Illegale Migration - Das Paradox der Grenzkontrollen

Seit die Bundespolizei in der Oberlausitz die Übergänge nach Polen und Tschechien bewacht, kommen weniger Flüchtlinge. Doch was sind die Gründe dafür? Und verändert das die Lage in Sachsen vor den Landtagswahlen?

An einer Landstraße in der Oberlausitz kontrolliert die Polizei die Grenze / Foto: Anja Lehmann
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Volker Resing leitet das Ressort Berliner Republik bei Cicero. Er ist Spezialist für Kirchenfragen und für die Unionsparteien. Von ihm erschien im Herder-Verlag „Die Kanzlermaschine – Wie die CDU funktioniert“.

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Die Grenze verläuft durchs Schneegestöber. Ein paar Hundert Meter weiter ist Tschechien. Die Bundespolizisten stehen unter dem neuen Powermoon, eine Art mobiler Laterne, die Licht spendet für den nächtlichen Kontrollpunkt. Das macht die Arbeit einfacher. Die bewaffneten Beamten blicken Richtung Landesgrenze. Es gibt ein Zelt – und neuerdings auch einen kleinen weißen Container zum Aufwärmen. Alle Autos, die von drüben kommen, werden angehalten; es sind nicht viele in dieser kalten Nacht.

Die neue Zeitrechnung beginnt am 15. Oktober. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte stationäre Grenzkontrollen zu Polen und Tschechien angeordnet. Schon am Nachmittag desselben Tages standen die Beamten an der Landstraße. Lange war über die Wirksamkeit einer solchen Maßnahme gestritten worden. Faeser hatte sie noch im August abgelehnt. Sie seien zu aufwendig und würden den Binnenmarkt stören. Doch die CDU-Innenminister von Sachsen und Brandenburg, Armin Schuster und Michael Stübgen, hatten massiv darauf gedrängt. Inzwischen ist klar: Die Kontrollpunkte bleiben mindestens bis Mitte März erhalten.

Die Zahlen der unerlaubten Einreisen und auch der Asylanträge sind deutlich gesunken. Das Bundesinnenministerium meldet nun bundesweit einen Rückgang des illegalen Grenzübertritts um rund 60 Prozent, von mehr als 20 000 im Oktober auf etwa 7300 im November. Der Trend hat sich, so ein Insider, im Dezember und Januar fortgesetzt. Ist das die Wende in der Migrationskrise, das Ende der sogenannten Masseneinwanderung?

„Die Schleuser suchen jetzt andere Wege“

Einmal erblicken sie drüben im grauen Dunst einen Transporter, der plötzlich abbremst, auf der dunklen Straße wendet und wieder Richtung Tschechien wegfährt. „Natürlich hat sich schnell herumgesprochen, wo wir stehen“, sagt Inspektionsleiter Christian Meinhold. „Die Schleuser suchen jetzt andere Wege.“ Neben den stationären Kontrollen gibt es auch Fahndung im Hinterland und auch eine Koordination mit den Kollegen aus dem Nachbarland. Plötzlich funktioniert das, was politisch lange nicht gewollt war. Meinhold leitet die Bundespolizeiinspektion Ebersbach in der Oberlausitz, das ist weit weg von allem politischen Geschehen, noch 80 Kilometer östlich von Dresden. 

Das, was in Berlin Flüchtlingskrise genannt wird, bedeutet hier für die Beamten am Rand der Republik: Nachtschichten, Überstunden und Arbeiten an der Belastungsgrenze. Im Oktober kamen Hunderte Flüchtlinge täglich. Meinhold und seine Kollegen haben eine sogenannte Bearbeitungsstraße eingerichtet, um die amtliche Erfassung und Befragung der ankommenden Menschen effizient zu organisieren. Nun ist Winter, und es ist endlich ruhiger geworden.

In einem angehaltenen Auto sitzen Ukrainer, sie können weiterfahren. Im nächsten Auto sitzt ein Tscheche, er muss aussteigen, um seine Scheiben von Eis zu befreien. Nichts Dramatisches mehr. Die Beamten in dieser Nachtschicht kommen aus dem fernen Frankfurt. Aushilfen aus dem Westen. Normalerweise überwachen sie den Goldschatz der Bundesbank. Sie haben sich freiwillig für den Außeneinsatz im östlichen Schneeregen beworben. Mal was anderes, aber nur befristet. 

Kontrollen an der Grenze zu Tschechien / Foto: Anja Lehmann

Eine Art sicherheitspolitisches Paradox

Die stationären Grenzkontrollen der Bundespolizei sind in der Flüchtlingskrise eine Art sicherheitspolitisches Paradox. Seit die Bundespolizei den Mond an der Stange und die weißen Metallkisten an der Grenze aufgestellt hat, hat sie – fast wie von Zauberhand – weniger zu tun. Sie hält die Stopp-Kelle raus, nur gehen ihr weniger illegal einreisende Personen ins Netz. Experten sprechen von einem Mix an Ursachen. In Wahrheit hat sich die Wende im Bundeskanzleramt vollzogen, siebte Etage, links, Büro des Chefs.

Es ist der Abend des 10. Mai 2023, als Olaf Scholz sich zum Flüchtlingsgipfel mit den Vertretern der Bundesländer trifft. Medial wird vor allem über die Finanzierungsstreitereien berichtet. Später zeigen sich NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und sein Hannoveraner Kollege Stephan Weil (SPD) enttäuscht über die Zögerlichkeit des Bundes. Doch in Wahrheit markiert das Treffen fast nebenbei die Neuausrichtung der deutschen Migrationspolitik. Es ist die Abkehr von der merkelschen Doktrin, dass sich an den Binnengrenzen wenig machen lasse. Und diese Wende im Kanzleramt hatte dann Auswirkungen bis nach Ebersbach-Neugersdorf und das Geschehen dort im winterlichen Schneetreiben.

Das Mantra der deutschen Politik seit 2015 war, dass die illegale Migration sich vor allem nur durch besseren Außengrenzenschutz eindämmen lasse. Fluchtursachenbekämpfung und Deals mit Drittländern waren das Mittel der Wahl. Das Ziel, Flüchtlinge innerhalb Europas gerechter zu verteilen, harrt seit zehn Jahren der Umsetzung. Die Binnengrenzen hingegen müssten offen bleiben, dies sei das Wesen der Europäischen Union und gebiete die Humanität, so der politische Tenor. Und direkte Zurückweisung an der Grenze ist rechtlich umstritten.

Verteilung findet nicht statt

Eine europäische Solidarität gibt es bislang nicht, Verteilung findet nicht statt. Die meisten europäischen Länder leiten die Flüchtlinge einfach weiter, sodass Deutschland mit Abstand die Hauptlast des Problems trägt – bis nun die Belastungsgrenze wirklich erreicht scheint, sowohl praktisch als auch politisch. Im Jahr 2023 haben in Deutschland 351.915 Menschen politisches Asyl beantragt. Das ist die drittgrößte Zahl seit rund 30 Jahren. Nur in den Krisenjahren 2015/2016 war der Andrang stärker. Hinzu kommen die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die in der Asylstatistik nicht auftauchen.

In dem Abschlussdokument der Bund-Länder-­Beratungen vom Mai findet sich nun ein fast harmlos klingender Satz, der aber politisch alles anders werden lässt – oder zumindest in eine neue Richtung weist. Zum einen wird klar das Ziel definiert: „Um Bund, Länder und Kommunen zu entlasten, ist die irreguläre Migration spürbar zu reduzieren.“ Doch anders als bislang folgt dann eine neue konkrete Maßnahme, wenn auch noch verklausuliert: stationäre Grenzkontrollen an den Binnengrenzen. 
 

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Am Ende von Punkt 2 steht dort etwas unvermittelt: „Lageabhängig wird der Bund das im Verhältnis zu Österreich bestehende Grenzsicherungskonzept auch an anderen Binnengrenzen Deutschlands nach Konsultation mit den betreffenden Ländern der Bundesrepublik Deutschland etablieren.“ Das ist, übersetzt man das Behördendeutsch ins Lebenspraktische, das Gegenteil von dem, was lange die Haltung der Bundesregierung war. Und selbst die Bundesinnenministerin brauchte noch den Sommer über, um die neue Linie zu verinnerlichen.

Tatsächlich haben nicht die Grenzkontrollen alleine die Zahlen ankommender Menschen reduziert, sondern die Ankündigung eines härteren Grenzregimes gegenüber den Nachbarn, so erklären es politische Insider. Das, was in dem Text so schön „Konsultation“ heißt, bedeutet im Kern die Ingangsetzung des migrationspolitischen Domino­effekts. Auch Tschechien, Polen, die Slowakei und Ungarn haben die Kontrollen intensiviert; Serbien hat sogar seine Visaregeln verschärft. Alle handeln nun, nach der „Konsultation“ mit Deutschland, aus Sorge, die ankommenden Migranten nicht mehr weiter auf dem Weg in die Bundesrepublik durchleiten zu können. Das war die Kehrtwende. Und die Ruhe im Schneegestöber an der Landstraße in der Oberlausitz in diesen Wintertagen ist der Erfolg dieses politischen Umdenkens.

Verwaltungsgebäude der Bundespolizei in Ebersbach-Neugersdorf / Foto: Anja Lehmann

Eulkretscham heißt die Gaststätte am Rande des Örtchens Herrnhut, ein paar Kilometer von der Grenze entfernt. Der Name bedeutet hier in der Oberlausitz so viel wie „Eulenkrug“. „Einen Kretscham hat bei uns jedes Dorf“, sagt die Kellnerin. Draußen am Giebel steht „Fremdenzimmer“, aber fremd ist hier keiner, drinnen wird gerade eine Hochzeit gefeiert. Conrad Clemens erzählt in der Gaststube über seine Heimat. Viele sind nach der Wende weggezogen, er auch. Nun fehlt es an Arbeitskräften. Noch schlimmer ist die Depression. Für den allgemein herrschenden Frust, der sich auf alles legt, wie das kalte Weiß auf die Landschaft, gibt es noch mehr Gründe – oder besser: Anlässe. 

Im Sommer vergangenen Jahres erreichten ihn die Berichte von umherziehenden Migrantengruppen, erzählt Clemens. „Die Leute saßen in ihrem Garten, und plötzlich standen ein Dutzend junge Syrer am Gartenzaun und fragten, wo es hier zur Polizei geht.“ Die sogenannte Balkanroute war offen, niemand hinderte die Migranten, aus Südost­europa bis zur sächsischen Grenze zu wandern. Sie hatten nichts zu befürchten, die Polizisten, die sie suchten, würden sie zur Erstaufnahmeeinrichtung fahren. Da war es wieder, das Gefühl des Kontrollverlusts. „Das macht die Leute rasend, wenn sie den Eindruck haben, dass wir Politiker die Lage nicht beherrschen.“

Conrad Clemens war damals in Berlin. Er ist Staatssekretär der Regierung von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmann und Außenposten in der Hauptstadt. Er verhandelt für Sachsen im Bundesrat auch mit der Ampel. Mühsames Ringen im Kleinklein. Auch den Wahlkampf für die CDU im Freistaat hat er vor fünf Jahren organisiert. Clemens merkt in Berlin, dass bei ihm zu Hause etwas aus den Fugen gerät. Könnte die AfD in Dresden die absolute Mehrheit erringen? Und er trifft eine Entscheidung.

Viele wählen blind die AfD

Am 1. September wird in Sachsen gewählt. Laut aktuellen Umfragen liegt die AfD mit 34 Prozent vor der CDU, die auf 30 Prozent kommt. Den Wahlkreis an der Grenze zwischen Löbau, Ostritz und Ebersbach gewann die AfD vor fünf Jahren knapp vor der CDU. Wie wird es dieses Jahr laufen? „Den AfD-Abgeordneten kennt kaum einer, aber das stört viele nicht“, meint Conrad Clemens. Viele wählen blind die AfD. Er entscheidet sich, ins Rennen zu gehen, er will seine Heimat verteidigen. Er kandidiert für seine CDU für den Landtag.

Nun ist er eingepackt in der Daunenjacke in dem kleinen Landstrich zwischen den großen Grenzen unterwegs. Beim Deutschen Roten Kreuz in Löbau gibt es Glühwein am Feuerkorb, in Herrnhut auf dem Weihnachtsmarkt lässt er sich zum Reibekuchenverkauf einspannen. Und nachts hat er die Bundespolizei besucht. Dort, wo bis vor kurzem noch so viele Migranten ankamen. Aber wird das reichen? Lassen sich die Leute überzeugen, dass etwas passiert? In Löbau will er ein Bürgerbüro einrichten, und einen lokalen Mitarbeiter hat er auch schon. Max Hilse engagiert sich bei „Löbau lebt“, einer örtlichen Kulturinitiative, die aus der Lethargie herauswill. Jetzt macht er beim Wahlkampf mit. Fürs Büro suchen sie noch Möbelspenden, zur Eröffnung wird der ganze Wahlkreis eingeladen. Sogar der Ministerpräsident wird nach Löbau kommen. Der Staatssekretär aus Berlin will sich hier um die Alltagssorgen kümmern. „Es geht darum zuzuhören und konkrete Probleme zu lösen“, sagt er, das mache dann den Unterschied. 

Bürger machen mobil

Herrnhut hat knapp 6000 Einwohner. Probleme mit Flüchtlingen gibt es eigentlich keine, sagt Bürgermeister Willem Riecke. „Wir mussten keine Unterkunft stellen, das ist noch an uns vorbeigegangen.“ Doch die AfD liegt auch in dem Örtchen, aus dem die berühmten biblischen Losungen und die bekannten Sterne kommen, bei über 30 Prozent. „Es gibt dieses große Frustgefühl, da erreichst du mit Fakten auch nichts mehr“, meint Riecke, der auch im Kreistag sitzt. Er ist bei der Herrnhuter Liste, einem lokalen Bündnis, engagiert. Vor Ort kommt die AfD nicht dagegen an. 

In Ebersbach ist es schon eskaliert. Bürger machen mobil, weil das alte Hotel Felsenmühle zur Flüchtlingsunterkunft werden soll. Fremdenzimmer für die ganz Fremden. Conrad Clemens war in der Stadtratssitzung und versucht zu vermitteln. Ohne Unterkünfte geht es auch nicht. Er ist froh, dass durch die Grenzkontrollen wenigstens die Gruppen nicht mehr unkontrolliert durch seinen Wahlkreis wandern. Im Sommer noch hatte der zuständige Görlitzer Landrat einen Brandbrief an die Innenministerin geschrieben. „Das gegenwärtige Nichthandeln der Bundesregierung stellt eine substanzielle Gefahr für unser demokratisches Zusammenleben dar, da es die Bevölkerung überfordert und die Akzeptanz für schutzbedürftige Menschen zu schwinden droht“, formulierte CDU-Politiker Stephan Mayer. Jetzt sind die Grenzkontrollen da, aber ob die Menschen wieder Vertrauen in die etablierte Politik schöpfen, ist offen.

Entscheidung nach Aktenlage / Foto: Anja Lehmann

Aus Ebersbach-Neugersdorf stammt die grüne Fraktionsvorsitzende im Dresdener Landtag. Franziska Schubert kennt die dramatische Lage vor Ort und hat sich deswegen auch schon mit der Berliner Parteispitze angelegt. „Ich wünsche mir einen realistischeren Blick, deswegen verraten wir unsere humanitären Ideale nicht“, sagt sie zur Migrationspolitik ihrer Partei. Es reiche nicht zu sagen, wir haben Platz, wenn vor Ort Betreuung und Integration von Migranten nicht mehr gelingen. Doch viele Leute hören nicht mehr zu. Viele Bürger scheinen im Nebel verschwunden zu sein. Eine Kehrtwende der Politik könnte zu spät kommen. Die Zustimmungswerte für die AfD wachsen, und es scheint vor Ort vielen schwer, dagegen anzukommen. 

Dreimal graues Schneegestöber

In der Einsatzzentrale hängen drei Bildschirme an der Wand. Dreimal graues Schneegestöber. Wo genau draußen die Kameras platziert wurden, will die Bundespolizei nicht sagen. Ein Monitor zeigt die Umrisse einer Eisenbahnanlage in der Nacht. Da geht es vor allem auch um Materialklau und nicht nur um illegale Migration. Von hier aus wird die Grenzregion überwacht. An der anderen Wand hängt eine Landkarte, auf dem Tisch stehen Gummi­bärchen. Tschechien und Polen bilden die andere Seite. Christian Meinhold ist stolz darauf, wie gut die Zusammenarbeit mit den Kollegen funktioniert. „Kontrollen bedeuten nicht, dass die Grenzen dichtgemacht werden“, erklärt er. Auch wenn sich das manche wünschen.

In dem Verwaltungsgebäude in Ebersbach wird die Flüchtlingskrise ganz konkret. Plötzlich geht es nicht um die großen Zahlen, sondern um einzelne Fälle. Tatsächlich haben dann Meinhold und seine Truppe bei der Begrenzung der illegalen Migration nur wenige Werkzeuge in der Hand. Wer Asyl beantragen will, kann nicht unmittelbar durch die Bundespolizei zurückgeschickt werden. Doch wie wird aus einem illegalen Migranten ein potenzieller Flüchtling, wie aus einem mutmaßlichen Straftäter ein Schutzbedürftiger? Madlen Friedrich ist bei der Bundespolizei in Ebersbach eine Einsatzleiterin im Schichtdienst, die über das Vorliegen eines Schutzersuchens entscheidet. Die Weiterreise zu einer Erstaufnahmeeinrichtung oder aber die Einleitung von Rückführungsmaßnahmen, das hängt von ihrer Unterschrift ab. Doch ihr Ermessensspielraum ist gering.

Neulich haben ihre Kollegen im Zug drei türkische Staatsbürger aufgegriffen. Sie hatten kein Visum und keine Aufenthaltserlaubnis. Für die Polizisten bedeutet das den Verdacht auf eine Straftat: unerlaubte Einreise. Es findet eine Befragung mit Dolmetscher statt. Schließlich landet das Protokoll bei Madlen Friedrich auf dem Schreibtisch. Sie wollten zu ihren Verwandten, haben sie zu Protokoll gegeben. Von einem Schutzersuchen war nicht die Rede. Es ist der eher seltene Fall, dass die Einsatzleiterin den Daumen senkt. Die drei Türken mussten dahin zurück, woher sie hergekommen waren.

351.915 Asylanträge

Die Türken waren im zurückliegenden Jahr 2023 laut aktueller Statistik des Bundesamts für Migration die zweitgrößte Gruppe unter den Antragstellern auf Asyl. Insgesamt wurden 351.915 Asylanträge gestellt. 104.561 kamen aus Syrien, 62.624 aus der Türkei. Von den Syrern wurden 88,2 Prozent als Flüchtlinge anerkannt, von den Türken nur 13 Prozent. Doch das spielt für Madlen Friedrich keine Rolle. Sie lässt sich nicht anmerken, was die vielen Fälle mit ihr machen, was sie von den Schicksalen hält, die durch ihre Hände wandern. Sie sei mit Freude Polizistin, sagt sie. Und dass sie bei Anhaltspunkten für ein Schutzersuchen im Zweifel für den Betroffenen entscheide. 

Conrad Clemens hat inzwischen einen Schäfer am Telefon. Der klagt über die Wolfsrudel in der Region. Die bedrohen die Viehbestände, klagen die Betroffenen. Die große Politik wird plötzlich zur Nebensache: der Ampelfrust, die Bauernproteste, die Flüchtlinge. Wieder wurden Lämmer gerissen. Ein Gutachter hat festgestellt, dass sein Zaun zu niedrig war. Deswegen gibt es keine Entschädigung. Doch das stimme gar nicht, so der Schäfer. Der Zaun sei hoch genug, nur etwas zurückgedrückt gewesen. Es geht um ein paar Hundert Euro. Conrad Clemens schaut, was er machen kann. Ein Teil des Geldes fließt schließlich. Vielleicht spricht es sich herum, dass er sich kümmert. Im Großen und im Kleinen.

 

 

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