G-20-Gipfel - Auf der anderen Seite

Wolfgang Schmidt ist Hamburgs „Außenminister“ in Berlin. Derzeit bereitet er den G-20-Gipfel vor und muss nicht nur Staatsgäste hofieren, sondern auch Kritiker besänftigen

Erschienen in Ausgabe
Wolfgang Schmidt ist Denker und Lenker, Berater und Kritiker zugleich / picture alliance
Anzeige

Autoreninfo

Matthias Iken ist stellvertretender Chefredakteur des Hamburger Abendblatts.

So erreichen Sie Matthias Iken:

Anzeige

Wäre Wolfgang Schmidt 20 Jahre jünger, vermutlich stünde er auf der anderen Seite. Dann würde er nicht im Kontakt zu Regierungsvertretern aus aller Welt stehen, sondern den Widerstand planen. Nicht an der Agenda des wichtigsten Gipfels des Jahres mitarbeiten, sondern an Resolutionen für eine bessere Welt. Und er würde nicht für Staatsgäste ein Konzert in der Elbphilharmonie organisieren, sondern das Zeltlager der G-20-Gegner.

Aber wie wusste schon der Liedermacher Wolf Biermann: „Nur wer sich ändert, bleibt sich treu.“ Wobei Schmidt nicht seine Ziele geändert hat, sondern nur die Wege dorthin. Der gebürtige Hamburger engagierte sich seit Schulzeiten in der Dritte-Welt-Arbeit, als 19-Jähriger trat er den Jusos bei. Seit 2011, dem Wahlsieg der SPD in Hamburg, ist der Vater zweier Töchter Bevollmächtigter der Stadt Hamburg beim Bund, bei der EU und für Auswärtige Angelegenheiten. Das klingt sperrig, meint aber nicht mehr als „Hamburgs Außenminister“. Schmidt ist durch die Institutionen marschiert – und schreitet dabei Seit an Seit mit Olaf Scholz, Hamburgs Bürgermeister. 

Auch versiert als Troubleshooter

Die beiden kennen sich seit Jahrzehnten. Als Scholz 2002 zum Generalsekretär der SPD gewählt wurde, machte er den Juristen zu seinem persönlichen Referenten. Als Scholz nach der Bundestagswahl 2005 seine Karriere als Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion neu aufbaut, leitete Schmidt sein Büro. Zwei Jahre später wird Scholz Arbeitsminister und Schmidt Leiter des Ministerbüros.

Schmidt ist für Scholz mehr als ein Sozius, er ist Denker und Lenker, er ist Berater und Kritiker zugleich. So hilft er, Scholz in Berlin ins richtige Licht zu rücken, damit dieser weiter in Gedanken am Zaun des Kanzleramts rütteln und 2021 womöglich Kanzler werden kann. Schmidt hat die Landesvertretung in Berlin zu einem beliebten Treffpunkt ausgebaut. „Dabei ging es auch darum, Hamburg und Berlin wieder zu versöhnen“, sagt der Wahlberliner. Die spröde Schöne im Norden blickt mitunter etwas neidisch auf die lebenslustige Metropole an der Spree. Und wenn es eng wird, gibt der 46-Jährige auch den Troubleshooter – zuletzt organisierte er die diplomatisch diffizile Eröffnung der Elbphilharmonie mit einer Gästeliste, die niemanden verprellen durfte. 

Nun muss der glühende St.-Pauli-Fan den G-20-Gipfel in Hamburg mitorganisieren, den viele in der Stadt als Danaergeschenk der Kanzlerin verstehen. Als sich im Herbst 2015 die Planungen für die deutsche G-20-Präsidentschaft konkretisierten, träumte Hamburg noch von Olympischen Sommerspielen 2024. 

Das Treffen der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer, die zwei Drittel der Weltbevölkerung repräsentieren, ist in Wahrheit ein G-35-Gipfel geworden, mit sieben Gaststaaten und acht internationalen Organisationen, darunter die Uno, der IWF, die Weltgesundheitsorganisation. Und es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet ein Treffen, das für multilaterale Problemlösungen steht, Linke auf die Barrikaden treibt.

In Hamburg dominieren die Kritiker

Schmidt drückt es diplomatisch aus. „Ich finde es schade, dass die Chancen nicht gesehen werden“, sagt er. Der Gipfel sei so wichtig wie nie. „Plötzlich stellen einige Freihandel oder Klimaschutz infrage, da müssen wir doch diskutieren.“ Zudem könnten in Hamburg bei dem ersten bilateralen Treffen zwischen Donald Trump und Wladimir Putin Weltprobleme wie der Syrienkonflikt angegangen werden. 

Doch in Hamburg dominieren die Kritiker den Diskurs. Das liegt auch an den Zeitläuften: Erdogan benimmt sich wie ein Sultan, Putin wie ein neuer Zar und Trump wie ein Autokrat. Auch der Veranstaltungsort polarisiert. Das Messegelände liegt inmitten des alternativen Karoviertels, in dem die Linkspartei die stärkste politische Kraft ist. Entsprechend leicht fällt linken Gruppen die Mobilisierung gegen den Gipfel.

Schmidt sucht das Gespräch mit den Kritikern, setzt auf Argumente. Es sei ein Gipfel, der gerade auch die Armen repräsentiere, es gehe um die großen Themen wie Finanzmarktkontrolle, Klimaschutz, Sicherheit. Auf der Agenda steht auch das Thema Steuervermeidung durch Gewinnverlagerungen. Das ist eigentlich auch ein Thema von Globalisierungskritikern. Doch Argumente treffen auf eine diffuse Gefühlslage gegen die da oben, Diplomatie auf Klassenkampfrhetorik. 

Ob der G-20-Gipfel im Juli ein Erfolg wird, hängt nicht nur an den Erklärungen der Staats- und Regierungschefs, sondern auch an einem zivilisierten Protest. Daran, dass es gelingt, Gewaltexzesse von Autonomen zu verhindern. „Hamburg wird für einige Tage in den Blickpunkt der Weltpolitik rücken“, prophezeit Schmidt. Welchen Eindruck Hamburg machen wird, hängt auch von ihm ab.

 

Die Juniausgabe des Cicero erhalten Sie unserem Online-Shop.

 

 

 

 

 

 

Anzeige