Gefahr für die liberale Demokratie - Nicht Gleichstellung, sondern Gleichberechtigung ist die Aufgabe

Das Grundgesetz erklärt die Gleichberechtigung der Geschlechter zum Ziel, aber keineswegs die Gleichstellung. Abweichungen von einer exakt hälftigen Geschlechterverteilung müssen nicht das Ergebnis von Diskriminierung sein. Wir sollten Menschen nehmen, wie sie sind.

Alle Artikel des Grundgesetzes sind in gläserne Stehlen im Regierungsviertel graviert - hier der 3. Artikel / dpa
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Autoreninfo

Dr. Christoph Ploß ist Mitglied des Deutschen Bundestages (CDU/CSU-Fraktion), Vorsitzender der Hamburger CDU-Landesgruppe im Bundestag und promovierter Historiker.

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„Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ So steht es in Artikel 3 des Grundgesetzes. Notabene: Unser Grundgesetz spricht nicht etwa von Gleichstellung, sondern von tatsächlicher Gleichberechtigung; nicht die Abschaffung aller Unterschiede zwischen Frauen und Männern wird unserem Staat als Ziel aufgegeben, sondern er muss dafür sorgen, dass alle die gleichen Rechte und damit auch Chancen haben – wie diese genutzt werden, bleibt in unserer freiheitlichen Gesellschaft jeder und jedem Einzelnen überlassen.

Diese kluge Wertung unseres Grundgesetzes war selten zeitgemäßer. Sie passt auch zu neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen. So hat eine umfangreiche Metastudie des schwedischen Karolinska-Instituts, einer der angesehensten medizinischen Fakultäten Europas, erst kürzlich aufgezeigt, dass die statistischen Unterschiede zwischen Frauen und Männern in wohlhabenden, fortschrittlichen Ländern tendenziell sogar größer sind als in anderen Ländern. Natürlich haben Frauen und Männer auch dieser Studie zufolge wesentlich mehr gemeinsam, als sie trennt. Sie zeigt aber, dass das Ergebnis freier, selbstbestimmter Gleichberechtigung eine vielfältige Gesellschaft ist und gerade nicht absolute Ergebnisgleichheit.  

 

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Vor allem viele linke Aktivisten und Politiker lassen sich von Grundgesetz und Wissenschaft freilich nicht beeindrucken. Akribisch suchen einige von ihnen nahezu jeden gesellschaftlichen Bereich danach ab, ob sich irgendwo statistische Unterschiede in der Verteilung von Männern und Frauen finden lassen. Jede Abweichung von einer exakt hälftigen Geschlechterverteilung prangern sie mindestens als eindeutigen Nachweis einer Diskriminierung, oft genug auch noch als Beweis patriarchalischer Strukturen an.

Gefahr für die Demokratie und wirklichkeitswidrig

Dieser Ansatz ist – zu Ende gedacht – nicht nur eine Gefahr für unsere liberale Demokratie; mit Recht haben daher etwa bereits mehrere Landesverfassungsgerichte dem Ansinnen von SPD, Linkspartei und grüner Partei eine Absage erteilt, feste Geschlechterquoten für Parlamente festzulegen. Er wird auch der Lebenswirklichkeit und den freien Entscheidungen der Menschen in unserem Land nicht gerecht.  

Dabei ist unumstritten, dass es auch in Deutschland noch immer Beispiele für Geschlechterdiskriminierung gibt, gegen die auch die Politik vorgehen muss. Auch für echte Chancengerechtigkeit gibt es noch genug zu tun, sowohl politisch – denkt man etwa an die zuletzt erfolgte Elterngeldkürzung oder die vielerorts noch immer fehlenden Kinderbetreuungsangebote – als auch gesellschaftlich. So ist es beispielsweise oftmals noch viel zu selbstverständlich, dass sich in den meisten betroffenen Familien allein die Frauen um pflegebedürftige Angehörige kümmern. Exakt gleiche Ergebnisse oder eine genau hälftige Verteilung von Frauen und Männern in allen möglichen Bereichen von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft politisch zu erzwingen, schafft aber nicht mehr Freiheit für Frauen und Männer, sondern weniger.  

Die Menschen nehmen, wie sie sind

Auch die CDU wird sich bei ihrem Parteitag im Mai mit diesem Thema beschäftigen. Dies hat sie drei engagierten Frauen zu verdanken, die dafür einen ungewöhnlichen Weg gewählt haben: Sie nutzten die vom damaligen CDU-Generalsekretär Peter Tauber eingeführte Möglichkeit, dass alle Mitglieder Anträge beim Bundesparteitag einbringen können, wenn diese von mindestens 500 Mitgliedern unterstützt werden. Kurzerhand haben Caroline Bosbach, Franziska Dezember und Lisa Schäfer einen Antrag geschrieben, der fordert, im neuen Grundsatzprogramm der CDU stets „Gleichberechtigung“ statt „Gleichstellung“ zu schreiben. Innerhalb kurzer Zeit hatten sie die erforderlichen Unterstützer beisammen. 

Eine erfreuliche Initiative! Denn wie die frühere Bundesministerin Kristina Schröder und der Mainzer Historiker Andreas Rödder einmal formulierten: „Gleichstellung und Gleichberechtigung stehen für unterschiedliche Gesellschaftsmodelle. Wer Gleichstellung sagt und meint, Gleichberechtigung zu meinen, weil Begriffe doch nicht so wichtig seien, darf sich nicht wundern, wenn hinterher tatsächlich Gleichstellung praktiziert wird.“

Für die CDU war immer klar: Ziel unserer Politik ist nicht, die Menschen nach einem irgendwie gearteten Gesellschaftsbild zu formen, sondern sie so zu nehmen, wie sie sind. Die Gesellschaft muss für den Menschen da sein, nicht andersherum. Dazu passt Gleichstellungspolitik nicht. Der vor kurzem verstorbene Wolfgang Schäuble antwortete einst, mit der Forderung nach einer „aktiven Gleichstellungspolitik“ konfrontiert, dass es der CDU um die Durchsetzung der Gleichberechtigung, nicht um Gleichstellung sowie um Gleichheit in den Ausgangschancen, nicht um Ergebnisgleichheit gehe. Er hatte Recht. 

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