Paritätsgesetz in Brandenburg - Über das Recht, Rothaarige zu wählen

Brandenburg beschließt das Paritégesetz. Und der gesellschaftliche Aufschrei? Der bleibt aus. Dabei stellt das Gesetz einen massiven Eingriff in demokratische Grundrechte dar, einen Angriff auf zentrale Freiheitsrechte

Wird mit dem Paritégesetz im brandenburgischen Landtag alles besser? / picture alliance
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Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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„Freiheit“, heißt es bei Hegel, „ist die Einsicht in die Notwendigkeit“. Mit diesem hübschen Sinnspruch erweist sich der schwäbische Meisterdenker als ein sehr deutscher Philosoph. Denn mit der Freiheit hat man es hierzulande nicht all zu sehr. Allenfalls kann man sie sich als das Begreifen in das Unvermeidbare vorstellen. Dass Freiheit einfach Freiheit von jeder Art Zwang ist – auch von jedem gutgemeinten – übersteigt hingegen die Vorstellungskraft des durchschnittlichen Deutschländers bei weitem. Dieser Grundcharakterzug, falls es solche nationalen Charakterzüge überhaupt geben sollte, erklärt sehr viel über dieses seltsame Land zwischen Rhein und Oder.

Zum Beispiel, weshalb ein Landesparlament, hier das Brandenburgische, allen Ernstes ein Gesetz beschließt, das politischen Parteien vorschreibt, auf ihren Landeslisten abwechselnd Frauen und Männer aufzustellen.

In einem freiheitsliebenden Land mit freiheitsliebenden Bürgern müsste es nun eigentlichen einen Aufschrei geben. Denn das sogenannte Paritégesetz stellt einen massiven Eingriff in demokratische Grundrechte dar, einen Angriff auf zentrale Freiheitsrechte. Schließlich gehört die Autonomie der Parteien bei der Auswahl ihres Führungspersonals und ihrer Kandidaten zu Eckpfeilern des Parlamentarismus.

Das basisdemokratische Herzstück 

In einer Demokratie hat jeder Bürger das Recht, mit anderen Bürgern eine Partei zu gründen und demokratisch Kandidaten für Wahlen zu bestimmen. Ohne diese Freiheit wird parlamentarische Demokratie zur Makulatur. Dass eine Gruppe hochideologisierter Irrläufer sich anmaßt, dieses basisdemokratische Herzstück des Parlamentarismus zu nivellieren, ist in seiner totalitären Kaltschnäuzigen beeindruckend.

Aus gutem Grund kennt das deutsche Parteiengesetz daher keinerlei Eingriff in parteiinterne Auswahlverfahren und ist bewusst großzügig formuliert. So heißt es in § 17 des Bundeswahlgesetzes (BWG) lediglich: „Die Aufstellung von Bewerbern für Wahlen zu Volksvertretungen muss in geheimer Abstimmung erfolgen. Die Aufstellung regeln die Wahlgesetze und die Satzungen der Parteien.“

Die Formalien parteiinterner Wahlen bestimmt § 21 BWG. Und auch der beschränkt sich auf einige wenige Standards: Parteizugehörigkeit der Kandidaten, Definition von Mitgliederversammlung und Vertreterversammlung, geheime Wahl, Einspruchsrecht der Vorstände et cetera. Wer hingegen zu einem Kandidaten gewählt wird, ist Sache der Parteimitglieder. In Absatz 5 heißt es unmissverständlich: „Verfahren für die Wahl des Bewerbers regeln die Parteien durch ihre Satzungen“. Hintergrund ist der Art. 23 GG, der festlegt, dass die innere Ordnung der Parteien demokratischen Grundsätzen entsprechen muss – mehr nicht.

Kurz: Die allgemeinen Wahlrechtsgrundsätze – allgemein, frei, gleich – gelten auch für innerparteiliche Wahlen. Jedes Parteimitglied hat das Recht, sich zur Wahl zu stellen. Und die Parteimitglieder haben das Recht, zu wählen, wen immer sie wollen: Frauen, Männer, Rothaarige. Listenquotierung, wie sie der Brandenburger Landtag beschlossen hat, verletzten das passive und aktive Wahlrecht des Bürgers. Das ist keine Petitesse.

Einsicht in die Notwendigkeit

Das Recht, sich in Parteien zu organisieren, zu wählen und sich wählen zu lassen gehört zu den vornehmsten Freiheitsrechten eines demokratischen Staates. Ob die Wahl der Kandidaten einer Partei richtig, klug und angemessen war, hat allein der Bürger an der Wahlurne zu entscheiden, nicht der Gesetzgeber. 

Doch wie gesagt: In Deutschland hat man traditionell ein gespaltenes Verhältnis zur Freiheit. Freiheit regelt man hierzulande lieber und hofft auf die Einsicht in die Notwendigkeit. In die Notwendigkeit etwa, einer höheren Gerechtigkeit Vorschub zu leisten, die man dann – ebenfalls eine deutsche Unsitte – mit Gleichheit verwechselt.

Doch Freiheit ist das zentralste Individualrecht. Es steht noch weit über der Gerechtigkeit und über der Gleichheit ohnehin. Aber das wird die politische Linke nie verstehen. Im Kern ist es das alte Problem: Seit ihrem Auftreten in der Weltgeschichte unterliegt die Linke dem grotesken Irrtum, demokratische Reife bemesse sich an der Zustimmung zu ihrem Gedankengut und wer nicht links sei, der müsse entsprechend erzogen werden – und sei’s mit undemokratischen Mitteln. Das Paritégesetz ist das jüngste Zeugnis dieses Denkfehlers. Karlsruhe hilf!

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