Solidaritätsadresse für Nemi El-Hassan - Helfer, die schaden

Hunderte Unterzeichner aus Kultur und Medien fordern den WDR auf, die umstrittene Journalistin Nemi El-Hassan als Moderatorin zu beschäftigen. Viele von ihnen fielen durch einseitige Anti-Israel-Äußerungen auf. Ihr pauschales Abstempeln jeglicher Kritik als „denunziatorisch“ und „rassistisch“ schadet El-Hassan mehr, als es ihr nutzt.

Unter Islamismus-Verdacht: Nemi El-Hassan / WDR
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Autoreninfo

Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Es kommt nicht oft vor, dass der WDR eine Welle der Solidarität erfährt. Europas größter TV- und Radiosender ist der Lieblingsfeind der Gegner des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks. Sie lassen keine Gelegenheit aus, um ihm Linkslastigkeit, Verschwendung von Gebührengeldern und eine überbordende Bürokratie vorzuwerfen. Umso überraschter dürfte WDR-Intendant Tom Buhrow gewesen sein, als er am Montag den offenen Brief las, den 385 Journalisten, Schriftsteller, Wissenschaftler und Künstler im Internet veröffentlichten. Es war eine Solidaritätsadresse an Nemi El-Hassan

Jene deutsch-palästinensische Journalistin, die eigentlich zum Oktober die Moderation des WDR-Wissenschaftsmagazin „Quarks“ übernehmen sollte. Der WDR hatte diese Personalie jedoch nach massiven Antisemitismus-Vorwürfen vorläufig auf Eis gelegt. Zu unrecht, rügten die Unterzeichner des Briefes – darunter viele Vertreter des linken Twitter-Flügels wie die Publizistin Caroline Emcke oder der Pianist Igor Levit. Von einer rechten Hetz- und Hass-Kampagne von Bild und der AfD gegen El-Hassan war darin die Rede. Die Unterzeichner appellierten an den WDR, „die Entscheidung über die Moderation der Sendung ,Quarks‘ auf Basis ihrer Qualifikationen und ihrer heutigen Position zu treffen“ und die Zusammenarbeit mit ihr wieder aufzunehmen.  

Sorge um die Debattenkultur 

Von „rassistischen Untertönen“ war die Rede und von einem Islamismus-Vorwurf, der an den Haaren herbeigezogen worden sei – oder genauer gesagt am Kopftuch, das El-Hassan aber schon 2019 abgelegt hat. Begründet wurde die Forderung nach ihrer Wiedereinstellung mit dem Hinweis auf die „Debattenkultur“. Die, so heißt es in dem Brief, gerate unweigerlich in Gefahr, wenn kein Platz mehr sei für das Eingeständnis von Fehlern, aus denen man gelernt habe. 

Nemi El-Hassan, das Opfer einer rechten Diffamierungskampagne? Dieses Narrativ enthält gleich zwei Totschlag-Argumente, die genau den Tatbestand erfüllen, den sie kritisieren.

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1.) Der Feind steht rechts, es sind die Bild und die AfD. Beide hatten der Journalistin Antisemitismus vorgeworfen und die Frage aufgeworfen, ob jemand, der am al-Quds-Tag mit militanten Israel-Hassern auf die Straße geht und eine vom Verfassungsschutz beobachtete Moschee besucht, ein renommiertes Wissenschaftsmagazin moderieren sollte. 2.) Eine Debatte lebt von Pro und Contra. Wenn die Unterzeichner aber pauschal alle Argumente als „diffamierend“ und „denunziatorisch“ darstellen, die nicht ins eigene Weltbild passen, wie glaubwürdig ist dann ihre angebliche Sorge um die Debattenkultur? 

Protest-Aktion mit Geschmäckle 

Es hat eine ganze Reihe von Twitter-Threads und von differenzierten Berichten zu dem Thema gegeben, die nicht „jegliches Maß und Mitte“ verloren und die auch nicht „Hass und Hetze“ verbreitet haben, wie die Unterzeichner behaupten. Diese unterschlagen die Unterzeichner jedoch. Ihnen geht nicht darum, eine Kontroverse zu entfachen. Sie wollen die Kontroverse im Keim ersticken. Dass unter ihnen ausgerechnet Leute wie Aleida Assmann, Susan Neiman und Malcolm Ohanwe sind, die offen mit der anti-israelischen Initiative „Boycott, Divestment, Sanctions“ (BDS) sympathisieren, verleiht der Protest-Aktion ein Geschmäckle. 

„Die Solidaritätsaktion für #NemiElHassan bestätigt, dass wir mit unserer Kritik an ihrer Person und dem WDR richtig liegen“, twitterte Seyran Ates, eine der bekanntesten Vertreterinnen der Initiative Säkularer Islam. „Statt Aufklärung und Reue erleben wir, dass jegliche Kritik ganz primitiv als rechts und rassistisch abgetan wird. Alles sehr durchsichtig.“ 

Das Rechts-Links-Muster 

Tatsächlich folgt die Kontroverse um Nemi El-Hassan einem bekannten Muster: Erst werden Islamismus-affine Muslime öffentlich kritisiert, dann wird die Kritik von rechts vereinnahmt – und zack, formiert sich linker Protest gegen einen „Rassismus“, der angeblich anti-muslimisch motiviert ist. 

Die Solidaritätsadresse verrät also mehr über das Weltbild der Unterzeichner als über Nemi El-Hassan. Wenn man böse wäre, könnte man sagen: Sie instrumentalisieren die Personalie, um ihren eigenen Antisemitismus zu legitimieren und ein Exempel an Bild und der AfD zu statuieren. Damit ist aber weder der Debattenkultur noch der jungen Journalistin geholfen. Im Gegenteil: Auch ihr Fall gerät jetzt ins Zwielicht. 

Schon früh politisiert 

Zwar hat sich El-Hassan in einem Interview mit dem Spiegel für die Teilnahme an der Demonstration entschuldigt. Sie sagt, sie wäre damals erst 19 gewesen. Von den militanten Zielen der Veranstalter habe sie nichts gewusst. Doch vor einer kritischen Reflexion der eigenen Vergangenheit hat sie sich gedrückt. 

Dabei ist es genau das, was jetzt dringend erforderlich ist. Eine offene Debatte darüber, wo die Grenze verschwimmt zwischen Israel-Kritik und Antisemitismus, zwischen Islam und Islamismus. Die Welt am Sonntag hatte aufgedeckt, dass sich El-Hassan bis heute nicht aus diesem extremistischen Milieu gelöst hat, in das sie, die im brandenburgischen Bad Saarow als Tochter geflüchteter Palästinenser aufwuchs, mit 15 gerutscht sein will, weil ihr Status sie schon früh politisiert habe. „Wenn man Residenzpflicht auferlegt bekommt und den Landkreis nicht verlassen darf, dann ist das eigene Leben politisch.“ 

Kontakte zur islamistischen Szene  

Der von ihr mitgegründete Poetry-Slam-Verein I-Slammer, der die vom Jugendkanal von ARD und ZDF „Funk“ geförderte Satire-Sendung „Datteltäter“ zeigt, hat unter anderem Geld für „Islamic Relief“ gesammelt, einen Verein, der als Hauptsponsor der Deutschen Muslimischen Gesellschaft gilt, der laut dem Verfassungsschutz wichtigsten Organisation von Anhängern der islamistischen Muslimbrüderschaft. 

Man kann daraus noch nicht schließen, dass El-Hassan eine glühende Antisemitin ist. Es ist auch kein Grund, ihr ihre Entschuldigung nicht abzunehmen. Aber Zweifel an ihrer Eignung als Moderatorin muss sie jetzt schon selbst zerstreuen. Statt ihren Twitter-Account zu schließen, sollte sie die Karten auf den Tisch legen und über ihr politisches Engagement sprechen. Sympathisanten, die sie pauschal von jedem Verdacht freisprechen, helfen ihr dabei nicht. 

Sie bestärken eher ihre Kritiker in dem Verdacht, sie habe etwas zu verbergen.

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