Innenminister von Sachsen-Anhalt zum Migrationspakt - „Wir richten unsere Politik nicht nach der AfD aus“

Der Bundestag hat den umstrittenen UN-Migrationspakt beschlossen, aber mit Einschränkungen. Auf die hatten in der CDU vor allem der Landesverband Sachsen-Anhalt und dessen neuer Vorsitzender Holger Stahlknecht gedrängt. Ist er jetzt zufrieden und welche Rolle hat die AfD dabei gespielt?

Holger Stahlknecht lehnt den Migrationspakt ab, sagt aber, er richte seine Politik nicht nach der AfD aus / picture alliance
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Herr Stahlknecht, Sie sind frisch gewählter Vorsitzender der CDU Sachsen-Anhalt. Ihr Landesverband hat sich als erster gegen eine deutsche Unterzeichnung des UN-Migrationspakts ausgesprochen. Sie selbst haben die Bundesregierung zunächst aufgefordert, den Migrationspakt abzulehnen. Warum eigentlich? 
Es gab mehrere Motivationen innerhalb der CDU Sachsen-Anhalt, unter anderem – und dieser Auffassung schließe ich mich an – ist diese UN-Resolution durch das Auswärtige Amt gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern unzureichend kommuniziert worden. Eine solche Kommunikation können wir uns seit 2015 nicht leisten.
 
Sie meinen die Flüchtlingskrise 2015. Was wurde denn falsch gemacht?
Da herrschte bei vielen Bürgern das Gefühl, dass man über bestimmte Dinge nicht mehr sprechen konnte. Ich finde, wir müssen uns in dieser Bundesrepublik wieder angewöhnen, Debatten offen zu führen und auch den Mut zu haben, kontroverse Debatten auszuhalten. Im Nachgang zu 2015 herrschte bei vielen Bürgerinnen und Bürgern das Gefühl, dass man bestimmte Dinge nicht ansprechen konnte.
 
Jetzt haben sich die Ereignisse aber überholt, der Bundestag hat den Migrationspakt beschlossen (Wie die Mitglieder des Bundestags abgestimmt haben, sehen Sie hier). Was heißt das jetzt für den Landesverband? 
Den jüngsten Beschluss des Bundestages hat der Landesverband der CDU Sachsen-Anhalt ausdrücklich begrüßt. Der auf Initiative der CDU/CSU-Bundestagsfraktion getroffene Beschluss sieht unter anderen vor, dass die Bundesregierung aufgefordert wird, weiterhin sicherzustellen, dass durch den Migrationspakt die nationale Souveränität und das Recht Deutschlands, über seine Migrationspolitik selbst zu bestimmen, nicht beeinträchtigt werden und durch den Migrationspakt keine nationalen Hoheitsrechte übertragen werden. Dazu gehört, zu gewährleisten, dass durch den Migrationspakt keinerlei deutsche Regelungen eingeschränkt oder ausgeweitet werden. Damit ist eine wesentliche Forderung des Landesverbandes erfüllt. 

Im Migrationspakt stehen Ziele drin, die doch auch im deutschen Interesse liegen, zum Beispiel die Verhinderung der illegalen Einwanderung, die Bekämpfung der Schleuser und Menschenhändler, Bereitschaft der Rücknahme von Migranten ohne Bleiberecht. Sind das nicht Dinge, die Sie auch befürworten?
Es gibt zwei über das politische Tagesgeschäft hinausgehende, herausragende Anforderungen des politischen Handelns. Das ist einmal der Klimawandel, unabhängig wodurch der verursacht ist. Und das zweite ist die Migrationsbewegung. 60 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht, und da brauchen wir über das politische Tagesgeschäft hinaus Antworten und Lösungen, keine Frage. Insofern ist der Ansatz einer solchen UN-Resolution völlig richtig. Auch unter dem Gesichtspunkt, dass nicht alle nach Europa und Deutschland kommen können.
 
Es wirkt aber so, als hätte die CDU die Brisanz des Migrationspakts sehr spät entdeckt.  Und jetzt springen einige, zum Beispiel Herr Spahn oder eben Sie, noch schnell auf den Zug mit auf. Dass das Thema hochgekommen ist, liegt ja auch an der AfD, die das immer wieder thematisiert hat. Bei den vergangenen Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt war die AfD fast so stark wie die CDU. Versuchen Sie jetzt mit dem Thema Migrationspakt Wähler zurückzugewinnen, die von der CDU zur AfD geflüchtet sind?
Wir richten unsere Politik nicht nach der AfD aus. Als selbstbewusste Volkspartei der Mitte legen wir selbst fest, welche Themen wir intern und mit den Bürgerinnen und Bürgern besprechen. Das erklärt auch, warum wir seit mehr als einem Jahrzehnt die Regierung in Sachsen-Anhalt stellen. Es gibt aber immer mal wieder Punkte, die wir für richtig halten, die die politischen Mitbewerber vielleicht auch gerade für richtig halten. Wenn wir Themen nicht ansprechen, weil die Gefahr besteht, dass die politischen Mitbewerber applaudieren könnten, kann man keine Politik mehr machen. Dann haben wir eine Meinungspolizei ,und gleich danach kommt dann die Sprachpolizei. Ich bin 54 Jahre alt, lebe in einem freien Land als freier Mensch. Ich habe nicht die Absicht, auf meine Freiheitsrechte zu verzichten.

Wir haben Herrn Stahlknecht noch mehr Fragen zum Umgang der CDU mit dem Migrationspakt gestellt. Dabei ging es auch um die Debattenkultur innerhalb der CDU. Leider hat Herr Stahlknecht diese Fragen und auch seine gegebenen Antworten im Freigabeprozess gestrichen

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