Frauke Petry und ihr Buch über die AfD - Die den Tiger reitet

Frauke Petry hat die AfD mit einem Buch „beerdigt“. Die Ex-Bundessprecherin der Partei stellt darin die These auf, der Flügel sei nur durch illegale Spenden so mächtig geworden. Belegen kann sie das zwar nicht. Aber weil Wahlkampf ist, findet sie trotzdem Gehör. Zum Beispiel bei „Frontal 21“.

Frauke Petry, Rückenansicht / dpa
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Autoreninfo

Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Neulich war sie zu Gast bei Kurt Krömer im rbb. Der Komiker ist dafür bekannt, dass er seine Gäste „grillt“, besonders Politiker. Seine Interviews sind ein Lichtblick, wenn ihm sein Gegenüber Kontra gibt. Und sie grenzen an Körperverletzung, wenn sich ein Gast einfach so abwatschen lässt. Der Auftritt von Frauke Petry gehört in die zweite Kategorie.

Viele hat das überrascht, um nicht zu sagen, verstört. Denn die ehemalige Bundessprecherin der AfD stand bislang in dem Ruf, sie sei schlagfertig, unerschrocken und eloquent. Jetzt erlebte man, wie sie ihren Rest Würde verspielte, weil sie den Angriffen ihres Gastgebers nichts entgegensetzen konnte. Ihr Leben sei wie die Titanic, feixte Krömer. Privatinsolvenz, mit der AfD gescheitert, mit der Blauen Partei gescheitert. Titanic? Das sei das Megaschiff, das untergehe. „Aber  in Ihrem Leben gibt es noch Teil II, IIl und IV.“

„Requiem für die AfD“

Was er mit Teil IV meinte, sagte Krömer nicht. Die Frage kann jetzt jeder selbst beantworten. Kleiner Tipp:  Es könnte sich um das Buch handeln, das Frauke Petry über die AfD geschrieben hat. Um dafür zu werben, war sie zu ihm in die Sendung gekommen. Es heißt „Requiem für die AfD“. Und schon der Titel ist eine Ohrfeige für die Partei. Die AfD ist zwar so zerstritten wie noch nie. Aber sie ist noch längst nicht tot. Und natürlich ist es kein Zufall, dass das Buch genau vor der Bundestagswahl und im Eigenverlag erschienen ist. Wenn es stimmt, was ihre Kritiker sagen, enthält es Lügen und Falsch-Informationen. Und das entbehrt nicht einer gewissen Brisanz. Schließlich geht es darin auch um ein Thema, das der AfD gerade um die Ohren fliegt: illegale Parteispenden.

Petry war gut beraten, ins Fernsehen zu gehen, bevor Krömer die Gelegenheit hatte, ihr Buch durchzulesen und sie auf Widersprüche und Ungereimtheiten anzusprechen. Das Werk erzählt davon, wie sie, die promovierte Chemikerin, 2013 innerhalb von kurzer Zeit zur Bundessprecherin der AfD aufstieg. Und man erfährt auch, warum sie ihr Amt 2017 plötzlich wieder niederlegte, einen Tag, nachdem die Partei bei der Wahl mit 12,6 Prozent in den Bundestag eingezogen war und sie ein Direktmandat gewonnen hatte.

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Petrys Sturz

Petry erlitt dasselbe Schicksal wie vor ihr Bernd Lucke, der die Partei mitgegründet hatte. 2015 hatte Petry ihn gestürzt. Während er, der Professor für Makroökonomie, sich auf die Kritik am Euro fokussiert hatte, hatte sich der Schwerpunkt längst auf die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung verschoben. Zwei Jahre später passierte ihr dasselbe wie ihm. Jetzt war sie es, die ihrem eigenen Sturz mit ihrem Austritt zuvorkam.

Als Opfer einer Intrige, so stellt sie sich in ihrem Buch selbst dar. Ihre Gegenspieler verortet sie im „Flügel“, jenem Kreis um den Thüringer Rechtsaußen Björn Höcke. Dieser Flügel, so die These ihres Buchs, habe die Bürgerlichen immer weiter an den Rand gedrängt und der Partei damit den Weg in eine Regierung versperrt.

Treffen mit Marine Le Pen

Als These für ein Buch ist das ein bisschen dünn. Dass der Flügel nicht auf dem Boden der Verfassung steht, ist längst aktenkundig.  Petry selbst hat dazu beigetragen, dass er sich radikalisiert hat. Hatte sie sich nicht zeitweilig mit Björn Höcke verbündet, bevor sie Verbündete suchte, um ihn aus der Partei zu werfen? Hatte sie sich nicht mit Marine Le Pen und Geert Wilders getroffen und in einem Interview mit dem Mannheimer Morgen einen „Schusswaffengebrauch bei illegalen Grenzübertritten“ in den Raum gestellt?  

Wer den Tiger reitet, kann schwer von ihm absteigen, heißt ein chinesisches Sprichwort. Und wenn doch, muss er damit rechnen, von ihm gefressen zu werden. Genau das ist Petry passiert. Selbst Schuld, könnte man achselzuckend sagen und zur Tagesordnung übergehen, wenn... ja, wenn da nicht die Sache mit den Spenden wäre.

Die Sache mit den Spenden

Soeben hat das Berliner Verwaltungsgericht die AfD zu einer Strafzahlung von 396.000 Euro verurteilt. Es ist der dreifache Satz einer Parteispende aus der Schweiz, die im Sommer 2017 auf dem Parteikonto für die AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel eingegangen waren – Verwendungszweck: „Wahlkampfspende Alice Weidel Social Media.“ Da nicht klar war, wer das Geld gespendet hatte, hätte die Partei die Spende unverzüglich dem Bundestag melden müssen. Die Partei überwies das Geld aber erst acht Monate später zurück – und auch nicht vollständig. 8.000 Euro hatte sie bereits für einen Medienanwalt ausgegeben.

In ihrem Buch behauptet Petry, nur mit Hilfe solcher externen Spenden hätte es der Flügel geschafft, seine Basis zu verbreitern und die Diskurshoheit in AfD zu gewinnen. Über Weidel schreibt sie, diese habe „ihre Oppositionshaltung zu Höcke im Frühjahr 2017 beendet“ und „ab Sommer 2017 Geld aus der Schweiz“ erhalten. Im Klartext: Sie habe sich vom Flügel kaufen lassen. Gegenüber Cicero hat Weidels Sprecher die Unterstellung als „völlig jenseitig“ zurückgewiesen. Petry wolle offenbar von eigenen Verfehlungen ablenken: „Vermutlich benötigt sie einen Anheizer, um ihr Büchlein zu bewerben.“

Der geheimnisvolle Herr aus Zürich

Aber woher kam das Geld? Acht der 14 Spender, deren Namen die AfD auf Nachfrage lieferte, behaupteten, sie hätten gar nicht gespendet. Tatsächlich, so steht es in einem Bescheid des Bundestags, stammt es von dem in der Schweiz lebenden Immobilien-Milliardär Henning Conle. Der geheimnisvolle „Herr aus Zürich“ taucht auch in Petrys Buch auf. Er habe sie im Oktober 2015 das erste Mal kontaktiert und die Partei dabei unterstützen wollen, „die Merkel-Politik zu beenden“. Im Dezember 2015 habe sie ihn in seiner Villa in Zürich wiedergetroffen, zusammen mit dem heutigen Parteisprecher Jörg Meuthen, schreibt sie. „Für mich brachte dieses Gespräch keine verwertbaren Ergebnisse, vielleicht war ich aber auch immun für die von Conle ausgehenden Signale, auf die Meuthen besser reagierte.“

Wahlplakate in Baden-Württemberg 

Was will sie dem von ihr selbst installierten Co-Sprecher damit unterstellen? Dass er sich habe von Conle kaufen lassen? Später im Buch wird sie deutlicher. Da schreibt sie, Meuthen habe sich von der Goal AG, einer Schweizer PR-Agentur, eine Homepage gestalten lassen. Der Agentur-Betreiber Alexander Segert steht im Verdacht, als Strohmann für Conle gearbeitet zu haben. Er hat Meuthen auch im Landtagswahlkampf in Baden-Württemberg 2016 mit Plakaten und Zeitungsanzeigen unterstützt. Kosten: knapp 90.000 Euro.

Meuthens Spenden-Affäre hat die AfD ein Bußgeld von 269.400 Euro gekostet. Cicero gegenüber sagte er, er habe sich nichts Böses dabei gedacht, als er gefragt wurde, ob ihn die Agentur in seinem Wahlkreis mit Plakaten und anderen Maßnahmen unterstützen dürfe. Er sei aus allen Wolken gefallen, als er Jahre später erfuhr, wieviel Geld die Aktion gekostet haben soll.

Petzy, das Power-Paar 

Die Partei habe zwar gegen den Bußgeldbescheid geklagt. Sie sei aber nicht in Berufung gegangen, weil die Verhandlung sonst genau in den Bundestagswahlkampf gefallen wäre. Die Vorwürfe von Petry seien „kompletter Unfug“. Die Homepage sei schon wenige Monate später wieder offline gegangen, weil sie kaum jemand angeklickt habe. Die Behauptung: „Meuthen bekam 2016 Geld aus der Schweiz und lief zum Höcke-Flügel über“ sei gleich „doppelt falsch“. Weder habe er Geld bekommen, noch sei er zum Höcke-Flügel übergelaufen.

Meuthen fragt, was sich viele in der AfD fragen: Warum kommt Petry ausgerechnet vor der Bundestagswahl mit solchen Vorwürfen heraus? Er hat dabei auch ihren Mann im Blick, Marcus Pretzell. Für den Anwalt und ehemaligen Fraktionschef der AfD in Nordrhein-Westfalen hatte Petry  ihren Mann, einen evangelischen Pastor, verlassen. 2016 posierten die beiden für die Bunte: Petry und Pretzell, oder „Petzy, das Power-Paar“, wie Die Zeit die beiden nannte. Politiker, mal ganz privat. So hatten sie sich das gedacht. Aber das Promiblatt spielte da nicht mit. „Wie gefährlich ist dieses Paar?“, titelte die Bunte stattdessen. Politisch spielen beide seit ihrem Austritt aus der AfD keine Rolle mehr.

Lucke sagt: „Absoluter Unfug“

Anruf bei Bernd Lucke. Auch ihm unterstellt Petry in ihrem Buch implizit, er habe sich den ersten AfD-Parteitag mit Spenden bezahlen lassen. Die PR-Frau Dagmar Metzger, 2013 noch Sprecherin der AfD, habe gute Kontakte zu dem Bankier August von Finck jun. gehabt. Dass Finck auch die AfD unterstützt habe, schreibt sie zwar nicht. Sie suggeriert es aber. Lucke spricht von „absolutem Unfug“. Gegenüber Cicero sagt er: „Die FDP hat über eine Million Euro legal von Finck erhalten. Wir waren eine frisch gegründete Partei praktisch ohne Geld. Wir hätten sehr gerne auch eine Großspende bekommen und wir hätten sie selbstverständlich ordnungsgemäß deklariert. Aber es gab leider nichts. Das weiß Frauke Petry sehr genau. Sie soll nicht so tun als wäre sie damals nicht im Bundesvorstand gewesen."

Welche Rolle spielt der Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit? 

Weidel. Meuthen. Lucke. Müssen die drei für den Rachefeldzug einer Frau herhalten, die sich in ihrem Buch selbst zur Retterin der AfD stilisiert, um sich von der eigenen Schuld zu entlasten? Oder ist doch etwas dran an der Behauptung, der Flügel sei nur deshalb so mächtig geworden, weil seine Mitglieder ihre Reichweiten bei Social Media mit Spenden erhöhen konnten? Und welche Rolle spielte dabei der „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten“, der, so hat es das Magazin „Frontal 21“ (ZDF) gerade berichtet, die AfD seit Frühjahr 2016 mit Zeitungen wie dem kostenlos verteilten „Deutschland-Kurier“ und Großplakaten „im Wert von mehreren hundert Millionen Euro“ unterstützte? Ob das Geld von Conle stammt, die Frage will der Verein nicht beantworten. Auch Conle selbst schweigt.

Gute PR für Petry, schlechte PR für die AfD 

Es ist Petry, die in ihrem Buch suggeriert hat, dass er es sei, der solche Kampagnen finanziert. Belege hat sie aber keine. Ihr einziges Indiz ist ein Satz, den Conle in einem Vier-Augen-Gespräch mit ihr im Oktober 2015 gesagt haben soll. Dass nämlich Angst die stärkste Triebkraft des Menschen sei. Angst war auch das zentrale Motiv von AfD-Wahlplakaten 2016. Aber reicht das, um der Partei indirekt zu unterstellen, sie habe am Tropf von Conle gehangen? „Frontal 21“ offenbar schon. Das Magazin hat ihre These aufgegriffen und die von ihr beschriebene Szene zwischen Petry und Conle mit Computer-Avataren so nachgestellt, als hätte sie tatsächlich so stattgefunden. Investigativer Journalismus auf wackeliger Basis, im Gewand eines Agenten-Thrillers. Gute PR für Petry, schlechte PR für die AfD. 

Dabei gibt es auch Zweifel an ihrer These, illegale Spenden hätten Höcke & Co. gepusht. Der Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder hat die Entwicklung der Partei seit ihrer Gründung 2013 verfolgt. Er sagt, Geld allein hätte nicht gereicht, um dem Flügel die Hoheit über den Diskurs in der Partei zu verschaffen. Ohne Geld wäre es jedoch auch nicht gegangen. Die Partei brauche eine Infrastruktur für ihre Kommunikation, und die koste viel Geld. „Aber das funktioniert nur, weil es eine Nachfrage nach einer Politik gibt, die sich in ihrem krawalligen Duktus von den etablierten Parteien unterscheidet.“

Täterin und Opfer zugleich 

Petry sei Täterin und Opfer zugleich. Täterin, weil sie die Radikalisierung der AfD vorangetrieben und, naiv, wie sie sei, sich dabei selbst komplett überschätzt habe. Opfer, weil sie zu spät erkannt habe, dass sie den Tiger nicht mehr bändigen konnte. Bleibt die Frage, wer besser ohne wen zurechtkommt: Petry ohne den Tiger oder der Tiger ohne Petry?

Bei Kurt Krömer hat sie gesagt, sie freue sich darauf,  nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag endlich mehr Zeit für ihre sechs Kinder zu haben. „Wissen Sie, wie schön es ist, nicht mehr in die Talkshows zu müssen?“

Ihre Stimme rutschte eine Oktave hoch. Es klang, als würde sie das selbst nicht glauben, was sie da gerade gesagt hat.

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