Rücktritt von Kay-Achim Schönbach - Vizeadmiral auf Abwegen

Nach einem unglücklichen Auftritt in Indien hat der Inspekteur der Deutschen Marine, Vizeadmiral Kay-Achim Schönbach, seinen Posten geräumt. Im Zentrum der Kritik stehen Aussagen Schönbachs zum Ukrainekonflikt, die, so der Vorwurf, konträr zur Sichtweise der Bundesregierung stünden. Das wirft Fragen auf.

Vizeadmiral a.D. Kay-Achim Schönbach / dpa
Anzeige

Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

So erreichen Sie Ben Krischke:

Anzeige

Sieben Abschnitte und 100 Paragraphen umfasst das deutsche Soldatengesetz. Es beginnt mit der Begriffsbestimmung unter Paragraph 1, was ein Soldat eigentlich ist („wer auf Grund der Wehrpflicht oder freiwilliger Verpflichtung in einem Wehrdienstverhältnis steht“), und beschäftigt sich in der Folge mit den Pflichten, die daraus hervorgehen, genauso wie mit den Rechten, die ein Soldat trotzdem hat – und allerlei weiteren Punkten, die den Militärdienst betreffen, vom Urlaub bis zu Übergangsvorschriften für die Laufbahnen. 

Dass es im Militärdienst strenger und hierarchischer zugeht als, sagen wir, in einer hippen Berliner Werbeagentur, liegt auf der Hand. Dass dies in einer Demokratie wie der unseren nicht bedeutet, dass der einzelne Soldat zum Spielball willkürlicher Entscheidungen par ordre du mufti wird, aber auch. So steht etwa in Paragraph 6 des Soldatengesetzes: „Der Soldat hat die gleichen staatsbürgerlichen Rechte wie jeder andere Staatsbürger. Seine Rechte werden im Rahmen der Erfordernisse des militärischen Dienstes durch seine gesetzlich begründeten Pflichten beschränkt.“

Respekt auf Augenhöhe 

Nun muss man kein Militärexperte sein, um zu erkennen, dass sich daraus im Einzelfall wohl auch gewisse Ermessensfragen und Grauzonen ergeben – womit wir beim nun ehemaligen Inspekteur der Deutschen Marine, Vizeadmiral Kay-Achim Schönbach, angekommen wären. Schönbach hat jüngst seinen Posten geräumt. Dem vorausgegangen war, je nach Perspektive, ein unglücklicher bis überaus irritierender Besuch in Indien

Bei diesem Besuch hatte Schönbach die Halbinsel Krim für die Ukraine als verloren erklärt und davon gesprochen, dass der russische Präsident Wladimir Putin nicht an einer weiteren militärischen Eskalation zwischen Russland und der Ukraine interessiert sei, sondern – sinngemäß – Truppen an der ukrainischen Grenze auffahren lässt, weil es ihm um „Respekt auf Augenhöhe“ gehe, den er „wahrscheinlich“ auch verdiene. Schönbachs Aussagen sind durch eine Video-Aufnahme belegt. 

Ganz offiziell in Uniform

Der zentrale Vorwurf an Schönbach lautete nun: Er habe der Position der deutschen Bundesregierung und ihrer Partner widersprochen. Die Aufregung im Verteidigungsressort und im Auswärtigen Amt war entsprechend groß. Kurz darauf bat Schönbach öffentlich um Entschuldigung und ließ kurze Zeit später wissen: „Ich habe soeben die Frau Bundesministerin der Verteidigung gebeten, mich von meinen Aufgaben und Pflichten als Inspekteur der Marine mit sofortiger Wirkung zu entbinden.“ 

Dabei könnte man es nun theoretisch belassen. Hochrangiger Militär tritt unglücklich im Ausland auf, fällt der eigenen Regierung irgendwie in den Rücken und zieht daraus rasch Konsequenzen, bevor sie für ihn gezogen werden. Schließlich trat er in Indien nicht nur als Privatperson auf, sondern ganz offiziell in Uniform, was ihn erst recht als Repräsentant der Bundesrepublik auszeichnete. 

Allerdings tun sich in Zusammenhang mit dem Vorfall auch Fragen auf, deren Beantwortung nicht ganz so klar und eindeutig scheint wie die rasche Analyse der politischen Verantwortlichen, dass Aussagen wie „Die Krim-Halbinsel ist weg, sie wird nie zurückkommen, das ist eine Tatsache“ (Schönbach) in Inhalt und Wortlaut in keiner Weise der Position des Verteidigungsministeriums entsprächen. 

Auf welcher Seite steht Deutschland? 

Schließlich würde, nüchtern betrachtet, nur mit militärischen Mitteln gelingen, die Annexion der Krim durch Russland sozusagen rückgängig zu machen. Und das ist derzeit weder im Sinne Deutschlands noch im Sinne unseres größten Nato-Verbündeten, der USA, die sich seit Wochen um eine diplomatische Lösung mit Russland bemühen. Mehr noch ist es ja die Bundesregierung selbst, die sich – anders als andere Nato-Partner – weigert, Waffen an die Ukraine zu liefern.

Eine Weigerung, die jüngst etwa den Bürgermeister der ukrainischen Hauptstadt Kiew, Vitali Klitschko, derart erboste, dass er sich zu der Äußerung hinreißen ließ, viele Ukrainer fragten sich, ob die deutsche Regierung „auf der Seite der Freiheit“ oder „an der Seite des Aggressors“ stehe. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) betonte jüngst allerdings erneut, dass die Bundesregierung alles tun müsse, um die Krisenlage zu deeskalieren. Statt Waffen will die Bundesregierung nun ein Feldlazarett schicken. 

Entlassung mit allen Mitteln verhindert

Was den zurückgetretenen Vizeadmiral Schönbach betrifft, kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu. Nämlich die Frage, wie weit ein hochrangiger deutscher Militär eigentlich gehen kann, wenn er um seine Einschätzung zu einem militärischen Sachverhalt gebeten wird. Und auch, worin der Verstoß Schönbachs eigentlich ganz konkret gelegen haben soll. Denn eine ausführliche Begründung des Verteidigungsministeriums gibt es hierzu nicht. 

Stattdessen sorgt der Rücktritt Schönbachs – mit dem er einer Entlassung wohl nur zuvorgekommen ist – im Gegenzug für Kritik an der Bundesregierung. In einem Interview mit Tagesschau24 sprang etwa der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, Schönbach zur Seite: „Wenn ich noch im Amt wäre, hätte ich mich vor Admiral Schönbach gestellt, und ich hätte versucht, seine Entlassung zu verhindern – und zwar mit allen Mitteln“, sagte Kujat im Interview.

Kujat kritisiert zwar die Wortwahl Schönbachs, die der in Indien genutzt habe, sieht darüber hinaus aber kein Dienstvergehen: „Ein Dienstvergehen hätte er begangen, wenn er gegen das Soldatengesetz verstoßen hätte und das Ansehen der Bundeswehr oder die Achtung und das Vertrauen, das seine dienstliche Stellung erfordern, ernsthaft beeinträchtigt hätte“, sagte Kujat. Das sehe er aber nicht. Außerdem habe Schönbach im Kern nur die amerikanische Position wiedergegeben. 

Nicht gut für die Vertrauenswürdigkeit

Der ehemalige Bundeswehrgeneral, langjährige militärpolitische Berater der Bundeskanzlerin und heutige Unternehmensberater Erich Vad sieht das anders. Vad, der schon häufiger als Gastautor bei Cicero veröffentlicht hat, erinnert etwa daran, dass ein Beamter der Besoldungsstufe B6 plus jederzeit durch einen Minister entlassen werden kann – auch ohne Angabe von Gründen. Und weiter: „Durch seine Aussagen hat Schönbach viel in Bewegung gesetzt, das nicht gut war für die Vertrauenswürdigkeit der Bundesregierung.“ 

Vad bezieht sich in seiner Einschätzung unter anderem darauf, dass es auch aus der Ukraine scharfe Kritik an Schönbachs Äußerungen gegeben hat und in der Folge die deutsche Botschafterin in Kiew, Anka Feldhusen, einbestellt wurde – was im diplomatischen Kontext einer kleinen Eskalation gleichkommt. Vad differenziert bei seiner Bewertung des Vorfalls gleichwohl klar zwischen den Kernaussagen Schönbachs einerseits und dem Verhalten Schönbachs gegenüber seinem Dienstherren andererseits. 

Im Amt, so Vad, könne jemand wie Schönbach nicht von der Regierungslinie abweichen: „Wenn man eine Sache politisch nicht mittragen will, dann kann man das zwar sagen, aber dann muss man auch zurücktreten“, sagt Vad. Kujats Äußerungen gegenüber Tagesschau24 nennt er dagegen „blauäugig“, da auch ein Generalinspekteur der Bundeswehr keine Chance habe, eine Entlassung eines Militärs von Schönbachs Rang durch einen Minister zu verhindern: „Eigentlich kennt Herr Kujat die Regeln.“

Anzeige