Empörung über Funk-Satire - Hatten wir das nicht schon mal?

Die Diskussion um das Funk-Video zum Thema „Racial Profiling“ reiht sich ein in eine lange Liste von Debatten über Satire im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Das ganze erinnert an die „Umweltsau“-Debatte – und offenbart eine Doppelmoral.

Das Jugendformat "Funk" von ARD und ZDF hat für Aufsehen gesorgt / dpa
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Autoreninfo

Johanna Jürgens hospitiert bei Cicero. Sie studiert Publizistik und Literaturwissenschaft an der Freien Universität Berlin. Zuvor arbeitete sie als Redaktionsassistenz beim Inforadio des RBB.

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Satire ist derzeit ein gefährliches Terrain. Egal welcher Autor, welches Thema, welche Zielgruppe: Das Genre ist ein Garant für hitzige Diskussionen -  es findet sich immer jemand, der sich auf den Schlips getreten fühlt. Ging es gestern noch um die Kabarettistin Lisa Eckhart, streitet sich die Twitter-Blase heute über ein Video von Funk, dem Online-Format von ARD und ZDF, das „Racial Profiling“ und Polizeigewalt in Deutschland thematisiert. Aurel Mertz, Komiker und Moderator, spielt darin einen vermeintlichen Fahrraddieb, den die Polizei allein aufgrund seiner Hautfarbe als solchen identifiziert und schließlich erschießt. 

Das Video wurde vor fast zwei Monaten veröffentlicht, aber wie so oft erfolgt der mediale Aufschrei verzögert – angeleitet von einem, dem die Debatte ganz gut in den Kram passt. Wieder einmal geht es darum, was Satire darf, wann sie gut ist und wo sie stattfinden sollte.

Satire soll fordern, nicht unterhalten 

Anführer der Empörten ist in diesem Fall der CDU-Bundestagsabgeordnete Matthias Hauer. Auf Twitter spricht er von „gebührenfinanziertem Hass auf Polizisten“, schimpft, die Verantwortlichen sollten sich für solche „Pauschalvorwürfe“ schämen. Die alte Forderung nach der Abschaffung der Rundfunkgebühren – wir kennen sie noch von der „Umweltsau“-Debatte aus der ebenfalls nachrichtenarmen Zeit zwischen den Jahren. Auch damals lautete der Vorwurf, der ÖR fälle Pauschalurteile und denunziere ganze Bevölkerungsgruppen. 

Satire pauschalisiert, sonst würde sie nicht funktionieren. Es liegt am Publikum, zu abstrahieren, zu erkennen, welche Zustände sie eigentlich angeprangert. Genauso wenig wie der WDR die gesamte Nachkriegsgeneration als Klimasünder abgestempelt hat, stellt Funk nun jeden Polizisten unter Generalverdacht. Die satirische Überspitzung ist mitunter so offensichtlich, man könnte meinen, sie werde absichtlich missverstanden. 

Keine Frage des „guten Geschmacks“

Klar, über Geschmack lässt sich streiten. Damit macht man es sich allerdings auch recht leicht. Wer in den vergangenen Tagen noch die Cancel Culture angeprangert und sich um seine Meinungsfreiheit gesorgt hat, sollte sich nun ebenso leidenschaftlich für die Satire zum „Racial Profiling“ einsetzen, ungeachtet der eigenen politischen Position.

Denn der Vorwurf, die „vermeintlichen Satire“ diene nur der Verbreitung einer links-grünen Ideologie, greift zu kurz: Die Gebührengelder, mit denen besagtes Satirevideo produziert wurde, haben auch einen ebenso umstrittenen Aufritt Lisa Eckharts sowie Dieter Nuhrs Witze über die Fridays-for-Future Bewegung finanziert. Wer das eine glaubwürdig verteidigen will, kann das andere nicht canceln wollen.

Die Mär vom Staatsfunk 

Auch wenn die Satire einigen missfällt: In Deutschland herrschen keine polnischen Verhältnisse, es gibt keinen „Staatsfunk“. Um das zu erkennen, reicht ein Blick auf die Kritiker der Satire, kommen doch die Forderungen einer finanziellen Sanktionierung von ARD und ZDF auch aus Regierungskreisen. 

So möchte zum Beispiel der medienpolitische Sprecher der CDU-Fraktion „vor dem Hintergrund der derzeitigen Debatte zur Erhöhung der Rundfunkgebühren“ diskutieren, für welche Formate öffentliche Gelder verwendet werden sollen. Paradoxerweise jubeln bei derartigen Vorschlägen ausgerechnet diejenigen am lautesten, die die Rundfunkanstalten sonst gerne als „Merkels verlängerten Arm“ bezeichnen.

Koppeln Politiker die Rundfunkgebühren an inhaltliche Bedingungen, wird aus dem ÖR genau das, als was er vereinzelt - unberechtigterweise -  bereits verschrien ist: Ein staatstreues Medium, das sich vorschreiben lässt, wie es zu unterhalten und Bericht zu erstatten hat. Wir alle tragen mit unseren „Zwangsbeiträgen“ dazu bei, dass es dazu nicht kommt. Der ÖR ist so keinen Aktionären, sondern nur der Gesellschaft verpflichtet. Und dazu zählen neben Lisa Eckharts Publikum und Dieter Nuhr-Fans eben auch all diejenigen, die eine Studie zum Racial Profiling bei der Polizei fordern. 
 

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