gar nicht auf, ob er da einen Landes- oder Bundespolizisten vor sich hat: Die Zeiten von Stahlhelmen und Handgranaten sind vorbei. Aber die Bundespolizisten, die wie das Bundeskriminalamt direkt dem Bund untergeordnet sind, standen während der Flüchtlingskrise 2015 und ihren Folgen an den Grenzen des Geschehens, sie spielen bei der Durchsetzung der Corona-­Regeln eine tragende Rolle. Und zuletzt blickte das Land wieder auf sie, die an der polnischen Grenze die Flüchtlinge in Empfang nahmen, die es aus Belarus zu uns geschafft hatten.

Romann, 1962 im rheinland-pfälzischen Ahrweiler in der Familie eines Bundesgrenzschützers geboren, lebt seit 2012 für seine Bundespolizisten. Intern spricht er, der Hirte, zuweilen von seinen „Schäfchen“. Sie gehen Risiken ein fürs Land, und er für sie.

Videobotschaft nach Irak

Als sich die Lage an der polnischen Grenze verschärft, steigt Romann, der über gute Verbindungen zu seinen Kollegen in vielen Ländern verfügt, darunter Polen und Russland, in einen polnischen Apache-Hubschrauber, um sich ein Bild von der Lage an der belarussischen Grenze zu machen.

Und entscheidet sich zu einem ungewöhnlichen Schritt: Für einen kurdischen Kanal aus dem Nordirak stellt er sich in Potsdam vor die Kamera, in Krawatte und Anzug, hinter sich Flaggen von EU und Deutschland – und spricht zu den Migranten: „Fliegt nicht nach Belarus. Die polnische Grenze ist zu. Ihr landet bei Minusgraden in sumpfigen weißrussischen Urwäldern. Viele eurer Landsleute haben dort schon den Tod gefunden.“ Das Video macht die Runde, auch auf Arabisch und Farsi, und ist ein Grund dafür, dass der Flüchtlingsstrom nach Belarus versiegt. Auch das ein typischer Romann: weder abgesprochen mit seinem Dienstherrn Horst Seehofer noch mit Kanzlerin Merkel.

Es könnte eng werden

Das galt auch 2018 für die Rückholaktion eines Asylbewerbers, der die 14-jährige Susanna Maria F. vergewaltigt und getötet hatte. Der Täter war in den kurdisch kontrollierten Teil des Iraks geflohen. Von dort holte ihn ein GSG-9-Kommando in Begleitung von Romann zurück nach Deutschland. Romann war 2015 erklärter Gegner der Grenzöffnung. Und doch konnte er sich als einer der wenigen Spitzenbeamten halten – alle anderen „Dissidenten“ wurden entlassen, darunter 2016 BND-Chef Gerhard Schindler und 2018 der oberste Verfassungsschützer Hans-­Georg Maaßen. Mit beiden ist Romann seit Anfang der Neunziger befreundet. Sie stiegen im Innenministerium auf und kamen etwa zur gleichen Zeit in Spitzenpositionen. Doch über Romann hielt Merkel ihre schützende Hand. Lag es daran, dass sie sich – trotz unterschiedlicher Meinungen – seiner Loyalität sicher sein konnte? 

Mit der „Ampel“ ändern sich die Vorzeichen: Dienstherr ist nun nicht mehr Seehofer, mit dem CDU-Mitglied Romann gut konnte, sondern die Sozialdemokratin Nancy Faeser. In der SPD und bei den Grünen gibt es hörbare Stimmen für einen personellen Neuanfang. Für Romann sprechen seine unbestrittene Fachkenntnis und die Unterstützung seiner Beamten. Und im Frühjahr gehen seine zwei Stellvertreter in Pension. Eines ist klar: Der Bulle von Potsdam will weitermachen.

 

Dieser Text stammt aus der Januar-Ausgabe des Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.

 

 

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