Gazprom finanziert Umweltstiftung - Schwesigs Schmierentheater

Mecklenburgs-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig gibt den Namen ihres Bundeslandes für eine Stiftung her, die sich formell den Klimaschutz auf die Fahnen geschrieben hat. Der große Profiteur ist jedoch nicht die Umwelt, sondern Gazprom mit seinem Nord Stream 2-Projekt.

Ausgetrickst: Manuela Schwesig holt Gazprom für eine Stiftung ins Boot, um die Sanktionen gegen Nord Stream 2 zu umschiffen / dpa
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Thomas Dudek kam 1975 im polnischen Zabrze zur Welt, wuchs jedoch in Duisburg auf. Seit seinem Studium der Geschichts­­wissen­schaft, Politik und Slawistik und einer kurzen Tätigkeit am Deutschen Polen-Institut arbei­tet er als Journalist.

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Wie macht man ein PR-Video, mit dem man der Öffentlichkeit eine fragwürdige Entscheidung als einen großen Schritt für den Umweltschutz verkaufen kann? Und dies noch im Zusammenhang mit Nord Stream 2, einem der umstrittensten Projekte, dem nicht nur im Ausland mit großem Misstrauen begegnet wird, sondern das seit dem Giftanschlag auf Alexej Nawalny auch in Deutschland immer mehr in der Kritik steht. Diese Frage dürften sich die Mitarbeiter von Manuela Schwesig gestellt haben, als es um die Begründung für die neue landeseigene „Stiftung Klima- und Umweltschutz MV“ ging, für die der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern jetzt mit den Stimmen von SPD, CDU und der Linken in einer Sondersitzung den Weg freigemacht hat. 

Das Ergebnis: Keyboard-Musik zur Untermalung, die man sich auch bei der Eröffnung eines Möbelhauses vorstellen könnte. Sätze mit Superlativen wie „Es geht uns darum, Umwelt- und Klimaschutzprojekte voranzubringen. Große Projekte“. Ein bisschen Zivilgesellschaft à la „die breite Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger beim Klimawandel zu unterstützen“. Dazu ordentlich Greenwashing, indem man das über die Ostsee-Pipeline gelieferte Gas als wichtige „Brückentechnologie“ beim Ausstieg aus der Atom- und Kohlekraft darstellt und als I-Tüpfelchen noch ein bisschen Anti-Amerikanismus. „Die Fertigstellung der Ostsee-Pipeline wird bedroht durch amerikanische Sanktionen. Aus eigenem wirtschaftlichem Interesse der Amerikaner.“ 

Massive Kritik von Umweltschützern 

Doch was die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern und ihr Team sich da ausgedacht haben, kann man nicht anders bezeichnen als ein Schmierentheater. Was aber nicht nur an dem Video liegt, in dem Schwesig viel über Umweltschutz redet, die Kritik der europäischen Partner an Nord Stream 2 aber ebenso verschweigt wie den russischen Staatskonzern Gazprom, dem alleinigen Eigentümer der Projektgesellschaft Nord Stream 2. Kein Wort verliert die Ministerpräsidentin auch über die Zweifel an der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit der umstrittenen Pipeline durch die Ostsee, die man in einer Studie des DIW von 2018 nachlesen kann. Nein, das auf Twitter veröffentlichte Video konnte nur als Schmierentheater enden, weil schon die von Schwesig beworbene Stiftung in ihren Strukturen nichts anderes ist.

Man stelle sich vor, jemand würde Gurken gelb anmalen und als Bananen deklarieren. Es wäre nichts anderes als ein dreister Etikettenschwindel. Nicht anders verhält es sich mit der von Schwesig initiierten Klimastiftung, wie die Umweltverbände NABU und WWF Deutschland in einer gemeinsamen Stellungnahme erklärten. „Mit Steuergeldern werden hier unter dem Deckmantel des Umweltschutzes Verpflichtungen des Klimaschutzes untergraben und die Klimakrise weiter angeheizt. Zudem zerstört der Bau sensible Ökosysteme in der Ostsee, die bereits jetzt in einem schlechten Zustand ist“, kritisieren die beiden Organisationen, denen man bezüglich Nord Stream keinen mangelnden Pragmatismus vorwerfen kann. In der 2011 gegründeten Ostseestiftung, die als Ausgleich zum Bau von Nord Stream 1 entstand, arbeiten diese mit der Nord Stream AG zusammen. 

Eine Stiftung als Warenlager 

Und dass die beiden Umweltorganisationen bezüglich der Klimakrise nicht übertreiben, zeigen Untersuchungen. Ja, bei der Verbrennung von Gas entsteht zwar weniger CO2 als bei Kohle, was mit ein Grund für das Märchen vom sauberen Gas ist. Die bei der Förderung von Erdgas entstandenen Methanemmissionen belasten das Klima jedoch ebenfalls sehr stark. Ein Methanmolekül erwärmt die Luft sogar vielfach stärker als Kohlendioxid. Wenn man noch bedenkt, dass das Gas für Nord Stream 2 aus arktischen, ökologisch sensiblen Regionen stammen soll, dann kann man bei dieser neuen Umweltstiftung eigentlich nur noch den Kopf schütteln.

Zweifel an den umweltpolitischen Zielen der neuen Stiftung werden noch stärker, wenn man sich deren wirtschaftliche Kompetenzen anschaut. Denn laut Vorstellung der Landesregierung in Schwerin kann diese als eine Art „Warenlager“ fungieren, indem sie von Zulieferern für die Fertigstellung der Pipeline notwendige Materialien und Maschinen kauf, es fehlen noch rund 150 Kilometer. Was nichts anderes bezwecken soll, als diese vor möglichen US-Sanktionen, die auch unter dem neuen US-Präsidenten Joe Biden möglich sind, zu schützen. Ein Trick, an dessen praktischer Umsetzung Experten wie der Wissenschaftler Thomas O’Donnel von der Hertie School of Governance jedoch ihre Zweifel haben.

Das Land gibt seinen Namen für Etikettenschwindel her

Richtig großes Unbehagen kommt jedoch auf, wenn man einen Blick auf das Stiftungskapital wirft. 200.000 Euro kommen vom Land Mecklenburg-Vorpommern. Die Nord Stream AG steuert jedoch 20 Millionen Euro bei. Langfristig sollen es gar 60 Millionen werden. Da hilft auch nicht der ehemalige Landesvater Erwin Sellering als Ehrenamtlicher Stiftungsvorsitzender. Bei diesen Summen ist es schlicht unverständlich, warum dieses Konstrukt als landeseigen gilt und das für Mecklenburg-Vorpommern stehende Kürzel MV im Namen trägt. Nein, es ist ein von Gazprom als größtem Profiteur des Ostsee-Pipeline finanziertes Schmierentheater, für das Schwesig den guten Namen eines ganzen Bundeslandes hergegeben hat.  

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