Schwarze Null - Der Eulenhals des Olaf Scholz

In der SPD hat nicht nur Kevin Kühnert, sondern auch der Bundesfinanzminister Olaf Scholz eine ganz besondere Eigenschaft: 180-Grad-Wenden als geradlinige Politik zu verkaufen. Doch Angela Merkel wird von der Schwarzen Null nicht lassen

Null Verhandlungsspielraum bei der Schuldenbremse / picture alliance
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Eulen sind faszinierende Vögel und einzigartige Wendehälse des Tierreichs. 14 filigrane Halswirbel machen es dem lautlosen Nachtjäger möglich, den Hals ohne Probleme bis zu 270 Grad zu drehen, ohne sich dabei selbst zu erwürgen.

Dem Menschen ist diese motorische Gabe nicht gegeben. Olaf Scholz, Bundesfinanzminister und gescheiterter Bewerber um den SPD-Vorsitz, versucht sich dennoch als Eule. Bisher ein knallharter Vertreter der so genannten Schwarzen Null, also Sachwalter des Merkelschen Diktums von der Schwäbischen Hausfrau hat er nun in einem Interview mit der Zeit wissen lassen, dass ihm folgender Satz aus einem Beschluss des jüngsten SPD-Parteitages (bei dem nicht er, sondern andere die Macht in der SPD übernommen haben) sehr gut gefalle: Danach dürften stetige öffentliche Investitionen „nicht an dogmatischen Positionen wie Schäubles schwarzer Null scheitern.“

Das habe ich immer gesagt

Scholz sagt dazu, als hätte er nie was anderes gesagt und nie anders gehandelt: „Seit ich Bundesfinanzminister bin, habe ich unsere Investitionen nicht nur deutlich erhöht, sondern diesen Pfad auch verstetigt. Wir sind auf dem richtigen Weg. Und ich habe immer gesagt, dass wir in einer konjunkturellen Krise alle Feuerkraft, die wir haben, gegen die Krise in Feld schicken werden.“

Darauf die Frage der Kollegen, ob er im Zweifel dafür bereit wäre, die schwarze Null zu kippen: „Investitionen in die Infrastruktur und damit in die Zukunft unseres Landes sind auch dann nötig, wenn die Steuereinnahmen sinken. Das habe ich immer gesagt Es wäre falsch, in eine Wirtschaftskrise die Investitionen zurückzufahren. Genau das ist in der Vergangenheit passiert. Das wird es mit mir nicht geben.“

Zweimal die Formulierung: Das habe ich immer gesagt. In der Politik ein sicherer Hinweis darauf, dass das Gegenteil der Fall ist. Olaf Scholz hat sich für die vorläufige Rettung seines Ministerpostens dem Kurs der neuen Parteispitze gefügt und eine Kehrtwende in diesem Punkt hingelegt, die ihresgleichen sucht und allenfalls findet in der Geschmeidigkeit, mit der sich Kevin Kühnert von seinem Credo des sofortigen Groko-Endes verabschiedet hat. In der SPD laufen gerade einige mit verschraubten Hälsen durch die Gegend. Die größten Wendehälse aber heißen Kühnert und Scholz. Gewendet in die jeweils andere Richtung.

Angela Merkel wird halsstarrig bleiben

Unabhängig, wie man in der Sache zur schwarzen Null steht: An diesem Thema werden sich die Sozialdemokraten die Zähne bei Angela Merkel ausbeißen. Sie arbeitet an ihrem Eintrag ins Geschichtsbuch. Und da soll neben ihrem streitbaren europäischen Solo in der Flüchtlingskrise die schwarze Null als die Entscheidung stehen, mit der sie sich um Deutschland verdient gemacht hat.

Für eine in Ruhe zu Ende gesegelte Kanzlerschaft wird Merkel der SPD viele Konzessionen machen: Mindestlohn rauf, Klimapaket verschärfen – über alles wird man mit ihr reden können. Über die Schwarze Null nicht. Es gibt eine Eigenschaft, die bei dieser Kanzlerin die hervorstechendste ist: Sie revidiert Dinge auch dann nicht, wenn sie sich als Riesenfehler erwiesen haben im weiteren Verlauf. Da ist sie stur bis zur Halsstarrigkeit. Die Schwarze Null ist ihr Vermächtnis. Ließe sie sich diese grundstürzende Kehrtwende in der deutschen Haushaltspolitik wegnehmen, bliebe ihr als Eintrag ins Geschichtsbuch nur die Flüchtlingspolitik. Und ob sie sich damit ums Land verdient gemacht hat, darf mit allem Fug und jedem Recht bezweifelt werden.

Scholz, der Mann mit dem Eulenhals, unternimmt daher mit seinem grundlegenden Move nicht nur einen Rettungsversuch in eigener Sache zum Wohlgefallen seiner neuen Parteiobrigkeit. Er markiert mit seiner Abkehr von der Schwarzen Null auch die Stelle der Koalition, an der das Bündnis brechen kann. Dann, wenn die Konjunktur wirklich einbricht und sich die Frage nach Investitionen auf Pump im Unterschied zu jetzt real stellt.

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