Verbraucherzentrale Bundesverband - Parteipolitik aus Bundesmitteln

Statt sich für Verbraucherinteressen stark zu machen, folgt der Verbraucherzentrale Bundesverband lieber dem grünen Parteidogma, wonach Gentechnik eine Hochrisikotechnologie darstellt – und gibt ein erwartbar pseudowissenschaftliches Gutachten in Auftrag.

Macht den vzvb zur Vorfeldorganisation der grünen Partei: Ramona Pop / dpa
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Autoreninfo

Ludger Weß schreibt seit den 1980er Jahren über Wissenschaft, vorwiegend Gen- und Biotechnologie. Davor forschte er als Molekularbiologe an der Universität Bremen. 2017 erschienen seine Wissenschaftsthriller „Oligo“ und „Vironymous“ und 2020 das Sachbuch „Winzig, zäh und zahlreich - ein Bakterienatlas“.

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Der Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. (vzbv), die Dachorganisation der Verbraucherzentralen und -verbände Deutschlands, ist gemeinnützig und soll nach Angaben der Bundesregierung „unabhängig und parteipolitisch neutral“ arbeiten. Finanziert wird die Arbeit des vzbv vorwiegend aus Mitteln des für Verbraucherschutz zuständigen Bundesministeriums, das 2021 21,9 Mio. Euro des 22,4 Mio. Euro umfassenden institutionellen Haushalts zur Verfügung stellte. Seit 2007 gilt der vzbv als Erbhof der grünen Partei – von Gerd Billen über Klaus Müller und, seit 1. Juli 2022, Ramona Pop gehörten die Vorstände der grünen Partei an.

Ramona Pop, von 2016 bis 2021 Bürgermeisterin von Berlin im Senat Müller II sowie Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe, macht den vzvb nun ganz offen zur Vorfeldorganisation der grünen Partei. Die mag keine grüne Gentechnik und schießt derzeit aus allen Rohren gegen die Überlegungen der EU-Kommission, die neuen Züchtungstechniken (Stichwort: Gene Editing) nicht als aufwändig zu regulierende und zulassungspflichtige Gentechnik, sondern wie die seit langem auch vom Biolandbau akzeptierte Mutationszüchtung einzustufen.

Verbraucher hätten große Vorteile

Die Idee liegt auf der Hand: Bei der Mutationszüchtung werden Pflanzenzellen mit radioaktiver Strahlung oder Chemikalien traktiert, die zehntausende von zufälligen Mutationen verursachen (links im Bild), beim Genome Editing hingegen (ganz rechts) wird nur eine einzelne Mutation erzeugt, und zwar an einer genau vorherbestimmten Stelle. Bei der normalen Kreuzungszüchtung werden sogar vollkommen neue Gene eingeführt.

Quelle: Etienne Bucher

Während bei der Mutagenese Pflanzen mit den gewünschten Eigenschaften nach dem Zufallsprinzip entstehen (und alle sonstigen, nachteiligen Mutationen in jahrelangen Züchtungsorgien wieder herausgekreuzt werden müssen), zeigt beim Gene Editing die behandelte Pflanze sofort die gewünschte Eigenschaft. Und während im ersten Fall hunderte Mutationen unerkannt bleiben und womöglich erst viel später negativ auffallen können, lässt sich im zweiten Fall sehr präzise erkunden, ob eventuell noch an anderer Stelle eine Veränderung stattfand. 

Selbst forschende Vertreter des Biolandbaus sind längst zu der Erkenntnis gelangt, dass das Gene Editing auch dem Ökolandbau nutzen könnte, der noch immer mit umwelt- und gesundheitsschädlichen Naturstoffen gegen Schädlinge und Pflanzenkrankheiten zu Felde zieht. Dazu gehören das Schwermetall Kupfer, das Boden- und Wasserlebewesen schädigt und auf dem Acker antibiotikaresistente Bakterien entstehen lässt sowie Nervengifte wie Pyrethrum oder Rotenon. Gene Editing könnte pilz- und insektenresistente Sorten liefern, die auch vom Biolandwirt nicht mehr „gespritzt“ werden müssten.

Verbraucher hätten große Vorteile, denn der konventionelle Landbau könnte mit weniger Pestiziden auskommen, und bessere Ernten beim Biolandbau würden auch in diesem Sektor zu niedrigeren Preisen führen. Abgesehen davon bedeuten neue, an den Klimawandel besser angepasste Sorten auch Versorgungssicherheit. Zu diesem Schluss kam u.a. 2019 eine Studie der Leopoldina, an der 14 Pflanzenwissenschaftler und drei akademische Einrichtungen beteiligt waren.

Hang zu naturromantischen Verklärungen

Doch statt sich für solche vitalen Verbraucherinteressen stark zu machen, folgt der vzbv lieber dem grünen Parteidogma, wonach Gentechnik eine Hochrisikotechnologie darstellt, die niemand kontrollieren kann, sobald gentechnisch veränderte Organismen einmal in die Umwelt gelangen. Warum das für Sorten, bei denen mit konventionellen Methoden gleich aberhunderte oder tausende Gene verändert wurden, nicht gelten soll, bleibt das Geheimnis der Partei, die bekanntermaßen einen Hang zu naturromantischen Verklärungen hat.
 

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Um die grünen Querdenkerthesen zu untermauern, hat Ramona Pops vzbv die Stellungnahmen der Wissenschaft links liegengelassen und aus den vom Bund zur Verfügung gestellten Mitteln ein „Gutachten“ bei einem Miniverein in München bestellt, der seit Jahren gegen Gentechnik kämpft und sich von Stiftungen und Firmen aushalten lässt, die unermüdlich vor genvergifteter Nahrung und großflächiger Genverseuchung Mitteleuropas warnen.

Hypothetische Gefahren und Strohmannargumente

Das Gutachten ist denn auch ein Lehrbuchbeispiel für Pseudowissenschaft: aus dem Kontext gerissene Versatzstücke aus Studien, Fehlinterpretation von Studien, esoterische Konzepte (das Herbeifantasieren einer sozusagen heiligen Sphäre im Genom eines Organismus, in die Genome Editing unbefugt eindringt, ist eine fixe Idee des Vereins), hypothetische Gefahren, die auch auf konventionell gezüchtete Pflanzen zutreffen können, das Weglassen von Studien und Informationen, die den Vereinsthesen widersprechen, das Aufbauen von Strohmannargumenten und so weiter.

Das Beste aber ist: Die „Studie“ ist in englischer Sprache verfasst. Sie richtet sich also gar nicht an die deutschen Verbraucher, für die der vzbv zuständig ist, sondern offensichtlich an die englischsprechende EU-Bürokratie – ein Musterbeispiel für den Versuch, politisches Lobbying zu betreiben, und zwar für die Position einer Partei, die zufällig die gleiche ist wie die von Ramona Pop und die der seit Ende 2021 für Verbraucherschutz zuständigen Umweltministerin (und bekennender Gentechnik-Gegnerin) Steffi Lemke. Man darf gespannt sein, ob eine derart dreiste Zweckentfremdung von öffentlichen Mitteln für Parteiarbeit folgenlos bleibt.

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