Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg - Popcorngewitter

Mit den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg ist es wie mit einem Gewitter: Alle rechnen damit, dass ein Blitz einschlagen wird, aber keiner weiß, wo. Die Kanzlerin muss sich deswegen aber nicht fürchten. Sie hat schon Vorsorge getroffen

Zuerst kommt der Blitz und dann kommt der Donner / picture alliance
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Bei den schweren Gewittern, die sich derzeit über dem erhitzten Deutschland entladen, gibt es immer wieder diesen einen faszinierenden Moment: Ein greller Blitz durchschneidet die Wolkenmassen, und dann dauert es manchmal eine gefühlte Ewigkeit, bis der Donner folgt. Manche Kundige könne aus dem zeitlichen Abstand zwischen Blitz und Donner errechnen, wie weit die Front noch weg ist.

Am Sonntag, da sind sich alle Beobachter in ihrer Erhitztheit einig, wird mit den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg ein politischer Blitz herniederfahren, dessen Lichtschein über die Grenzen der beiden ostdeutschen Länder hinaus zu sehen sein wird.

Die Frage ist: Wo schlägt er ein? Und vor allem: Wann kommt der Donner?

Das dritte große Donnerwetter

Einschlagen wird er, dafür muss man nicht die Witwe Schlotterbeck aus dem „Räuber Hotzenplotz“ sein und eine Glaskugel haben, vor allem bei den beiden Parteien, die in Berlin die Große Koalition bilden. Es ist nach der Bundestagswahl das dritte große Donnerwetter, das über Merkels Bündnis aus Union und SPD herniedergeht, mit ihr das vierte. Und das fünfte kommt Ende Oktober in Thüringen.

Doch was wird sich ändern? Es hat sich eine schleichende Gewöhnung an den politischen Ausnahmezustand eingestellt. Der macht träge und ermöglicht es den Mächtigen, bei noch so starken Einschlägen so zu tun, als sei gar nichts groß passiert. Die AfD ist zwar inzwischen zu einer Größe herangewachsen, zumal im Osten, die sie quantitativ als Volkspartei ausweist, obwohl sie als Ein-Themen-Partei inhaltlich weit davon entfernt und extrem spitz aufgestellt ist. Den Grünen hat der heiße Sommer zu einer Thermik verholfen, dass sie aus dieser Höhe manchmal selbst etwas blümerant herabblicken. Und SPD und Union sind in einer Weise geschmolzen,  wie man es sich vor fünf Jahren nicht hätte vorstellen können.

Lethargie, demokratisch legitimiert

Dieser Shift der Parteienlandschaft erforderte eine Disruption, unmittelbares Handeln, inhaltliche und personelle Konsequenzen beider anämisch gewordenen Volksparteien. Aber es wird keine Disruption geben.

Es ist ernst, wie gesagt, wegen der allgemeinen Trägheit, die letztlich die Mehrheit der Wählerschaft und die ziemlich ambitionsfreie Bundesregierung  verbindet. Der Wahlwille vieler, diese Regelung unter Führung Angela Merkels endlich zu beenden, reicht nicht hin als Kraft gegen jene der Beharrung. Es sind immer noch zu wenige, die diese ermattete Koalition weghaben wollen. Insofern ist die politische Lethargie demokratisch legitimiert.

Popcorngewitter

Bei der CDU hat es überdies Angela Merkel geschafft, einen Blitzableiter an ihr Kanzleramt zu bauen. Wenn es  dort einschlagen würde, lenkt der die tödliche elektrische Energie direkt um ins Konrad-Adenauer-Haus. Abgeladen werden die Wahlschlappen bei der Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer, obwohl diese ihre Ursachen im Wesentlichen im Regierungs- und Parteihandeln Angela Merkels haben. Wäre sie weg, würde die CDU im selben Moment einen Satz nach vorne machen. Der Schutzschirm, den sie mit der neuen Parteivorsitzenden gebaut hat, verhindert aber diese Konsequenz.

Bei den Sozialdemokraten wird das Desaster, das es wohl geben wird, sofort überlagert vom Schaulaufen der Kandidaten und Kandidaten-Paare für den Parteivorsitz. Denn am Wahlsonntag schließt auch der Bewerbungsschalter. Allenfalls über diesen Weg kann sich die Frage nach dem Bestand der Großen Koalition in Zeiten von gemeinsam nurmehr 35 bis 40 Prozent existenziell stellen. Weil sie als Frage an die Kandidaten – „wie hältst Du es mit der Großen Koalition?“ – die 23 endlosen Regionalkonferenzen bestimmen wird.

Dennoch: Dieser Sonntag könnte sich als das erweisen, was die Meteorologen ein Popcorngewitter nennen. Riesenhaft aufgetürmte Wolken, großes Gegrummel. Aber kein erlösender  Regen.

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