Anschlag von Hanau - Der Kampf gegen Extremisten braucht Demokraten

Am heutigen Donnerstag findet im Bundestag eine Debatte zu Hanau statt. Die Bundesregierung betont, wie ernst sie ihren Kampf gegen Rechtsextremismus nimmt. Die Frage ist allerdings, ob sie dafür die richtigen Partner hat, schreibt Ahmad Mansour.

Gedenken an die Opfer von Hanau: Hat der Integrationgipfel der Bundesregierung versagt? / picture alliance
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Autoreninfo

Ahmad Mansour ist Psychologe und Autor. Als Islamismus-Experte beschäftigt er sich mit der Radikalisierung und Unterdrückung im Namen der Ehre und mit Antisemitismus in der islamischen Gemeinschaft. Zusammen mit anderen hat er 2018 die Initiative „Säkulärer Islam“ gegründet. 

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Die kurz aufeinanderfolgenden Taten in Halle und Hanau durch rechtsextreme Ideologie motivierter Mörder erschüttern. Etwas, das wir alle, ob Migrant oder Einheimischer, glaubten hinter uns in der dunklen, braunen Vergangenheit gelassen zu haben, kracht mit erschreckender Brutalität in unseren Alltag.

Dazwischen die Wahl des FDP-Mannes als Ministerpräsidenten mit Unterstützung der AfD in Thüringen. Dies schien so manchen an den Beginn des Siegeszuges der NSDAP zu erinnern, der mit einem ähnlichen Clou im thüringischen Landtag begann. Mir scheint, als erlebe Deutschland, vor allem das politische, ein kollektives Déjà-vu. Das Ende der Demokratie sei nahe, hörte man in den vergangenen Tagen oft. Das macht Angst. Den einen davor, selbst zur Zielscheibe von rassistischen Angriffen zu werden, den anderen davor, das Kippen des gesellschaftlichen Klimas nicht mehr aufhalten zu können.

Wie können wir aus Nicht-Demokraten Demokraten machen? 

Für eine friedliche Zukunft in Deutschland, für eine vielfältige, wehrhaft demokratische Gesellschaft brauchen wir eine Politik, die dieses Land gestaltet und nicht in einem Teufelskreis des Reagierens auf Ereignisse gefangen ist. Wer Demokratie schützen will, muss alle Bürgerinnen und Bürger für die Demokratie gewinnen, für die Werte dieser Gesellschaft begeistern wie für das Recht auf Würde, freie Persönlichkeitsentfaltung oder Gleichberechtigung, um nur einige zu nennen.

Das gilt für Migranten, die seit mehreren Generationen hier leben, für Flüchtlinge genauso wie für die Mehrheitsgesellschaft. Um die Interessen der Zuwanderer stärker zu berücksichtigen, veranstaltet die Bundesregierung seit 2006 einen Integrationsgipfel. Eine Frage, die er sich stellen müsste, wäre also: Wie können wir aus Nicht-Demokraten Demokraten machen und sie in unsere Mitte integrieren? Integration bedeutet, die Werte des Grundgesetzes zu verinnerlichen, Verantwortung für die solidarische Gemeinschaft zu übernehmen und emotional anzukommen in dieser Gesellschaft, sich zugehörig zu fühlen – aus sich heraus, nicht aufgrund der Definition von außen, „Du gehörst zu uns.“, sondern aufgrund einem klaren „Ich gehöre dazu“. So kann aus dem fremden Ihr ein vertrautes Wir werden. 

Die Ursachen für die Polarisierung erforschen

Migranten, Flüchtlinge und Muslime sind Opfer rechtsextremen Terrors geworden. Unter keinen Umständen darf man dies rechtfertigen, relativieren, tolerieren oder ohne Konsequenzen weitermachen. Die Ursachen für die Polarisierung und gewalttägige Entladung müssen ehrlich erforscht werden. Mit derselben Energie müssen jedoch auch die Herausforderungen gelöst werden, die zur Entstehung und Verfestigung von Parallelgesellschaften geführt haben. Demokratie stärkt man nicht mit einer eindimensionalen Betrachtung der Gefahren, sondern in der Gesamtheit seiner Erscheinungen. 

Wer diesbezüglich nur das politisch Bequeme erwähnt und andere Extremisten ignoriert, wird diesen Kampf verlieren. Die Zukunft der Demokratie können nur Demokraten gestalten. Wer den Kampf gegen Hass anderen antidemokratischen Akteuren überlässt oder sie zum Partner macht, rettet die Demokratie nicht, sondern stärkt die Spaltung und schwächt das Land. 

Opfer sein ist keine Qualifikation 

Für eine gesamte Betrachtung der Herausforderung unserer Gesellschaft, für die Entwicklung einer wirkungsvollen nationalen Strategie, muss der Blick nach rechts gehen, aber auch auf den eigenen Rassismus, auch innerhalb der migrantischen Community. Migrant zu sein schützt nicht davor, selbst zu diskriminieren, andere abzuwerten oder rassistisch zu denken oder zu handeln.

Das eine schließt das andere nicht aus und, dies möchte ich betonen, relativiert das jeweils andere nicht. Opfer zu sein ist keine Qualifikation, aber auch kein Hindernis, sondern ein Zustand, den wir verpflichtet sind ernst zu nehmen. Und das gelingt uns, indem für die Sicherheit aller Menschen in Deutschland sorgen, die Menschen mitnehmen und beteiligen. 

Die Bundesregierung muss ihre Partner besser aussuchen 

Es wäre deshalb richtig, beim nächsten Integrationsgipfel die Partner für eine bessere Integration sorgfältiger zu wählen, mehr kritische Stimmen einzuladen und sich als Ziel zu setzen, emotionale Zugänge in diese Gesellschaft zu ermöglichen, Ängste der Menschen abzubauen und mit Energie zu werben, dass die Menschen die Werte dieser Gesellschaft als Chance und Gewinn für sich und ihre Familien verstehen und nicht als Risiko. 

Beim Blick auf die aktuellen Partner der Bundesregierung, die den Rechtsextremismus entschieden bekämpfen will, habe ich das Gefühl, als nehme sie den Kampf nicht ernst. Anders kann ich mir nicht erklären, warum sie ihre Partner für diesen Kampf so willkürlich wählt und antidemokratische Haltungen bei ihren Partnern toleriert. Besonders die Verbände wie DITIB, die zwar absolut zu Recht Rassismus und Terror anmahnen und benennen, aber in ihren Moscheen gegen Andersdenkende oder Erdogan-Kritiker predigen lassen. Genauso der Zentralrat der Muslime, der nachgewiesenermaßen bei sich Akteure beheimatet, die Verbindungen zu Vertretern des politischen Islams und türkischen Nationalisten unterhalten. Beides Gruppen, die ausgrenzend, abwertend und teilweise demokratiefeindlich agieren. Wer wirklich Demokratie stärken will und Toleranz propagiert, muss diese Aufgabe mit Demokraten erfüllen, wer auf der rechte Seite die Gefahren sieht, darf seinen eigenenRassismus nicht ausblenden. Wer das tut, ist kein Partner, sondern Teil des Problems.

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