Hans-Georg Maaßen will in den Bundestag - Alarm im Adenauer-Haus

Der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen will für die CDU in den Bundestag – und kann darauf hoffen, in Thüringen als Kandidat nominiert zu werden. Die CDU-Spitze ist in heller Aufregung, denn sie fürchtet eine konservative Galionsfigur – und eine weitere Spaltung der Partei.

Hans-Georg Maaßen, ehemaliger Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz / dpa
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Es ist ein Vorgang, der das Konrad-Adenauer-Haus in helle Aufregung versetzt: Hans-Georg Maaßen will für den Bundestag kandidieren. Und nicht nur das: Der 58 Jahre alte ehemalige Präsident des Bundesverfassungsschutzes hat für dieses Vorhaben auch noch ernstzunehmende Unterstützer vor Ort – nämlich im Bundestagswahlkreis 196, gelegen im südlichen Thüringen.

Der „196er“ (Suhl, Schmalkalden-Meiningen, Hildburghausen, Sonneberg) war bereits vor wenigen Wochen ins Gespräch gekommen, weil dessen bisheriger CDU-Abgeordneter Mark Hauptmann aufgrund einer undurchsichtigen Aserbaidschan-Connection sein Mandat zurückgeben musste und inzwischen auch seine Partei verlassen hat. Und Maaßen schickt sich nun an, nach der im September bevorstehenden Bundestagswahl Hauptmanns Nachfolge anzutreten. Ralf Liebaug, seit vorigem September CDU-Kreisvorsitzender im Landkreis Schmalkalden-Meiningen, gab zu Protokoll: „Unser Kreisvorstand begrüßt, dass Herr Dr. Maaßen dazu seine Bereitschaft erklärt hat, insbesondere unter diesen schwierigen Umständen.“

Gegengewicht zum „Merkel-Maistream“

Seither hat die CDU-Führung in Berlin ein weiteres Problem. Denn Hans-Georg Maaßen, soviel ist sicher, ist alles andere als der Wunschkandidat der Unions-Spitze mit ihrem neuen Vorsitzenden Armin Laschet. Der war eigentlich angetreten, um die gespaltene Partei zu einen und insbesondere das unterlegene Lager der Anhänger von Friedrich Merz wieder einzubinden. Zu letzterem zählt auch die „Werte-Union“, welche sich als konservatives und marktliberales Gegengewicht zum „Merkel-Maistream“ versteht. 

Maaßen wiederum ist ein bekennendes Mitglied der „Werte-Union“ und hat aus seiner Ablehnung des Kurses der Kanzlerin insbesondere im Zuge der Flüchtlingskrise keinen Hehl gemacht. Man kann deshalb umstandslos festhalten, dass seine Kandidatur als Kampfansage an all jene zu verstehen ist, die nach der Bundestagswahl weitermachen wollen wie bisher.

Deren Reaktionen fallen entsprechend aus. Dass Maaßens Ankündigung bei SPD, Grünen und der Linken für eine Art fröhliches Entsetzten sorgen würde, war absehbar; Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) etwa fühlte sich an einen Aprilscherz erinnert, Abgeordnete der Grünen und der Linkspartei äußerten sich ähnlich. Aber auch aus der CDU kam teils harsche Kritik an den politischen Ambitionen des Ex-Verfassungsschutzpräsidenten, der immerhin seit 1987 Mitglied der CDU ist.

Marco Wanderwitz, CDU-Parlamentarier und Beauftragter der Bundesregierung für die neuen Bundesländer, sprach gegenüber dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ von „Irrsinn“ und davon, dass aus seiner Sicht „Herr Maaßen in Stil und Inhalt schon länger nicht mehr kompatibel mit der Christlich-Demokratischen Union“ sei. Eine Begründung für diese Einschätzung lieferte Wanderwitz indes nicht.

Dass ausgerechnet ein Politiker, der qua Amt zumindest eine gewisse Sensibilität für die Befindlichkeiten im Osten Deutschlands haben sollte, seine thüringischen Parteifreunde öffentlich als Irre bezeichnet, lässt tief blicken. Das ganze erinnert an den hessischen CDU-Generalsekretär Manfred Pentz, der die Merz-Anhänger noch im Januar als „Dschihadisten“ bezeichnet hatte. Mit den Äußerungen von Wanderwitz oder des CDU-MdB Matthias Hauer, der Maaßen auf Twitter sogar einen „Hetzer“ nannte, ist nun eine neue Eskalationsstufe erreicht.

Laschets Autoritätsproblem

Keine sechs Monate vor der Bundestagswahl brechen also die lediglich von der Corona-Krise verdeckten innerparteilichen Grabenkämpfe wieder voll auf. Und das auch noch in einer Zeit dramatisch sinkender Umfragewerte für die Union, die nicht nur diversen Masken-Skandalen und dem schlechten Pandemie-Management der Bundesregierung geschuldet sind. Sondern auch einem Führungsvakuum der CDU, die zwar mit Armin Laschet seit gut zwei Monaten einen neuen Vorsitzenden hat. Aber eben immer noch keinen Kanzlerkandidaten. Und je länger sich diese Hängepartie hinzieht, desto lauter werden Stimmen aus den eigenen Reihen, die sich Markus Söder für diese Rolle wünschen. Laschet hat offensichtlich ein Autoritätsproblem, das mit der Personalie Maaßen nun noch um eine Facette reicher geworden ist.

Noch aber ist Hans-Georg Maaßen nicht als Direktkandidat des Wahlkreises 196 nominiert. Das wird sich erst bei der Delegiertenversammlung der vier örtlichen Kreisverbände am 23. April entscheiden. Bisher gibt es noch keinen Gegenkandidaten, doch es ist davon auszugehen, dass derzeit im Konrad-Adenauer-Haus fieberhaft nach einer Person gesucht wird, die gegen Maaßen antritt. Insgesamt 44 Delegierte umfasst das Wahlgremium, sie alle können sich schon jetzt auf ein paar Anrufe aus der CDU-Parteizentrale einstellen. 

Denn in der Unionsführung sieht man in Maaßen exakt jene Figur, die den konservativen Gegnern des Merkel-Kurses innerhalb der eigenen Partei ein Gesicht geben könnte. Deren bisherige Protagonisten, etwa die Bundestagsabgeordnete Sylvia Pantel oder Alexander Mitsch, Vorsitzender der Werte-Union, sind der großen Öffentlichkeit kaum bekannt. Ganz anders Hans-Georg Maaßen, der wegen seiner umstrittenen Äußerungen zu vermeintlichen „Hetzjagden“ bei Ausschreitungen am 7. September 2018 in Chemnitz die Schlagzeilen beherrschte. Seit seiner wenige Wochen später erfolgten Versetzung in den einstweiligen Ruhestand wird der Ex-Verfassungsschutzpräsident in Teilen der Union (und auch der AfD) als eine Art Law-and-Order-Märtyrer gefeiert.

Vorsitz der „Werte-Union“?

Tatsächlich würde mit ihm ein konservativer „Promi“ in den Bundestag einziehen. Es wird deshalb schon gemutmaßt, ob Maaßen auch den Vorsitz der „Werte-Union“ anstreben könnte, deren bisheriger Vorsitzender Mitsch seinen Rückzug angekündigt hat. Maaßen wäre dann nicht nur Bundestagsabgeordneter, sondern auch so etwas wie ein halboffizieller „Gegen-Parteivorsitzender“ als Galionsfigur des konservativen Flügels. Dass aus solch einer Konstellation nicht gerade ein Zuwachs an Geschlossenheit für die in dieser Hinsicht einst äußerst disziplinierte CDU erwächst, liegt auf der Hand. Und genau deswegen schrillen im Adenauer-Haus wegen Maaßens Plänen die Alarmglocken.

Sollte er tatsächlich zum Bundestagskandidaten nominiert werden, stehen seine Chancen auf ein Mandat alles andere als schlecht. Der bisherige CDU-Abgeordnete Mark Hauptmann hatte den thüringischen Wahlkreis bei der zurückliegenden Wahl mit 33,6 Prozent gewonnen; Zweitplatzierter war ein AfD-Kandidat mit 22,8 Prozent. Da Hans-Georg Maaßen auch von vielen bisherigen AfD-Wählern geschätzt wird, dürften etliche davon ihm am 26. September allein schon wegen dessen Prominenz ihre Stimme geben.

Ob Maaßen neben der Direktkandidatur auch einen Listenplatz anstrebt, ist bisher noch unklar. Sicher hingegen ist, dass der ehemalige Verfassungsschutzpräsident als Parlamentarier seine Schwerpunkte im Bereich der Inneren Sicherheit und der Migrationspolitik setzen würde. Er gilt außerdem als Kritiker des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, dem Maaßen (nicht zuletzt wegen seiner Erfahrungen mit Chemnitz) mehrfach einseitige Berichterstattung vorgeworfen hat.

Nicht nur Kritik

Maaßen stammt aus Nordrhein-Westfalen, kennt seinen angestrebten Wahlkreis in Thüringen aber recht gut, seit er dort bei den zurückliegenden Landtagswahlen mehrfach als Wahlkampfredner auftrat. Wie es heißt, seien mehrere Thüringer CDU-Leute auf ihn zugekommen, nachdem klar war, dass ein Nachfolger für den in Ungnade gefallenen MdB Hauptmann gefunden werden muss. Der Thüringer CDU-Landeschef Christian Hirte äußerte sich am Freitag auf Twitter denn auch wesentlich konzilianter zur Causa Maaßen als etwa der Ost-Beauftragte Wanderwitz: „Ich teile viele Sichtweisen und den Stil von Maaßen nicht. Für die CDU Thüringen steht aber fest: Politik für Thüringen ohne AfD und Linke!“ Als eine deutliche Abgrenzung in Richtung des Ex-Verfassungsschützers ist das kaum zu verstehen.

Klare Unterstützung erhielt Maaßen hingegen vom CDU-Landtagsabgeordneten und früheren Berliner Innensenator Frank Henkel. Der ließ sich heute mit folgenden Worten vernehmen: „Wenn HGM (Hans-Georg Maaßen, Anm. d. Red.) nicht mehr zur Union passt, dann passe ich auch nicht mehr! Aber genau das ist der heutige Geist in der Union. Volkspartei war früher! Ich drücke weiter die Daumen, dass die Kreisverbände stark bleiben! Wäre ein tolles Signal!“ Nach Burgfrieden klingt das alles nicht.

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