Seehofer und die Hass-Kolumne - Versagt auf ganzer Linie

Der Bundesinnenminister hatte angekündigt, Strafanzeige gegen eine „Taz“-Autorin zu stellen, die Polizisten als Abfall entsorgen wollte. Jetzt macht er einen Rückzieher. Horst Seehofer ist seinem Amt nicht gewachsen – und sollte endlich die Konsequenzen ziehen.

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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Horst Seehofer hat es mal wieder geschafft: Am Wochenende, unter dem Eindruck der Ausschreitungen in Stuttgart, laut gebrüllt. Und nur vier Tage später gibt er selbst den Bettvorleger in seinem Bundesinnenministerium. Der 70 Jahre alte „Gefühlsjurist“, wie er sich selbst einmal bezeichnete, hat eindrücklich gezeigt, dass er weder Gefühl für politisch heikle Situationen besitzt, noch die juristische Expertise, um einen womöglich strafrechtlich relevanten Vorgang mit einem Mindestmaß an Weitsicht einschätzen zu können. Er hat mit seiner Reaktion auf die Hass-Kolumne in der Taz, wo eine verblendete, unreife Autorin ihren menschenverachtenden Entsorgungsphantasien freien Lauf lassen durfte, dem Ansehen seines Ministeriums geschadet und jenen einen Bärendienst erwiesen, die er eigentlich verteidigen wollte: allen Beamtinnen und Beamten der deutschen Polizei.

Man sollte sich mit Rücktrittsforderungen wahrlich zurückhalten. Aber ein Minister, der so handelt, ist mit seinem Amt überfordert und sollte die Konsequenzen ziehen. Zumal davon auszugehen ist, dass er in anderen Fällen ähnlich unüberlegt agiert. Denn es ist ja bei weitem nicht Seehofers erster Lapsus dieser Art. Dieser Politiker ist schlicht und ergreifend lächerlich.

Der gefühlsjuristische Weg des Horst Seehofer

Vier Tage hat es also gedauert, bis der Verfassungsminister festzustellen in der Lage war, dass es mit seiner großspurigen Ankündigung, Strafanzeige gegen die Taz-Autorin zu stellen, doch nichts werden würde. Stattdessen kommt er nun „nach sorgfältiger Abwägung“ zu folgendem Ergebnis: „Ich werde die Chefredaktion der Zeitung in das Bundesinnenministerium einladen, um mit ihr den Artikel und seine Wirkung zu besprechen. Außerdem werde ich mich an den Deutschen Presserat wenden, der für die Einhaltung ethischer Standards und Verantwortung im Journalismus sowie für die Wahrung des Ansehens der Presse eintritt.“

Der gefühlsjuristische Weg des Horst Seehofer führt also am Ende nicht vor ein Gericht, sondern zum Kaffeekränzchen in seine Behörde. Wobei noch nicht einmal klar ist, ob seine Gäste von der Taz-Chefredaktion diese Einladung überhaupt annehmen werden. Die Schriftleiterin der Tageszeitung ließ sich jedenfalls mit den Worten vernehmen, Seehofer stelle „die Belange der Polizei über die Freiheit der Presse“. Das ist zwar kompletter Blödsinn, genauso wie die Einlassung des Journalistenverbands-Vorsitzenden Frank Überall, der Bundesinnenminister wolle offenbar „den Wahlkampf gegen die Medien eröffnen“. Aber angesichts dieses intellektuellen Niveaus aller Beteiligten wäre es wohl ohnehin besser, auf das Stelldichein zu verzichten.

Das altbekannte Bewegungsmuster

Horst Seehofer wird natürlich im Amt bleiben – schon aus purem Trotz und weil es ihm aufgrund seiner erkennbar abhanden gekommenen politischen Urteilskraft auch gar nicht mehr möglich sein dürfte, sein eigenes Versagen zu erkennen. Also kann er dem Land und seiner Partei bis zum bitteren Ende dieser Legislaturperiode noch weiter schaden. Denn die Bundeskanzlerin wird ihn nicht entlassen, und der CSU-Vorsitzende Söder kann es nicht. Dass in der Münchener Parteizentrale dieser Tage die Wut auf den Hasardeur im Bundesinnenministerium grenzenlos ist, liegt auf der Hand. Eine Partei, die sich selbst als letzte Bastion des Rechtsstaats versteht, kann sich einen Totalausfall wie ihn nämlich keinesfalls leisten.

Hü und hott und hin und her: Das altbekannte Bewegungsmuster des einstigen bayerischen Ministerpräsidenten ist nicht einmal mehr eine Lachnummer wert, sondern einfach nur noch tragisch und unwürdig. Die Taz hat mit ihrem bodenlosen Text klar und deutlich zeigen wollen, dass die Verächtlichmachung einer ganzen Berufsgruppe durchaus im Rahmen des Vertretbaren liegt. Horst Seehofer hat sie heute faktisch darin bestätigt. Da helfen auch seine hehren Worte nicht weiter von wegen „als Verfassungsminister stehe ich für die Verwirklichung einer Werteordnung ein, die die Würde des Menschen an oberste Stelle stellt“.

In aller Deutlichkeit: Horst Seehofer ist ein Versager. Und das ist ausnahmsweise keine Satire.

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