Politiker und Corona - Kante im Haar, Nadel im Oberarm

Warum sind die Politiker hierzulande eigentlich trotz geschlossener Friseurläden anständig frisiert? Wenn sie sich in Sachen Körperpflege ein Sonderrecht herausnehmen, könnten sie sich auch impfen lassen. Das hätte zumindest Signalwirkung und würde die Impfbereitschaft erhöhen.

Die Impfung kann auch ein symbolischer Akt sein / dpa
Anzeige

Autoreninfo

Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

So erreichen Sie Christoph Schwennicke:

Anzeige

Meine Frau meinte neulich, sie fände es ganz schön, wenn Angela Merkel sich solidarisch zeigte. Wenn auch bei ihr und dem ganzen Kabinett die Frisuren rauswüchsen und sich andersfarbige Kanten an den Haaransätzen zeigten. Wenn sie sich also nicht alle auf wundersame Weise frisieren ließen wie sonst nur noch die Fußballer.

Da hat der Friseurverband schon einen bösen Brief an den DFB-Chef Fritz Keller geschrieben und gefragt, weshalb eigentlich alle Welt aussieht wie die Römer bei „Asterix der Gallier“ nach der Einnahme eines Haarwuchsmittel, das der Druide Miraculix ihnen als Zaubertrank angedreht hat, die Fußballer aber mit professionell geschnittenen und rasierten Schädeln auf dem Platz aufliefen. 

Doppelt falsch

Komisch, dass sich die Politiker und Politikerinnen in Sachen Beauty offensichtlich eine Extrawurst braten lassen, beim Impfen aber darauf verweisen, dass sie keine Sonderrechte wünschten und sich brav in die Reihe der Priorisierungen stellen. 

Das ist doppelt falsch: Bei den Corona-Frisuren nehmen sich Merkel und das Kabinett ein Sonderrecht heraus. Und sorgen für Unmut. Und beim Impfen, wo es hoch hilfreich wäre, die Impfbereitschaft durch ein gutes Beispiel zu erhöhen, da berufen sie sich auf Formalien. 

Die richtige Geste

Es besteht wahrscheinlich kein unmittelbarer Kausalzusammenhang, dass Israel ganz weit vorn ist beim Impfen (das halbe Land hat die Nadel schon im Oberarm gehabt) und dem Umstand, dass sich der Ministerpräsident und andere Politgrößen demonstrativ ganz zu Beginn haben impfen lassen. Israel hat im Gegensatz zur Europäischen Union und Deutschland einfach nicht so kläglich versagt beim Einkauf der Impfdosen. Und doch ist es eine richtige und hilfreiche Geste, die Benjamin Netanjahu da gezeigt hat: Seht her, ich lasse es bei mir machen, macht es bitte auch. 

Es war auch interessant zu sehen, dass in Russland Präsident Wladimir Putin mit dem Hinweis nicht durchkam, wenn schon nicht er, so habe sich doch seine Tochter impfen lassen. Er hat das nicht durchgehalten und doch angekündigt, zeitnah persönlich zu beweisen, dass er dem russischen Express-Impfstoff vertraut. 

Frau Merkel, lassen Sie sich piksen

Das britische Königshaus hatte sich erst vorgenommen, keine Angaben darüber zu machen, ob Ihre Majestät schon geimpft sei. Inzwischen hat Buckingham Palace verkündet: Die Queen hat es mit ihren 94 Jahren getan. Elisabeth II. ist geimpft und kann so noch zuversichtlicher ihrem dreistelligen Wiegenfest entgegenblicken. Auch Großbritannien, das nur nebenbei, gehört zu den Ländern, die Deutschland beim Impfen gerade zeigt, wie es geht. 

Deshalb, verehrte Frau Bundeskanzlerin, liebe Frau Merkel: Zeigen Sie gerne Kante am Haaransatz und lassen Sie sich vor Kameras in den Oberarm piksen. Niemand neidet Ihnen dieses Privileg und viele Zweifelnde werden sich danach einen Ruck geben. Die Beispiele der anderen Länder künden davon.

 
 

Anzeige