Follow the Science! - Von Narrativen, der Wahrheit und dem Recht (Teil 2)

Kaum jemand bemerkt, wie sich während der Corona-Pandemie eine schleichende soziale Konditionierung auf unbedingten Gehorsam vollzieht. Das Credo lautet: „Machen Sie, was man Ihnen sagt! Die Wissenschaft verlangt es!“ Für die einen ist das verantwortungsvolle Politik – für die anderen Wahnsinn. Es ist an der Zeit, die Narrative der Angst beiseite zu schieben und unsere freiheitliche Grundordnung wieder in den Vordergrund zu stellen.

Wollen wir, dass der Ausnahmezustand zur Normalität wird? / dpa
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Autoreninfo

Jörg Benedict ist Inhaber des Lehrstuhls für Deutsches und Europäisches Privatrecht, Rechtsgeschichte und Rechtsphilosophie an der Universität Rostock.

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In seinem Gastbeitrag „Von Narrativen, der Wahrheit und dem Recht“ fragte der Rechtswissenschaftler Jörg Benedict Mitte Februar, was denn eigentlich die Rechtsgrundlagen für 2G- und 3G-Regelungen sowie berufsspezifische und allgemeine Impfpflichten seien, und kam zu dem Fazit: Die Maßnahmen sind verfassungswidrig. Hier lesen Sie die Fortsetzung dieses Beitrags. 

„Problem“ und „Tatsache“ heißen die beiden Pole, zwischen denen sich unser Denken der komplexen Realität zu nähern sucht. Was wir noch nicht als Tatsache empfinden, das nennen wir ein Problem, und was wir nicht mehr als Problem wahrnehmen (wollen), bezeichnen wir als Tatsache. Auch der gegenwärtige innenpolitische und rechtliche Diskurs ist bestrebt, ein hoch komplexes Problem, das nur unscharf mit dem Begriff „Corona-Pandemie“ umrissen ist, endlich auf eine einfache Tatsache zu reduzieren. Und diese Tatsache heißt: „Impfen!“ Oder eben normativ und juristisch gewendet: „Impfpflicht!“

Der vormalige Regierungssprecher Steffen Seibert hatte in der Bundespressekonferenz (BPK) am 3. November 2021 gar von einer „Grundwahrheit ... in der ganzen Sache“ gesprochen, an die er noch einmal erinnern wolle: „dass nämlich, wenn sich mehr Menschen impfen ließen, nur ein Bruchteil der Intensivbetten derzeit mit Corona-Patienten belegt wäre. Das Impfen ist sicher; es ist wirksam; es ist milliardenfach praktiziert … Ich finde, dass man sich an diese Grundwahrheit noch einmal erinnern muss.“

Vewirrende Fragestellungen, unanfechtbare Grundwahrheiten

Mehr geht nicht, und hier zeigt sich die ganz eigene Exzellenz eines herausragenden Regierungssprechers: Verwirrende soziale, medizinische, ethische, ökonomische und juristische Fragestellungen werden auf eine unanfechtbare simple „Grundwahrheit“ reduziert. In anderen Kontexten bezeichnet man die öffentliche Verkündung von nicht mehr weiter zu erörternden Tatsachen auch als „Dogma“. Und jedes Dogma wird durch eine mehr oder weniger große und konsistente Erzählung gestützt: Das Narrativ.

Nennen wir also die eine „Grundwahrheit“, dass nur die „Impfung“ aus der „Pandemie“ heraushelfe, 1. das „Impfdogma“ und die dazu gehörige Erzählung: das „Impfnarrativ“. Und nennen wir die damit verknüpften weiteren „Grundwahrheiten“, dass nämlich die „Impfstoffe“ sicher und wirksam („save and highly efficient“) seien, 2. das „Wirksamkeits-Dogma“ (nebst „Wirksamkeits-Narrativ“) und 3. das „Unbedenklichkeits-Dogma“ (nebst „Unbedenklichkeits-Narativ“). Diese Unterscheidung ist wichtig; denn lange bevor Fragen der „Wirksamkeit“ und „Unbedenklichkeit“ Gegenstand realer empirischer Betrachtung geworden sind, war das „Impfnarrativ“ bereits fest in den Köpfen nicht nur der Pandemie-Bekämpfer, sondern im allgemeinen kollektiven Bewusstsein verankert.

Das „Impfdogma“ hatte gut ein Jahr Vorlauf, bevor die praktischen Resultate überhaupt zu ernsteren Zweifeln Anlass geben konnten. „Wir wissen nicht genau, wie die wirken, wie gut die wirken, was die bewirken, aber ich bin sehr optimistisch, dass es Impfstoffe gibt“, fasste Lothar Wieler die Erlösungs-Hoffnung im Oktober 2020 in einem Satz zusammen. Ein Satz, der in gewisser Hinsicht bis heute gilt.

Der 12. April 2020: Ein denkwürdiges Osterereignis

Das Impfnarrativ wurde – Zufall oder eben auch nicht – am Ostersonntag 2020, quasi als neue Heilsbotschaft ex cathedra in den Tagesthemen verkündet. Seit drei Wochen befand sich Deutschland in seinem ersten Lockdown. Eine Grenzerfahrung. Angst und Verunsicherung in der Gesellschaft waren an leeren Gesichtern, leeren Straßen und geschlossenen Einrichtungen abzulesen. „Fürchtet euch nicht!“, lautet das Narrativ des christlichen Evangeliums.

Doch während das erste Mal seit Christengedenken die Kirchen zum österlichen Hochfest geschlossen blieben, unterhielten sich Ingo Zamperoni und Bill Gates in Wohnzimmer-Atmosphäre ausführlich über das Herzensthema des Philanthropen, seine langjährigen Warnungen vor bevorstehenden Pandemien, dass nur die Impfung die Lösung sei, es hierfür (Entwicklung, Produktion, Vertrieb) einer globalen Anstrengung bedürfe, und dass der zu entwickelnde Impfstoff „letztendlich sieben Milliarden Menschen“ zu „verabreichen“ sei.
 

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In der Tat hielt der Microsoft-Gründer, der sich seit Jahren mittels der „Bill & Melinda Gates Stiftung“ für den Gesundheitsschutz (vorzugsweise durch Impfungen in Ländern der dritten Welt), die Finanzierung der WHO, der Johns-Hopkins-Universität und zahlreicher anderer Wissenschaftseinrichtungen (darunter auch der Berliner Charité und des RKI) sowie unzähliger Forschungs- und Medienprojekte für den medizinischen Fortschritt in der ganzen Welt engagiert, eine kleine Ostersonntags-Ansprache an die staunende deutschsprachige „Tagesthemen“-Gemeinde: Die Welt werde nach der Pandemie eine andere sein; denn man werde sich nach diesem „dramatischen Umbruch“ besser auf die nächsten Pandemien vorbereiten. Seine Warnungen seien nun endlich angekommen: „Schnelle Diagnosen, Impfstoffe, Medikamente, wir werden beim nächsten Mal besser vorbereitet sein. Und die Plattformen, die das möglich machen, werden auch für bereits bestehende Krankheiten nützlich sein. Wir sind auf der Suche nach RNA-Impfstoffen für alle ansteckenden Krankheiten.“

Mancher rieb sich die Augen: Man war mitten in einer pandemischen Apokalypse und die frohe Botschaft lautete: „Nach der Pandemie ist bereits vor der nächsten Pandemie.“ Aber wir haben gelernt: Das Heilsgeschehen kommt mit den RNA-Impfstoffen in die Welt. Nur diese bringen die Erlösung! Ikonenhaft hat das dann etwa der Stern in der Weihnachtsausgabe vom 23.12.2020 zum Beginn der Impfkampagne auf seinem Front-Cover abgebildet: Die heiligen drei Könige überbringen dem Christus-Kind eine mRNA-Covid-19-Impfdosis von Pfizer-BioNTech. Salvator mundi ist nicht mehr länger der Sohn Gottes, sondern die Wissenschaft. „Gott ist tot“, wusste schon Friedrich Nietzsche. Das neue Credo lautet: Follow the Science!

Nach der Pandemie ist vor der Pandemie

Nahezu genau zwei Jahre nach jener denkwürdigen Osteransprache – sei es Zufall oder eben auch nicht – hat immerhin die (deutsche) Wissenschaft in Gestalt des „ExpertInnenrates der Bundesregierung zu Covid-19“ in ihrer 8. Stellungnahme (vom 8. März 2022) zur Vorbereitung auf die anstehenden Sitzungen des Bundestages und zur Einführung einer „allgemeinen Impfpflicht“ klargestellt, dass die Lehren des neuen Oster-Narrativs verinnerlicht wurden. Verkündet wird die „Notwendigkeit kurzer Reaktionszeiten zur Bekämpfung infektiöser Gefahren“. Der Rat plädiert mit nur einer Gegenstimme „mit Nachdruck für gesetzliche Rahmenbedingungen, die ad hoc verfügbare Instrumente des Infektions- und Bevölkerungsschutzes bereitstellen und somit eine unverzügliche Anpassung von Infektionsschutzmaßnahmen ermöglichen“.

Da in der ganzen Stellungnahme nur von der Impfung als „entscheidendem Instrument der Pandemiebekämpfung“ die Rede ist und die aktuelle „Hoffnung auf eine Abmilderung der gesellschaftlichen Auswirkungen der Pandemie“ nicht auf eine „im Durchschnitt verminderte Krankheitsschwere der Omikron-Variante“, sondern „in erster Linie auf die Schutzwirkung der Impfung gegen schwere Krankheitsverläufe zurückzuführen“ sei, ist unzweifelhaft, worauf sich das Experten-Gremium bezieht: Das Impfdogma muss nun endlich in einer gesetzlich geregelten „allgemeinen Impfpflicht“ juristisch verbindlich Form finden. Denn nach der Pandemie ist vor der Pandemie.

Follow the Science!

Am 16. März 2020 veröffentlichte Neil Ferguson vom Londoner Imperial College eine große „wissenschaftliche Studie“, die prognostizierte, dass sich sieben Milliarden Menschen infizieren und mehr als 40 Millionen sterben werden. Die Empfehlungen dieser Studie waren eindeutig: konsequenter Lockdown für 18 Monate, bis endlich die Impfung da ist: Die Impfung sei der einzige Weg aus der Pandemie. Ferguson, der – sei es Zufall oder auch nicht – zu den bevorzugten Destinatären von Millionen-Beträgen der „Bill & Mellinda Gates Stiftung“ gehört, war Leiter des Imperial College Covid-19 Response Teams und Berater der britischen Regierung.

Bisher ging Boris Johnson mit seinem Beraterstab von einem natürlichen Infektionsgeschehen mit baldiger Herdenimmunität aus. Nachdem aber Ferguson seine Modellierungen mit exponentiellem Ansteckungsgeschehen (R-Wert >4) und daraus folgend ein völlig überlastetes Gesundheitssystem und 500.000 Tote für das Vereinigte Königreich dem Premierminister vorgestellt hatte, änderte sich die englische Covid-Politik grundlegend. Am 23. März wurde in Großbritannien der erste Lockdown mit Ausgangssperre nach dem Vorbild im chinesischen Wuhan nun auch in Europa verhängt.

Impfen, Impfen, Impfen!

Nie zuvor war Wissenschaft politisch so relevant wie in der Corona-Pandemie. Die Prognosen von Ferguson haben sich zwar – wie viele andere Prognosen auch – als vollkommen falsch herausgestellt. Aber der Lockdown war nun ebenso in der „freien Welt“ angekommen, wie auch das klärende Narrativ: dass tatsächlich nur die strengen Maßnahmen Leben retten würden. Ferguson musste im Mai als Berater zurücktreten, weil er sich selbst nicht an die von ihm empfohlene Ausgangssperre gehalten hatte. Aber der pandemische Imperativ des Impf-Narrativs hatte seine wissenschaftlichen Weihen empfangen und die Politik der vergangenen zwei Jahre unbeirrbar bestimmt: Erst alternativloser Lockdown! Und dann: Impfen, Impfen, Impfen!

In der Corona-Pandemie hat sich das erste Mal, wie durch ein Brennglas gezeigt, dass offenbar nicht die Parlamente den Kurs der Gesetzgebung bestimmen, sondern die Exekutive. Doch auch die Exekutive wird getrieben durch einen öffentlichen Diskurs, der nicht ausschließlich in ihrer Hand zu liegen scheint. Im Vordergrund stehen seit nunmehr zwei Jahren die sogenannten. „Gesundheitsexperten“, die Epidemiologen und „Top-Virologen“, die nicht nur den öffentlichen Diskurs bestimmen, sondern auch der Politik vorgeben, welcher Kurs einzuschlagen ist, und das ist, in der Tradition, die „Professor Lockdown“ (wie Neil Ferguson seit März 2020 auch genannt wurde), im Zweifel immer der härteste. Nicht mehr das Grundgesetz, sondern das von „Experten“ modellierte Worst-Case-Szenario ist seither die normative Basis für alle Corona-Maßnahmen.

Die unerträgliche Trivialität des pandemischen Imperativs

Nun muss man freilich nicht Virologie oder Epidemiologie studiert haben, um die normativen Vorgaben, die aus der Betrachtung eines Infektionsgeschehens folgen, zu verstehen: Übertragungsketten müssen unterbunden werden, und daraus folgt die Logik des Lockdowns ebenso wie das triviale AHA („Abstand, Händewaschen, Alltagsmaske“) für den verständigen und folgsamen Bürger, der diese Regeln „einfach mal so tun“ und „niemals hinterfragen“ soll, wie die Autorität des RKI Lothar Wiehler der eingeschüchterten deutschen Öffentlichkeit nachdrücklich und wiederholt mit auf den Weg gegeben hat.

Die einmal implementierte Plausibilität dieser sozialen Distanzierung setzt sich dann fort: über Isolations- und Quarantäne-Maßnahmen, Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen, strenge (FFP2-)Maskenpflicht, strenge Test-Regime bis hin zum Impfdogma, dass tatsächlich nur die Impfung die Pandemie beenden könne und die sogenannten „Ungeimpften“ als „Sozialschädlinge“, „Tyrannen“ und „Treiber der Pandemie“ zu ächten, zu meiden und im Zweifel eben auch zu zwingen seien.

Wir nehmen es seit zwei Jahren fast als selbstverständlich hin, dass „Experten“ über ihre originär beratende Funktion hinaus gehen und zu immer selbstbewusster auftretenden Normgebern werden, die bestimmen, was unbedingt und alternativlos getan werden müsse. Kaum jemand bemerkt, wie sich eine schleichende soziale Konditionierung auf unbedingten Gehorsam auch im letzten Zentimeter des als privat geglaubten Freiheitsbereichs und die individuelle Gesundheitsfürsorge vollzieht, weil in der Pandemie nichts mehr privat, sondern alles in Bezug zur allgemeinen Gesundheitsfürsorge und mithin auf „öffentlich“ gestellt wird. Individuelle Freiheit ist Egoismus und nur der strikte kollektive Vollzug der wissenschaftlich erwiesenen Regeln ein Akt der ethisch alternativlos eingeforderten „Solidarität“.

Die Wissenschaft verlangt es!

Der seit zwei Jahren auf Gehorsam eingeübte mentale Reset in den Köpfen der Rechtsunterworfenen hat nachhaltige und vermutlich nur noch schwer wieder korrigierbare Spuren im normativen Denken hinterlassen: Masken helfen? Nicht fragen, sondern vorschriftsmäßig tragen! Auch im Freien? Nicht fragen, tragen! Den ganzen Tag für Kinder in der Schule? Nicht fragen, tragen! Isolation von vereinsamten alten Menschen in Heimen? Nur zu ihrem Besten! Keine Umarmung, keine Nähe selbst bei Sterbenden? Infektionsketten müssen unbedingt unterbrochen werden! Kinder dürfen nicht auf den Spielplatz? Nein! Kinder dürfen nur noch einen Freund treffen? Wenn überhaupt! Die Polizei darf kontrollieren, ob vielleicht ein Freund zu viel beim Kindergeburtstag ist? Die Nachbarn haben das angezeigt! Wir dürfen zu Weihnachten nicht singen? Nein, auf keinen Fall! Gottesdienste zu Ostern oder Weihnachten? Superspreader! Demonstrationen verboten? Superspreader!

Warum gehen die Inzidenzen trotz der strengen Maßnahmen nicht runter? Weil sich zu viele Querdenker nicht daran halten; wir brauchen strengere Kontrollen und Maßnahmen! Wann endet das? Wenn allen ein Impfangebot gemacht wurde! Die Inzidenzen steigen trotzdem? Die Ungeimpften sind schuld! Aber über 80 Prozent der Erwachsenen sind geimpft? Lassen Sie sich „boostern“! Die Inzidenzen sind schlimmer als vor einem Jahr? Wir müssen alle Impflücken schließen!

Auch die Geimpften erkranken schwer? Die Impfstoffe sind „highly effective“! Es gibt mehr schwere Impfnebenwirkungen als bei allen anderen Impfstoffen der letzten 20 Jahre zusammen? Es wird jetzt auch mehr geimpft als in den letzten 20 Jahren zusammen! Aber die Impfstoffe sind neu und nur bedingt zugelassen? Es gibt keine Langzeitfolgen, das ist Fortschritt durch Wissenschaft! Ohne Lockdown und die Segnungen der Impfung wäre alles eine viel schlimmere Katastrophe! Sie lesen die falschen Nachrichten! Hören Sie nicht auf Schwurbler und Fake News! Machen Sie weiter, tun Sie, was man Ihnen sagt! Die Wissenschaft verlangt es!

Wissenschaft löst Kirche als Autorität ab

Bereits in den 1930er-Jahren ging der amerikanische Psychologe Jerome D. Frank der Frage nach, wovon die Gehorsamsbereitschaft in einer zufällig ausgewählten Versuchsgruppe mehr abhänge, von Gewalt und Zwang oder von dem Hinweis auf unzweifelhafte wissenschaftliche Erkenntnisse. Zu diesem Zweck verlangte er von seinen Testpersonen zwölf ungesalzene und wenig schmackhafte Kekse zu essen. Während nun in der einen Gruppe die Aufforderung, die Kekse zu essen, mit der Aussage verbunden war, dass es die Wissenschaft so fordere, wurde in einer zweiten Gruppe das Essen der Kekse auf andere Weise, durch Überredung und Zwang, herbeizuführen gesucht.

Das Ergebnis dieses Experiments war eindeutig: Während die erste Gruppe alle zwölf Kekse ohne offene Ablehnung gegessen hatte, kam es in der zweiten Gruppe zur Auflehnung und verschiedenen Formen des Widerstandes gegen die Bestrebungen des Experimentleiters, die Teilnehmer zum Essen der Kekse mit Zwang zu nötigen. Das Cracker-Experiment von Dr. Frank bestätigte, was in der Sozialpsychologie seither als gesichertes Wissen gelten kann: Die Steuerung des Verhaltens von Menschen basiert auf Autoritäten, und diese Autoritäten sind in einer säkularisierten Gesellschaft nicht mehr die Kirchen, sondern: die Wissenschaft.

Sie müssen unbedingt weitermachen!

1961 fragte sich der in Yale lehrende Stanley Milgram, ob Menschen im Namen der Wissenschaft nicht nur bereit sind, unappetitliche Dinge (wie im Cracker-Experiment) für sich selbst zu dulden, sondern ob sie darüber hinaus auch bereit wären, anderen Menschen Schaden zuzufügen. Das den Probanden mitgeteilte vordergründige Ziel des nach ihm benannten Milgram-Experimentes galt der Erforschung des Zusammenhangs von Lernerfolg und Bestrafung: Ein zum Team gehörender und in alles eingeweihter Schauspieler übernahm die Rolle des Schülers, die Probanden wurden durch fingiertes Los immer mit der Rolle des Lehrers betraut. Die Aufgabe der Testteilnehmer als Lehrer bestand nun darin, dem Schüler, der auf einer Art elektrischen Stuhl festgeschnallt war, Aufgaben zu stellen und bei jeder falschen Beantwortung mit einem Stromschlag „zu bestrafen“.

Zu diesem Zweck saß der „Lehrer“ vor einem Schaltpult, mit dem die Spannung reguliert wurde und zwar in einem vorgesehenen Prozedere dergestalt, dass mit jeder falschen Antwort die „Strafe“ um jeweils 15 Volt erhöht wurde. Tatsächlich gab es keine elektrischen Schläge, sondern nur ein mit dem Schauspieler abgesprochenes Schema seiner Reaktionen: ab 75V (Stöhnen), 120V (Schmerzensschreie), 150V (Wunsch nach unbedingter Beendigung), 200V (Schreie, „die das Blut in den Adern gefrieren lassen“), über 300V (Stille). Wenn die Testperson Zweifel am Weitermachen äußerte, antwortete der Versuchsleiter ebenso festgelegt schematisch in allen Versuchsdurchgängen:

1. „Bitte fahren Sie fort!“; 2. „Das Experiment erfordert, dass Sie weitermachen!“; 3. „Sie müssen unbedingt weitermachen!; 4. „Sie haben keine Wahl, Sie müssen weiter machen!“. Erst wenn sich der Proband nach der 4. Aufforderung immer noch weigerte, mit den „belehrenden“ Stromschlägen fortzufahren, wurde der Versuch abgebrochen. Die Ergebnisse dieses Experiments, das Milgram in verschiedenen Abwandlungen durchführte, sind bis heute schockierend: 65 Prozent der Teilnehmer (26 von 40) führten das Experiment bis zur maximalen Spannung von 450V durch. Niemand der 40 Testpersonen brach das Experiment vor Erreichen von 300V ab. Die Schüler wären sicher tot oder schwer geschädigt. Freilich: im Namen der Wissenschaft.

Neminem Leadere und der pandemische Imperativ

Der Grundsatz Neminem Leadere ist für das Recht, was die Prämisse Primum non nocere für die Medizin: Beide Grundsätze entspringen derselben ethischen Wurzel, dass nämlich das erste Gebot all unserer Handlungen darin besteht, niemandem zu schaden. Sowohl das Cracker- als auch das Milgram-Experiment verdeutlichen, dass Menschen bereit sind, im Namen einer abstrakten wissenschaftlichen Autorität nicht nur sich selbst zu gefährden, sondern auch anderen schwersten Schaden zuzufügen.

Milgram selbst kommentierte diese Erkenntnis wie folgt: „Die rechtlichen und philosophischen Aspekte von Gehorsam sind von enormer Bedeutung (...) Ich habe ein einfaches Experiment an der Yale-Universität durchgeführt, um herauszufinden, wie viel Schmerz ein gewöhnlicher Mitbürger einem anderen zufügen würde, einfach weil ihn ein Wissenschaftler dazu aufforderte. Starre Autorität stand gegen die stärksten moralischen Grundsätze der Teilnehmer, andere Menschen nicht zu verletzen, und obwohl den Testpersonen die Schmerzensschreie der Opfer in den Ohren klangen, gewann in der Mehrzahl der Fälle die Autorität. Die extreme Bereitschaft von erwachsenen Menschen, einer Autorität fast beliebig weit zu folgen, ist das Hauptergebnis der Studie, und eine Tatsache, die dringendster Erklärung bedarf.“

Das, was die Welt seit nunmehr zwei Jahren unter Geltung des pandemischen Imperativs erlebt, ist, aus nüchterner Betrachtung, ein riesiges Cracker- und Milgram-Experiment: Die dazu gekürten „Experten“ bestimmen die zu erzielenden digitalen Vorgaben (R-Wert, Inzidenzen, Abstands-Regeln, Masken-Pflichten, 3G, 2G, das Hoch- und Herunterfahren der Wirtschaft und des gesellschaftlichen Lebens im harten oder weichen Lockdown, Impfquoten, Impfpflicht und Dauer-Booster für alle!). Und die Gesellschaft macht mit: „Follow the Science!“ ist der unhinterfragte Imperativ! Die Wissenschaft fordert es! Machen Sie weiter! Immer weiter! Wer kritische Nachfragen stellt oder ein „Ende des Albtraums“ fordert, wird als „Schwurbler“, „Covidiot“, „Corona-Leugner“, „Verschwörungstheoretiker“ oder mittels sonstiger eindeutiger Etiketten aus dem Diskurs gedrängt.

Das Virus erzwingt gar nichts

Man fragt sich, was Leute, die sich die meiste Zeit ihres wissenschaftlichen Lebens mit der Erforschung von Mikroorganismen befasst haben, zu Normgebern qualifiziert. Auch hier ist die Antwort offenbar simpel: Wir glauben daran, dass diejenigen, die sich mit Viren und ihrer Verbreitung (ggf. auch aus dubiosen Biolaboren heraus) auskennen, auch wissen werden, wie man sie bekämpfen muss. Wenn etwa der „Chef-Virologe“ Christian Drosten behauptet, „das Virus erzwingt einen Lockdown“, dann glauben wir ihm das, weil er sich ja mit Viren besser auskennt als der überwiegende Teil der Bevölkerung.

Allerdings ist für jeden, der sich nur ein wenig mit Fragen der Begründung von normativen Vorgaben, das heißt mit der Begründung von ethischen oder rechtlichen Imperativen (d. h. Sollenssätzen: „Du/Ihr sollt ...“), beschäftigt hat, ersichtlich, dass hier ein blanker naturalistischer Fehlschluss vorgetragen wird. Das Virus erzwingt gar nichts. Es ist die staatliche Exekutive, die den normativen Vorgaben der gestrengen Experten erst die Konsequenzen der administrativen Realisierung verschafft. Aus einem Sein („Es gibt ein Virus“) folgt nicht bereits ein Sollen („Deshalb machen wir jetzt einen Lockdown!“).

Mikroorganismen gibt es seit Jahrtausenden; auch Corona-Viren sind seit Jahrzehnten als alljährliche Begleiter der saisonalen Erkältungswellen bekannt. Keines dieser unzähligen und jährlich in neuen Varianten auftretenden Viren hat je einen „Lockdown“ erzwungen. Nicht das Influenza-Vogelgrippe-Virus H5N1 (1997) oder H5N9 (2013), nicht das Schweine-Grippe-Virus (2009) und auch nicht die Coronaviren Sars-CoV-1 oder MAERS.

Immer neue Notstands-Maßnahmen

In dem pandemischen Imperativ, dass also nun dieses neue Corona-Virus (Sars-CoV-2) unbedingt massive freiheitseinschränkende Maßnahmen erzwinge, liegt nicht nur ein Novum der neueren Medizingeschichte. Dieser neuartige, in jeder Hinsicht kategorische Imperativ ist auch deutlich mehr als nur einer der vielen naturalistischen Fehlschlüsse, die zur Begründung von einschneidenden normativen Prämissen schon immer aufgestellt worden sind und immer wieder aufgestellt werden. In seiner Akzeptanz findet sich der Grund für die allgemeine Akzeptanz des seit zwei Jahren geltenden und nun, im März 2022 auf Dauer zu schaltenden Ausnahmezustandes, namentlich die beispiellosen Einschnitte in Demokratie und Rechtsstaat.

Und eben hierin liegt die eigentliche Gefahr. Es ist die vordergründige Delegation der politischen Verantwortung an das Virus selbst: Das Virus – nicht die Politik – erzwingt es! Von den schwersten Grundrechtseingriffen im Lockdown bis zur permanenten Impfpflicht – nicht die Politik, sondern das Virus erzwingt die Maßnahmen. Die Verkündung von einem Lockdown nach dem anderen, das Verhängen immer schärferer Sanktionen gegen diejenigen, die „nicht mitmachen“, die Verkündung immer neuer Notstandsmaßnahmen ... nicht die Politiker sind verantwortlich, sondern das Virus und seine Varianten.

Auf den nun am Beginn des mittlerweile dritten Pandemie-Jahres erhobenen aktuellen Vorwurf, es seien die Politiker, allen voran der Gesundheitsminister, die bei den Corona-Maßnahmen einfach nicht mehr „loslassen“ könnten, konterte dieser: „Das Coronavirus ist es, was nicht loslassen kann.“ Noch Fragen? Deutlicher kann weder die Verinnerlichung des „naturalistischen Fehlschlusses“ noch das psychologische Phänomen der „Besessenheit“ auf den Punkt gebracht werden.

Das Virus hat dauerhaft Besitz in der mentalen Kapazität nicht nur von Karl Lauterbach ergriffen. Wenn es nur den Gesundheitsminister beträfe, ließe sich damit leben. Das Virus hat aber nach zwei Jahren ununterbrochener Horrorszenarien, in denen Fakten und Fiktionen ununterscheidbar vermengt wurden, seinen festen Platz in der deutschen Amygdala eingenommen. Es gibt valide Anzeichen dafür, dass diese Platznahme bei einem nicht ganz irrelevanten Teil der Bevölkerung dauerhaft bestehen bleiben wird.

Wir Corona-Musterschüler

Im Mai 2021 hatte der vormalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in einem Interview erklärt, man habe in Deutschland „etwas vergleichsweise klüger gemacht als in anderen Ländern: Wir haben nicht mit Daten gearbeitet, sondern mit Inzidenzen.“  Spahn, der sich im Verhältnis zu seinem Nachfolger durch eine zum Teil durchaus nüchterne Rationalität ausgezeichnet hat, gab hier mit ehrlicher Begeisterung zu, dass es bei den Maßnahmen nicht auf eine evidenzbasierte Analyse der Fakten, sondern schlicht um einfache und einprägsame Narrative ankommt. Es gab in Deutschland nie wirklich verlässliche Daten: Wie viele Menschen sind tatsächlich an Covid erkrankt, wie viele sind wegen Covid hospitalisiert, auf der Intensivstation oder an Covid gestorben? Die Details interessierten nicht, wenn nur das Narrativ stimmt: Immer neue Rekorde bei den Inzidenzen und immer wieder „Flatten the Curve!“.

Wenn man heute auf das Dashboard des RKI schaut, ist die erste Welle, mit der alles vor zwei Jahren im ersten Lockdown begann, kaum als kleiner Inzidenz-Hügel noch zu erkennen. Am 20. März 2020 wurde bundesweit das Maximum von etwas über 4000 Fällen gezählt; Hamburg war mit einer 7-Tages-Inzidenz von 32 (sic!) trauriger Spitzenreiter in der Statistik. Wer erinnert sich eigentlich noch daran, dass nach dem schlichten Mechanismus der sogenannten „Bundesnotbremse“ noch vor einem Jahr Ausgangssperren bei einer Inzidenz von 100 automatisch in Kraft traten? Das Bundesverfassungsgericht hat das ein halbes Jahr später für verfassungsgemäß erachtet, da zählte man bereits über 45.000 Fälle, und die 7-Tage-Inzidenz lag bundesweit bei 452,2.

Nun, im Frühjahr 2022, werden tägliche Fallzahlen von über 200.000 gezählt, und die Inzidenz ist auf über 1500 gestiegen. Was sagen Inzidenzen über den Gesundheitszustand im Land aus? Offenbar nicht viel. Und doch wird mit der Inflation der testinduzierten großen Zahlen wieder und immer wieder die Beibehaltung und Verschärfung von eingriffsintensiven Maßnahmen begründet. Investigativberichten zufolge sind circa 50 Prozent der als hospitalisiert gelisteten Covid-Patienten wegen ganz anderer Gebrechen in stationärer Behandlung. Der Lungenfacharzt Prof. Tobias Welte sprach am 12. März 2022 im NDR gar von 90 Prozent. Was also sagen Inzidenzen über die Realität im Gesundheitswesen aus? Nichts. Weil ein positiver PCR-Test ohne weiteren symptomatischen Befund weder eine Infektion noch eine Krankheit diagnostizieren kann.

Die Narrative brechen zusammen

Es war zweifellos ein historischer Moment in der ganzen bisherigen Geschichte der Pandemie: Am 30. Dezember 2021 erklärte der Chefberater der amerikanischen Regierung Anthony Fauci im amerikanischen Fernsehen einem Millionenpublikum, was Kritiker von Anfang an monierten, dass nämlich der PCR-Test gar nicht geeignet sei, überhaupt die Ansteckungsfähigkeit des Getesteten nachzuweisen: „The only way you could tell us if it is transmissible, is if you can show there is really live replication virus in you. And the test don’t measure that.“ („Der einzige Weg, festzustellen, ob du ansteckend bist, wäre zu zeigen, dass da wirklich eine Replikation von lebenden Viren in dir stattfindet. Aber der Test kann das nicht.“)

Die Ungeeignetheit des PCR-Tests, etwas zu begründen, was er nach dem Inzidenz-Narrativ begründen soll, ist seit langem bekannt. Und doch werden nach wie vor auf dieser Basis symptomlos getestete Menschen in Isolation oder Quarantäne gehalten und mit dem Hinweis auf wieder steigende Inzidenzen das Narrativ von der Alternativlosigkeit strenger Maßnahmen begründet. Ebenfalls bereits im Januar 2022 wurden die Ergebnisse einer an der Johns-Hopkins-Universität durchgeführten Meta-Studie veröffentlicht. Diese Studie belegt, was Kritiker der Lockdown-Maßnahmen (etwa John Ioannides von der Universität Stanford oder die renommierten Unterzeichner der Great Barrington Declaration) schon im Jahr 2020 klargestellt hatten: dass die Lockdowns kein Leben gerettet, sondern nur übermäßige Kollateralschäden angerichtet haben. Gleichwohl wird in Deutschland wieder mit angeblich notwendigen Einschränkungen des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens gedroht, wenn die Impfpflicht nicht endlich allgemeines Gesetz würde.

Eine Pflicht zur Injektion ist indiskutabel

Hier schließt sich der Kreis: Das vor zwei Jahren verkündete Impf-Narrativ bezog Lockdowns als unausweichliche Vorstufe mit ein. Follow the Science! Leben wurde dadurch nicht gerettet, eine Gesamtbilanz mit den Kollateralschäden steht noch aus. Der Horror des Lockdowns aber hat den Umgang mit der Pandemie als Grenzerfahrung nachhaltig mitgeprägt. Die Vermeidung von weiteren Lockdowns ist ein wesentliches Argument im Impf-Narrativ und das Impf-Dogma eine unmittelbare Folge dieser in unser Angstzentrum eingeschriebenen Lockdown-Erfahrung. Nicht rationale Wissenschaftlichkeit, sondern die bewusste Emotionalisierung des Diskurses durch falsche und zweifelhafte Narrative haben die Maßnahmen getrieben.

Mittlerweile ist freilich der Glaube an das Impf-Narrativ ebenso erschüttert, wie das Inzidenz- und das Lockdown-Narrativ bereits wissenschaftlich desavouiert sind. Das „Wirksamkeits-Narrativ“ ist jedenfalls insoweit falsifiziert, als die Impfung nachweislich keinen signifikanten Fremdschutz gewährt. Auch an den Narrationen zum Eigenschutz gibt es mittlerweile ernsthafte Zweifel. Aber vor allem: Wollen wir wirklich weitere zwei Jahre abwarten, um zu schauen, ob das derzeit noch mit Zähnen und Klauen verteidigte „Unbedenklichkeits-Narrativ“ durch eine endlich unübersehbare Fülle an Impfschäden auch für den letzten sichtbar werden könnte? Die Impfstoffe sind immer noch nur bedingt zugelassen. Aus juristischer Sicht ist es auf dieser Basis schlicht indiskutabel, eine Pflicht zur Injektion überhaupt nur anzudenken. So bleibt die abschließende Frage, ob es je um redliche Wissenschaft und ein ernsthaftes Ringen um Wahrheit in der Bekämpfung eines Virus gegangen ist.

Der Ausnahmezustand als neue Normalität

Die vor zwei Jahren von Bill Gates in den „Tagesthemen“ verkündete neue Osterbotschaft, die feste Gewissheit also, dass nach der Pandemie immer schon wieder vor der nächsten Pandemie sei, und wir gewahr und bereit sein müssen, uns mit allen zur Verfügung stehenden freiheitsbeschränkenden Maßnahmen zu wappnen ... diese Osterbotschaft hat in Deutschland einflussreiche Jünger nicht erst mit dem neuen „ExpertInnenrat“ der Ampel-Koalition gefunden. Es gebe „keine Rückkehr zur Normalität“ wusste Theo Koll bereits zwei Tage nach der Verkündigung des neuen Narrativs am 14. April 2020 in den „Heute“-Nachrichten des ZDF. Und Reinhald Becker legte im Mai 2020 in den „Tagesthemen“ der ARD unmissverständlich nach: „Der Status quo ante – also zurück zur alten Normalität – ist vielen Wirrköpfen ... gerade ein Herzensanliegen. All diesen Spinnern und Corona-Kritikern sei gesagt: Es wird keine Normalität mehr geben (...).“

Wer wäre bei soviel apodiktischer Endgültigkeit nicht an die klassischen Zeilen aus Dantes Göttlicher Komödie erinnert: „Lasst alle Hoffnung, die ihr mich durchschreitet“ steht bekanntlich über dem Eingang zur Hölle im ersten Gesang. Die Pandemie als Tor in eine Hoffnungslosigkeit für alle diejenigen, die sich an den Status quo ante einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft gewöhnt hatten? Was genau wäre dann wohl die Alternative zum bisher gelebten gesellschaftlichen „Normalzustand“, zu dem es kein Zurück geben sollte?

Das Virus lässt Lauterbach nicht los

„Wir kommen jetzt in eine Phase hinein, wo der Ausnahmezustand die Normalität sein wird.“ Denn, so erklärt der amtierende Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach im März 2022: „Der Klimawandel wird zwangsläufig mehr Pandemien bringen.“ Errungenschaft und Sinnhaftigkeit des liberalen Rechtsstaats verschwinden in der Dauer-Narration pandemischer Krisen, die in einer dystopischen Zukunft vor uns liegen und nur durch auf Dauer gestellte rigide rechtliche Maßnahmen bewältigt werden könnten. Karl Lauterbach ist die lebende Inkarnation der Osterbotschaft des Jahres 2020: Nach der Pandemie ist immer wieder vor der nächsten Pandemie. Das Virus lässt ihn nicht los.

Habt Angst! Für die einen ist das verantwortungsvolle Politik – für die anderen ist es bereits Wahnsinn. Wohin auch immer die Mehrheit sich in dieser und anderen Fragen neigen mag – im Werte-Zentrum unserer Verfassung stehen Menschenwürde, individuelle Selbstbestimmung und Gleichheit als unabweisbare Maßstäbe aller rechtlichen Maßnahmen. Es ist an der Zeit, die Narrative der Angst beiseite und die Narrative unserer freiheitlichen Grundordnung wieder in den Vordergrund zu stellen. Und es ist Zeit, sich für das Osterfest 2022 wieder auf das Original einer großen Hoffnung verheißenden Erzählung zu besinnen: „Fürchtet euch nicht!“

 

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