Leben nach Corona - Die Stadtmauer von Heute ist unser Verhalten

Wie sehen die Städte der Zukunft aus und welchen Einfluss wird die Coronakrise auf die Planung haben? In dieser Folge unserer Reihe beschäftigen wir uns mit der sozialen Infrastruktur in urbanen Räumen.

Verkehrswende in Berlin: Pop-up Radwege / dpa
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Autoreninfo

Peter Stein ist ein deutscher CDU-Politiker. 2006 bis 2011 war er Mitglied des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern; seit 2013 ist er Bundestagsabgeordneter.

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Die Krise wird die Welt und unser aller Leben dauerhaft verändern, heißt es. Aber wie konkret? Elf Felder haben wir genauer unter die Lupe genommen oder Experten dazu befragt – von Kultur über Tourismus bis zur Geopolitik.

Was wird eine Zeit nach Corona für urbane Räume bedeuten? Mehr wohl als nachbarschaftliche Solidarität und eine beschleunigte Digitalisierung, die vor kurzem noch oftmals nur eine ungeliebte Wohlstandsformel der Globalisierung war. Jetzt plötzlich ist sie für persönliche Kontakte, im Home Office oder Home Schooling ein Hilfsmittel der eigenen Lebensrealität geworden. Ist dadurch zukünftig ein Stück der alten Realität ad acta?

Ausgehend aus dem Mittelalter gibt es strukturierte Stadtplanung, meist entwickelt als Reaktion auf Katastrophen und als Prävention gegen neue. Definierter baulicher Abstand, um Feuersbrünste in den Griff zu kriegen, die Stadtmauer als Schutz der Bevölkerung und des Wohlstandes gegen Feinde. Kanalisation und Wasserversorgung, um Seuchen zu verhindern. Belichtung und Belüftung an Gebäuden und der Ausbau sozialer und medizinischer Infrastruktur für die Gesundheit. Menschen leben enger zusammen, so wurde die Begrünung von Städten Standard.

Regionalität als Chance

Mit Corona trifft ein aggressives Virus auf eine vermeintlich perfekt geplante Stadt in einer hochorganisierten Welt. Es zeigt sich wie trügerisch diese Perfektion war. Nur wenige Tagen und unsere Routine war ausgehebelt. In der Welt nach Corona wird krisenrelevante Lagerhaltung sowie der Schutz kritischer Infrastrukturen eine deutlich größere Bedeutung bekommen. Redundanzen sind einzuplanen. Die Stadtmauer von Heute ist unser Verhalten. Das betrifft auch unsere soziale Infrastruktur, die Mobilität und unser Bildungssystem. Unsere Just-in-time Wirtschaft wird zukünftig auch an Sicherheitspuffer und Selbstversorgung denken. Regionalität als Chance!

Unser Stadtbild wird das eher nicht dramatisch ändern, aber die neue Situation führt uns vor Augen, dass einerseits Stadt und Land, Peripherie und Metropole alle an gleichen Problemen knabbern und andererseits unsere geplante, dezentrale Grundstruktur eine zentrale Stärke unseres Staates ist. Die Zielstellung einer Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse aus unserem Grundgesetz ist deshalb im §2 Raumordnungsgesetz zugleich auch einer der Grundsätze der Raumordnung.

Verantwortung für die Zukunft übernehmen 

Corona hat uns mit Wucht überrollt. Wir dürfen nicht nachlassen, Routinen und Perfektion aktiv zu hinterfragen. Zusammen mit der Politik haben die Stadt- und Raumplaner dazu als Antwort auf die Realität eine vorausschauend geplante Zukunft beizutragen. Jeder Einzelne muss in dieser Zukunft fähig sein, nicht nur für sich, sondern auch für seine Mitmenschen bewusst Verantwortung zu übernehmen. 

Die Politik muss den Menschen dabei die Freiheiten lassen, sich dieser Verantwortung persönlich zu stellen. Ziel einer Politik nach Corona muss mehr denn je sein, den Sinn für eine gesamtstaatliche Verantwortlichkeit des Einzelnen über eine generelle Eigenverantwortlichkeit zu vermitteln. Den Menschen darf dabei nicht immer mehr ihrer eigenen Verantwortung aber auch ihrer Gestaltungsspielräume aus der Hand genommen werden. Sie sollten zur Ausübung des eigenen Handelns motiviert werden.

Städte aktiv mitentwickeln

Stadtplaner müssen dazu beitragen ein Lebensumfeld bereitzustellen, in dem alle Bürger in einer wechselnden Balance von Wohlfühlen und Sicherfühlen leben. Sie sollen motiviert sein, sich für ihr Lebensumfeld zu interessieren und sich aktiv in die Entwicklung der Stadt einzubringen. Dazu braucht man Freiheit und Bildung aber auch Regeln. Die Verantwortlichen der Stadt müssen dabei als Entscheider, Lenker und Planer gute Vorbilder sein.
 

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