Inszenierung der Bundesregierung - Lächelnd am Abgrund

Hunderttausende Euro gibt die Ampel-Regierung für heldenhafte Bilder von Ministerinnen, Ministern und Bundeskanzler aus. Aber die Inszenierung kann am Vertrauensverlust der Bevölkerung nichts ändern. Auch die Keilerei der SPD-Vorsitzenden gegen Friedrich Merz führt ins Leere.

Der Bundeskanzler, inszeniert von Photothek / Thomas Imo
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Bei der haushaltskrisenbedingten Suche nach Einsparmöglichkeiten böte sich ein Blick auf den Posten für Öffentlichkeitsarbeit des Bundeskabinetts an. Allein das Auswärtige Amt gab im vergangenen Jahr knapp 170.000 Euro für Fotografen aus, um Annalena Baerbock (Grüne) ins rechte Licht gesetzt zu wissen; weitere 136.000 Euro für professionelles Makeup kamen noch dazu.

Das Bundesfamilienministerium ließ sich nach Recherchen von Business Insider die Social-Media-Begleitung von Amtsinhaberin Lisa Paus (ebenfalls Grüne) im August rund 12.000 Euro kosten. Und überhaupt vertraut das Bundespresseamt, also die regierungseigene Propagandamaschine, längst nicht mehr der „Presse“, wenn es um die bildliche Dokumentation der Politik geht – sondern auf eine Berliner Agentur namens „Photothek“, die den Kanzler das ganze Jahr über begleiten darf, um ihn als kompetenten Führer abzubilden. 

Praktischerweise lassen weitere Photothek-Kunden – in dem Fall das Außen-, das Entwicklungs- sowie das Justizministerium – explizit eine Zweitverwertung des Bildmaterials zu, damit die Heldendarstellungen möglichst hohe Verbreitung finden. Vertrauen ist eben gut, Kontrolle aber allemal besser.

Inszenierung auf Kosten des Steuerzahlers

Das Problem ist nur: Auch eine noch so aufwändige Inszenierung auf Kosten des Steuerzahlers kann die inhaltlichen Defizite der selbstverliebten Ampel-Granden nicht kaschieren. Das gesamte Spektakel funktioniert offenbar nicht nur bei Wählerinnen und Wählern nicht mehr, deren Haushaltsjahreseinkommen bei einem Bruchteil des Make-up-Budgets eitler Ministerinnen liegt. Sondern erweist sich insgesamt als Rohrkrepierer und Geldverschwendung. 

Die jüngste Umfrage (Insa vom 28. Dezember) taxiert die SPD bei 15 Prozent, die Grünen bei 12 Prozent und die FDP bei 5 Prozent. Gleichzeitig sinken die Beliebtheitswerte von Olaf Scholz auf den niedrigsten Stand seit Amtsantritt: von Platz 2 vor zwei Jahren ist der Kanzler aktuell auf den 17. Platz abgerutscht. Andererseits wäre es ja durchaus möglich, dass er ohne die wertvolle Arbeit der Photothek-Lichtbildner noch tiefer im Ranking gelandet wäre. Nach dem spektakulären Scheitern seiner Umbuchungstricks vor dem Bundesverfassungsgericht wäre das jedenfalls nicht abwegig.
 

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Die Menschen spüren, dass die Ampel vor allem mit sich selbst beschäftigt ist, während das Land immer tiefer in die Wirtschafts-Dauerkrise rutscht. Es ist eine unfassbare Respektlosigkeit des selbsternannten Respekt-Kanzlers, dies zuzulassen und weiterhin so zu tun, als könne alles beim Alten bleiben. Denn inzwischen dürfte jeder halbwegs wache Bürger gemerkt haben, dass unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft in einer Weise untertourig unterwegs sind, die immer mehr an die Substanz geht – und zwar nachhaltig.

Was es jetzt bräuchte, wäre ein echter Weckruf; einen „Ruck“, wie er einst vom Bundespräsidenten Roman Herzog vor mehr als einem Vierteljahrhundert eingefordert wurde. Herzog damals: „Innovationsfähigkeit fängt im Kopf an, bei unserer Einstellung etwa zu neuen Techniken, zu neuen Arbeits- und Ausbildungsformen, bei unserer Haltung zur Veränderung schlechthin.“ 

Sein Amtsnachfolger hingegen klang vor wenigen Tagen so: „Machen wir uns doch öfter bewusst: Deutschland ist und bleibt ein gutes Land.“ Frank-Walter Steinmeiers Weihnachtsansprache war gewissermaßen die Erweiterung der Photothek-Arbeit auf das gesprochene Wort, ganz nach dem Motto: Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so wirkt, ist in Wahrheit alles super! Und wer das nicht hinnehmen mag, ist womöglich ein Verächter der Demokratie.

Esken holzt gegen Merz

Oder macht sich, was auf dasselbe hinauslaufen dürfte, zum Handlanger der AfD. Die Gleichsetzung von Regierungskritik mit Rechtspopulismus entwickelt sich zwar umso schneller zu einem hilflos-präpotenten Gekläffe, je weniger die Ampel ihren Aufgaben gewachsen ist. Was aber Saskia Esken nicht daran hindert, weiter auf diese Karte zu setzen. In einem dpa-Interview ging die SPD-Vorsitzende soeben die CDU (zum zweiten Mal binnen weniger Wochen) derart hart an, dass die Christdemokraten sich fragen sollten, ob die Esken-Partei überhaupt noch als Koalitionspartner in Frage kommt – zumal sich immer wieder ausgerechnet die SPD als eines der größten Reservoirs für potentielle AfD-Wähler erweist.

Die „CDU von Friedrich Merz“, so Saskia Esken, entwickele sich „auf eine Art und Weise, die ich für eine über lange Jahre Verantwortung tragende Partei schon bedenklich finde“. Als Belege nannte sie „die Abwertung der Regierung“ oder durch Merz in den Debattenraum eingeführte Begriffe von „Sozialtourismus“ bis zu „kleine Paschas“. Dass vielmehr die SPD-Co-Vorsitzende selbst es ist, die seit ihrem Amtsantritt die von ihr beschworene „politische Kultur“ praktisch routinemäßig beschädigt – ob in Form pauschaler Rassismus-Vorwürfe gegenüber deutschen Sicherheitskräften oder eben die Friedrich Merz unterstellte Legitimierung der AfD – stößt sogar etlichen Genossen übel auf. Was Esken aber nicht daran hindert, Kurs zu halten und ihre SPD in Richtung einstelliger Ergebnisse zu navigieren. Letzteres übrigens nicht nur in den Umfragen, wie die Landtagswahl in Bayern gezeigt hat.

Retro-Partei im „Fortschritts-Bündnis“?

Je schwächer die SPD performt, je mehr sie als Allheilmittel gegen die Krise auf Umverteilung, Sozialtransfers oder den ubiquitären „Kampf gegen rechts“ setzt, desto mehr Wähler gehen ihr von Bord. Und desto pampiger wiederum reagiert die sozialdemokratische Funktionselite bis hin zur obersten Führungsebene. Die Menschen in diesem Land scheinen jedoch (im Unterschied zur führenden Regierungspartei) sehr wohl zu spüren, dass das alte SPD-Konzept, strukturelle Probleme immer nur mit Steuergeld beheben zu wollen, ins Abseits führt.

Ein gewisser Gerhard Schröder hatte diesen Teufelskreis einst durchbrochen – aber auf den Alt-Kanzler war man in der SPD schon vor dessen Russland-Geschäften nicht mehr gut zu sprechen. Tatsächlich dürften viele Parteifunktionäre Schröders Putin-Connection weniger verwerflich finden als seine Agenda 2010. Wie aber eine Retro-Partei ein „Fortschritts-Bündnis“ anführen soll, als welches sich die Ampel versteht, bleibt einstweilen das Geheimnis der SPD. Gut möglich allerdings, dass des Rätsels Lösung einfach niemanden mehr interessiert.

Jene beeindruckenden Fotos von Olaf Scholz in Staatenlenker-Pose, wie sie jetzt für hunderttausende Euro auf Kosten der Steuerzahler angefertigt werden, kann sich die SPD hoffentlich bald rechtefrei ins Willy-Brandt-Haus hängen. Gewissermaßen als Souvenir an die letzte sozialdemokratische Kanzlerschaft. Eine weitere wird es unter diesen Umständen jedenfalls nicht geben. Selbst schuld.

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