Gesetzentwurf im Bundestag - Böser Hass und gute Hetze

Hass und Hetze soll mit einem Gesetz Einhalt geboten werden, darüber wird diese Woche im Bundestag debattiert. Richtig so. Aber warum richten sich die Blicke bei Hass und Hetze nur nach rechts?

Hass ist immer rechts? Demo gegen Pegida in Dresden/ dpa
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Gegen Hass und Hetze – wer soll da nicht dafür sein? Oder ist jemand für Hass und Hetze? Bundesjustizministerin Christine Lambrecht stellt heute im Bundestag ein Gesetz zur Abstimmung. In dem Entwurf des Gesetzes „zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität“ mangelt es nicht an aufrechter Gesinnung, und es geht auch an die richtige Quelle. „Als zentrale Neuerung im Netzwerkdurchsetzungsgesetz ist die Verpflichtung sozialer Netzwerke vorgesehen, dem Bundeskriminalamt als Zentralstelle bestimmte strafbare Inhalte zu melden, die den sozialen Netzwerken durch eine Beschwerde bekannt und von ihnen entfernt oder gesperrt wurden. Zu melden sollen insbesondere Morddrohungen und Volksverhetzungen sein. Die unzureichende Einrichtung eines Meldesystems durch einen Anbieter soll bußgeldbewehrt sein.“

Verbale Verrohung hat tödliche Folgen

Der Hass, das Netz und die Tat – dieser Dreisprung hat sich in jüngster Zeit immer wieder aufs Schrecklichste erwiesen. Die fürchterlichen Taten von Hanau, Halle und Kassel stehen dafür. Keiner kann ernsthaft mehr behaupten, dass die verbale Verrohung und Radikalisierung im Netz ohne Folgen im richtigen Leben bleibt, und doch hinterlässt die Lektüre des Gesetzentwurfs einen schalen Nachgeschmack. Ebenso wie der Antrag der Grünen: „Hass und Hetze wirksam bekämpfen, Betroffene stärken und Bürgerrechte schützen“.

Das Intro lautet folgendermaßen: „Zur wirksamen Bekämpfung von Rechtsextremismus, der Bedrohung ganzer Bevölkerungsgruppen sowie von Hass und Hetze im Netz, bedarf es einer koordinierten Gesamtstrategie, die das Problemfeld auf seinen sämtlichen Ebenen bearbeitet: als rechts-extreme Strategie zur Aushöhlung der Demokratie, als gesamtgesellschaftliches Phänomen einer Verrohung der Debattenkultur und als Fortsetzung wie Befeuerung analoger Formen von Diskriminierung und Gewalt. Rassistischer, antisemitischer, antiziganistischer, muslimfeindlicher, völkischer, anti-feministischer, homo- und transfeindlicher Propaganda und Agitation muss mit aller Entschlossenheit begegnet werden. Menschenverachtenden Ideologien der Ungleichwertigkeit muss entschieden widersprochen und der Strategie einer Normalisierung des vormals Unsagbaren entschlossen begegnet werden.“

Hass und Hetze eint zwei Enden des politischen Spektrums

Alles richtig. Aber unvollständig. Beide Texte befassen sich nur mit dem Hass von rechts. Hass und Hetze von links bleiben ausgespart. Hass und Hetze eint aber zwei Enden des politischen Spektrums. Wenn jetzt Immanuel Kant und Otto von Bismarck und Winston Churchill aus der Geschichte gerissen werden und in einem autoaggressiven Akt für alle Verfehlungen der hellhäutigen Menschen weltweit verantwortlich gemacht werden, dann ist das auch keine differenziert-kritische Auseinandersetzung der eigenen Geschichte und ihrer Schlüsselfiguren. Dann ist das Hass und Hetze.

Wenn ein Gewerkschafter von Linksextremen in Stuttgart bei einer Demo so geprügelt wird, dass er immer noch im Koma liegt und um sein Leben kämpft, dann ist diese Tat erstens ebenso entsetzlich wie der Mord am Regierungspräsidenten Walter Lübcke auf seiner Terrasse. Dann ist das das Ergebnis von Hass und Hetze. Und wer das nicht sieht, der sollte zum Arzt gehen. Möglicherweise eine Migräne, die häufig mit Sichtfeldausfällen einhergeht.

Kein Monopol für extreme Rechte

Die extreme Rechte hasst und hetzt. Ja. Aber sie hat darauf kein Monopol. Denn die extreme Linke hasst und hetzt nicht minder. Wenn ein später zum Helden des aufrechten und unerschrockenen Journalismus gewordener Kollege der Welt in seiner taz-Zeit Thilo Sarrazin gewünscht hat, dass ein zweiter Schlaganfall die Arbeit des ersten (seither ist bei Sarrazin eine Gesichtshälfte gelähmt) doch bitte vollenden möge, dann ist das Hass und Hetze. Wenn eine Autorin desselben Blattes jetzt Polizisten zu Abfall erklärt, der auf den Müllhaufen gehört, auch. 

Wie heißt es im grünen Antrag? Nochmal zur Erinnerung: „Menschenverachtenden Ideologien der Ungleichwertigkeit muss entschieden widersprochen und der Strategie einer Normalisierung des vormals Unsagbaren entschlossen begegnet werden.“

Eine unsichtbare Instanz

Dass „die Bullen“ ein Schweinesystem unterstützen und selbst Abschaum, Müll sind, das IST eine menschenverachtende Ideologie reinster Form. Aber irgendwann im Laufe der letzten Jahre hat sich eine unsichtbare Instanz aufgeschwungen und verfügt, dass es bösen Hass und Hetze gibt und guten Hass und Hetze. Wenn es gegen die Richtigen geht.

Auf der einen Seite wird ganz schnell noch jedem gestörten Wirrschädel (Indizien gibt es beim Täter von Halle ) sofort das Brandzeichen „Rechts“ auf die Stirn geschmort und sein Hass und seine Hetze und seine Morde als Beleg dafür genommen, dass die Gefahr nur von Rechts droht. Derweil werden nicht einmal im Morast der sozialen Netzwerke, sondern in einer anerkannten Tageszeitung solche Texte von einer Redaktion durchgewunken und gedruckt. Und nach meinem Gefühl wenig bis gar nichts über den Mann im Koma von Stuttgart berichtet. Da läuft was schief. Da stimmt etwas nicht. Auch nicht mit dem Gesetz, das die Justizministerin heute von der Legislative Wirklichkeit werden lassen will.  

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