Ferienende und Corona - Überraschung, die Schule geht wieder los!

Die Fußballvereine haben sich zum Saisonstart ein Konzept überlegt, wie die Bundesliga mit Zuschauern wieder möglich sein kann. Und der andere Saisonstart? Beschämend unvorbereitet und unverantwortlich stolpert Deutschland in die Schulöffnung nach den Sommerferien.

Mit Maske zur Einschulung: ein richtiges Konzept für den Schulbetrieb fehlt / dpa
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Corona entblößt, entblättert und fördert die Dinge zutage. Manchmal auch die offensichtlichen. Zum Beispiel, dass es sich beim Fußball hierzulande um eine Art Grundrecht handelt. Schon zu Beginn der Pandemie wurde nur wenigen betroffenen Bereichen eine ähnlich hohe Aufmerksamkeit gewidmet wie der Frage, was denn dieses verdammte Virus für die Bundesliga bedeutet und ob nicht doch weitergespielt werden kann.

Und das, obwohl schon damals klar war, dass alle Stadien mit Sprechgesängen und Menschen, die sich bei Toren in die Arme fallen, ein maßgeblicher Treiber bei der Verbreitung von Sars-CoV-2 waren.

Fußball scheint systemrelevant zu sein

Bald schon, früher als in jeder anderen Sportart, wurde ein Corona-Spielbetrieb wieder ermöglicht, um den Fans wenigstens zu Hause am Bildschirm das Samstagsritual zu ermöglichen. Und um den Clubs die Einnahmen aus den TV-Rechten zu sichern. Als Fußballabstinenzler, zu denen ich gehöre, konnte man da schon gehörig staunen über die Wirkmacht dieses Sports. Er scheint in Deutschland systemrelevant zu sein. 

Insofern war es nur folgerichtig und erwartbar, dass die Bundesligavereine und ihr Verband für den Start der neuen Saison ein ausgeklügeltes Konzept vorlegen würden, demzufolge der Spielbetrieb wieder inklusive Publikum aufgenommen werden könnte. Bis hin zum Zapfhahn fürs Bier, der abgedreht bleiben soll, haben sich die Verantwortlichen Gedanken dazu gemacht.

Immerhin ein Plan

Wie immer man zu der Frage steht, wie unter Coronabedingungen 15.000 Menschen auf einem Haufen ohne akute Ansteckungsgefahr zusammenkommen sollen, und ob Bierentzug allein schon ausreicht, die Umarmungen und Jubelschreie zu unterbinden: Es ist immerhin ein konkreter Plan.

Ob das Konzept umgesetzt wird und wann das erste Stadion im Land wieder Zuschauer auf den Tribünen haben wird, ist allerdings völlig unklar. Denn das Go müsste die Politik geben. Gleichwohl ist bis hierhin festzuhalten: Die Fußballmanager haben ihre Hausaufgaben gemacht und sich für den Saisonstart etwas Durchdachtes einfallen lassen. 

Wut und Ohnmacht

Für die Politik und einen ganz anderen Saisonstart kann man das leider nicht sagen. Bundesland für Bundesland werden in den kommenden Wochen die Schulen wieder öffnen, und obwohl dieser Schulbeginn nicht unverhofft und aus dem Blauen kommt wie vor Monaten die Seuche selbst, sind die Vorbereitungen auf diesen großen Corona-Feldversuch erbärmlich.

Es mag von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sein: Aber Rat- und Orientierungslosigkeit sind ein bundesweites Phänomen unter den Betroffenen. Maske im Klassenzimmer oder nicht? Verkleinerte Klassen oder nicht? Wie soll das gehen bei einem geschrumpften Lehrerkontingent, weil viele von ihnen mit einem Attest wedeln? Wer dieser Tage mit Eltern und auch Lehrern spricht, trifft auf eine Mischung aus Wut und Ohnmacht. 

Eine politische Bringschuld

Dabei sind Kinder noch lebendiger und schwerer zu disziplinieren als Fußballfans im Torrausch. Und es hat sich inzwischen, außer beim Chefredakteur der Bildzeitung in seinem Privatkrieg mit dem Virologen Christian Drosten, die studiengestützte Erkenntnis durchgesetzt: Kinder mögen die Krankheit leichter wegstecken als Erwachsene. Sie sind aber nicht minder ansteckend und tragen sogar eine vergleichsweise hohe Virenlast, was ein wichtiger Faktor bei Ansteckung und Verlauf von Covid-19 ist.

Es war einfach, seinerzeit beim Beginn der Pandemie, die Schulen zu schließen. Der Shutdown wurde einfach verfügt und die Folgen auf die Schultern der Eltern gelegt, die das seither gestemmt haben. Irgendwie und mit viel Energieaufwand und Einfallsreichtum. Es wäre eine politische Bringschuld, nein: eine Selbstverständlichkeit, diesen Helden des neuen Corona-Alltags zum Ende der Sommerferien ein schlüssiges Konzept zu präsentieren. Stattdessen erweist sich von der Kultusministerkonferenz über die Schulämter bis in die einzelnen Einrichtungen hinein das System Schule als dysfunktional. 

Kläglich versagt

Der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister hat diese Woche erklärt, dass unter den getesteten Urlaubsheimkehrer etwa 2,5 Prozent das Virus aus den Ferien mitbringen. Das ist eine ausgesprochen hohe und alarmierende Zahl. Ebenso der Umstand, dass die täglichen Fallzahlen des Robert-Koch-Instituts wieder vierstellig geworden sind.

In diesem Kontext ist der Schulbetrieb ein Wagnis, ein notwendiges Wagnis, das penibler Vorbereitung und klarer Kommunikation auf allen Kanälen bedurft hätte. Es geht um essenzielle und existenzielle Dinge. Um die Bildung unserer Kinder, die kollektive Gesundheit der Gesellschaft und darum, die Wirtschaft vor einem zweiten verheerenden Lockdown zu bewahren. 

Bisher hat sich die Politik auf Bundes- wie Landesebene in Deutschland im Kampf gegen Corona gut geschlagen. In der Frage eines wieder einigermaßen normalen Schulbetriebs aber hat sie kläglich versagt.      

 

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