Volker Rühe - „Die Bundeskanzlerin sollte über ihren Schatten springen“

Ursula von der Leyen hinterlässt durch ihren möglichen Wechsel in die Europapolitik einen leeren Platz an der Spitze des Verteidigungsministeriums. Für den ehemaligen Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) ist im Gespräch klar: Friedrich Merz sollte übernehmen

Soll sie Friedrich Merz als Nachfolger für Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen einsetzen? / picture alliance
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Volker Rühe war von 1989 bis 1992 Generalsekretär der CDU und von 1992 bis 1998 Bundesminister der Verteidigung.

Heute stellt sich Ursula von der Leyen im EU-Parlament den Fraktionen vor. Es gab Kritik an ihrer Eignung und am Zustandekommen der Personalie. Teilen Sie diese Kritik? 
Nein. Frau von der Leyen wird als Kommissionspräsidentin einen besseren Job machen als als Verteidigungsministerin, wenn man die Leidenschaft sieht, mit der sie sich dieser neuen Aufgabe zuwendet. Im Übrigen: Wenn das europäische Parlament eine andere Situation hätte herbeiführen wollen, dann hätte es sich innerhalb von 24 Stunden nach der Wahl auf einen Kandidaten einigen müssen. Das war aber nicht der Fall. Insofern ist die Kritik am Europäischen Rat etwas wohlfeil. Der Rat musste handeln, weil sich das Parlament nicht auf eine Person einigen konnte. 

Heute morgen hat Katarina Barley für die SPD klar gemacht, dass ausgerechnet die deutschen Sozialdemokraten nicht für Frau von der Leyen stimmen werden. Was sagt das über den Zustand der Großen Koalition aus? 
Das Verhalten der SPD ist nicht überzeugend. Die berechtigte Kritik an Frau von der Leyens Arbeit als Verteidigungsministerin, hätte die SPD innerhalb der Bundesregierung äußern müssen und deutlicher auf Verbesserungen drängen müssen.       

Was ist aus Ihrer Sicht diese berechtigte Kritik? 
Jeder kennt die aktuelle Lage der Bundeswehr. Die CDU war früher die Bundeswehrpartei. Das ist verspielt worden. Nicht nur unter der amtierenden Ministerin, sondern schon davor, insgesamt unter der Kanzlerschaft von Angela Merkel. Wir müssen wieder die Partei der Bundeswehr werden. Deshalb braucht es einen starken Neubeginn und eine starke Figur als Nachfolger von Ursula von der Leyen. 

Volker Rühe / picture alliance

Wen?
Ich finde, die Bundeskanzlerin sollte über ihren Schatten springen und den erfahrensten, tatkräftigsten und durchsetzungsstärksten Politiker aus den eigenen Reihen auswählen. Und das ist für mich eindeutig Friedrich Merz. 

Das ist etwas überraschend. Friedrich Merz ist bisher eher als Wirtschaftsfachmann aufgefallen, nicht unbedingt als Experte für Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Deshalb wurde er eher als denkbarer Wirtschaftsminister gehandelt. 
Der Wirtschaftsminister ist ein viel leichterer Posten als der Verteidigungsminister. Friedrich Merz versteht etwas von Außen- und Sicherheitspolitik. Vor allem aber ist er durchsetzungsfähig und kann die Dinge auf den Punkt bringen. Deshalb traue ich ihm am ehesten zu, die desolate Lage der Bundeswehr zum Besseren zu ändern. Und wenn er bereit wäre, dieses schwierige Amt und die schwere Aufgabe zu übernehmen, würde er zusätzliche Sympathien gewinnen und sich für noch größere Aufgaben empfehlen. 

Warum sollte Angela Merkel ausgerechnet ihren schärfsten innerparteilichen Kritiker und Konkurrenten ins Kabinett auf so einen wichtigen Posten holen? 
Weil es das Kabinett und diese Koalition insgesamt stärken und stabilisieren würde. Wenn man jetzt einen Ringtausch machte – vor allem unter dem Gesichtspunkt, die Frauenquote zu wahren –, dann geht das an der Sache und an den Belangen der Bundeswehr völlig vorbei. Dann würde die Zukunft dieses Kabinetts immer ungewisser. Insofern ist es auch in ihrem Interesse, das Kabinett zu stabilisieren  und vor allem das Verhältnis CDU-Bundeswehr wieder in Ordnung zu bringen. Das geht am besten mit dem politischen Schwergewicht Friedrich Merz. Die Kanzlerin würde damit auch Größe zeigen, weil jeder weiß, dass Merz nicht ihr bester Freund ist. 

Warum nicht Jens Spahn oder Peter Tauber? 
Jens Spahn ist ein ausgezeichneter Gesundheitsminister und bohrt dort gerade dicke Bretter. Er wird auf diesem Feld noch weiter gebraucht. Peter Tauber war schon als Generalsekretär kein Alpha-Typ. Ich halte auch gar nichts davon, parlamentarische Staatssekretäre zu Ministern zu machen. Das ist eine ganz andere Aufgabe, ein ganz anderes Kaliber. Wir brauchen jemanden, der große Organisationen führen kann und eine gewisse Härte hat. 

Merz hat auch noch keine große Organisation geleitet. 
Er hat in der Wirtschaft Menschen geführt und ist mit großen Organisationen umgegangen. Und nochmal: Er ist durchsetzungsstark und hat einen starken Willen. So etwas wie das Desaster bei der Gorch Fock würde ihm nie passieren, da bin ich sicher.  

 

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