Klara Geywitz - Seit an Seit mit Groko-Olaf

Klara Geywitz will mit Olaf Scholz an die Spitze der SPD. Die Sozialdemokratin hat das umstrittene Paritätsgesetz in Brandenburg auf den Weg gebracht. Jetzt könnte sie bald die operative Vorsitzende werden, während Scholz regiert

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Mit Pragmatismus und Gelassenheit geht Klara Geywitz gemeinsam mit Olaf Scholz in die Wahl um den SPD-Vorsitz / picture alliance
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Der Berliner Hauptbahnhof morgens um neun ist sicher nicht der charmanteste Ort, um Klara Geywitz zu treffen, aber im Moment der praktischste. Die Frau mit dem Kurzhaarschnitt und den wachen Augen hinter der Brille parkt einen Rollkoffer hinter ihrem Stuhl im Café ein, keinen großen, der muss trotzdem reichen für die ganze Woche. Heute um elf geht es mit dem Zug nach Friedberg, dann nach Nieder-Olm, nach Nürnberg und nach Erfurt und nach Filderstadt.

Das Leben der bisherigen SPD-Landtagsabgeordneten Klara Geywitz aus Potsdam hat an Tempo zugelegt, seit sie die Frau an der Seite von Olaf Scholz geworden ist. Jedenfalls in jener Rolle, gemeinsam den Parteivorsitz übernehmen zu wollen und dafür auch die Casting-Show an 23 Orten in Deutschland mitzumachen.

Ein sehr großer Sprung

Scholz hatte sich erst selbst ausgerufen und Tage später seine Ko-Kandidatin benannt, eine ungewöhnliche Vorgehensweise, anders als bei allen anderen nun antretenden Pärchen. Und obwohl Geywitz nur eine von sieben Frauen ist, die sich an diesem Wettbewerb um den Parteivorsitz in der Nachfolge von Andrea Nahles bewerben, richten sich die Augen besonders auf sie. Scholz ist der prominenteste Kandidat, der irgendwann nicht mehr zusehen konnte, wie sich in der Kandidatenkür das Muster durchsetzte, das man aus Casting-Shows kennt: Bei dieser Form der Selbstwerbung melden sich vor allem geltungssüchtige und grelle Bewerber.

Wie es dazu kam? Sie sagt erst mal, wie es nicht war. Man dürfe sich das nicht so vorstellen, dass Scholz angerufen und gefragt hätte: „Klara, möchtest du dein Leben von Grund auf ändern?“ Vielmehr sei im Zuge der Kandidatenfindung viel telefoniert worden unter Leuten, die der Meinung waren, dass jemand aus der Ministerriege antreten müsse. „Und dann“, sagt Geywitz mit einer ihr eigenen Mischung aus trockenem Witz und früher Weisheit, „ist das Leben ja sehr konkret.“ Mann und Frau, Westdeutscher und Ostdeutsche, das passte zusammen, auch menschlich. Und weil sie in vielen politischen Punkten, nicht in allen, wie sie betont, aber eben in den meisten, einer Meinung seien. „Dann muss man im Zweifelsfall auch springen“, sagt sie und fügt nach einer kleinen Pause hinzu: „Das ist jetzt natürlich ein sehr großer Sprung.“

Keine politische Verortung

Kleinere hat sie schon gewagt. Auch Absprünge, wenn sie es für nötig erachtete. Seit 2004 war die 43-Jährige direkt gewählte Landtagsabgeordnete des Wahlkreises Potsdam I, der ihr nun im Aufgalopp zum Parteivorsitz von einer grünen Gegenkandidatin bei der Landtagswahl hauchdünn abgenommen wurde. Über die Landesgrenzen hinaus wurde ein politisches Projekt bekannt, das sich mit Geywitz’ Namen verbindet: das sogenannte Paritätsgesetz von Brandenburg, eine politisch und rechtlich umstrittene Regelung, wonach die Listen der antretenden Parteien für den Brandenburger Landtag zu gleichen Teilen mit Frauen und Männern besetzt sein müssen. Sie war Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Landtagsfraktion und zeitweise auch Generalsekretärin der Landes-SPD. Dieses Amt legte sie nieder, als es nicht zu einer Kreisgebietsreform kam, die sie mit betrieben und für richtig und notwendig erachtet hatte.

Die Zeit hat das Pärchen Geywitz/Scholz in einer Kandidatenschau als „rechts“ verortet. Schmerzt sie das nicht? Sie zuckt mit den Achseln und sagt, dass sie im Moment gar nicht dazu komme, alles zu lesen. Besser so, schwingt da mit. „Wenn man mit Groko-Olaf und der schwarzen Null rumläuft, dann bleibt dieses Klischee eben an einem kleben. Sei’s drum.“ Einen weiteren Versuch, sie politisch zu verorten, lässt sie trocken ins Leere laufen. Sie solle sich doch bitte auf einer Achse von Thomas Oppermann bis Hilde Mattheis einen Punkt auf der Verbindungslinie aussuchen. Sie lächelt kurz und sagt dann nach einer Kunstpause: „Glauben Sie, dass es angemessen ist, komplexe politische Sachverhalte auf eine Linie zu reduzieren?“

Irgendwas kommt immer

Das Wichtigste, das die SPD zurückgewinnen müsse, sei das Vertrauen ihrer Wähler, dass die Partei zu ihren Grundwerten steht. Wer Solidarität zu seinem höchsten Wert erkläre und dann so mit den Vorsitzenden umgehe, zuletzt mit Nahles, der betreibe „einen Anschlag auf unsere Kernkompetenz“. Und noch etwas plakativer: „Das ist, als würde Robert Habeck mit dem SUV in den Tagebau fahren und Braunkohle abbaggern.“

Was sie mache, wenn es nichts wird? Normalerweise antworten Politiker auf diese Frage, dass sie sich damit nicht beschäftigen. Geywitz sagt mit dieser frühen Weisheit ihrer 43 Jahre und vielleicht auch der Erdung einer dreifachen Mutter, ihrer Erfahrung nach habe es sich noch nie gelohnt, einen Plan B zu haben. Irgendwas kommt immer.

Dieser Text ist in der Oktober-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können. 

 

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