Erste Rede von CDU-Chef Friedrich Merz auf Präsenzparteitag - Mehr klare Mitte statt zu viel klare Kante

Bei seiner ersten Rede bei einem CDU-Präsenzparteitag kommt der neue Parteivorsitzende zunächst schleppend in den Angriffsmodus. Aber die Delegierten jubeln Friedrich Merz zu, wenn er die Ampel angreift und den Kulturkämpfer gibt. Ob die CDU ihm auch in seinem moderaten Mitte-Kurs folgt, wird sich bei der Abstimmung zur Frauenquote zeigen. 

Friedrich Merz auf dem CDU-Parteitag in Hannover. /dpa
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Volker Resing leitet das Ressort Berliner Republik bei Cicero. Er ist Spezialist für Kirchenfragen und für die Unionsparteien. Von ihm erschien im Herder-Verlag „Die Kanzlermaschine – Wie die CDU funktioniert“.

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Friedrich Merz hat drei Jahre um den CDU-Vorsitz gekämpft. Im Februar wurde er gewählt. Freitagmittag in Hannover nun stand er zum ersten Mal als Chef vor seiner Partei. Es war der verspätete Beginn einer neuen Zeit. Der erste Präsenz-Parteitag seit der Pandemie, der erste Parteitag in der Opposition nach 16 Regierungsjahren, der erste Parteitag ohne Angela Merkel als Bundeskanzlerin. Und so klang es am Anfang fast wie eine schüchterne Bewerbungsrede, als Merz begann, aus seinem Leben zu erzählen. 70 Jahre sei die Partei alt, seit 50 Jahren sei er ihr Mitglied. Das klang nicht so direkt nach Zukunft. Der Applaus war noch verhalten. Ein Anfang mit Geschichtsstunde, das gefiel nicht allen. 

Ministerpräsidenten als neue Helden

Die CDU ist noch verunsichert in ihrer neuen Rolle. Sicherheit gewinnt sie mit Blick auf die Länder. Den ersten tosenden Applaus gab es in den Messehallen, als Merz die wiedergewählten Ministerpräsidenten aus Kiel und Düsseldorf begrüßte. Daniel Günther und Hendrik Wüst sind die jungen Helden der CDU. Viele in der Partei hatten in den letzten Jahren den kantigen Merz herbeigesehnt, als Gegenpol zur ruhigen Hand der Bundeskanzlerin. Aber im Jahr eins nach Angela Merkel muss Merz seine parteiinterne Rolle noch finden. Innerparteilich ist er nun nicht mehr die Antithese, sondern er muss integrieren. Sein Gegenüber ist nun der SPD-Kanzler. Und im weiteren Verlauf seiner Eröffnungsrede in Hannover findet er in einen Angriffsmodus.

Beim CDU-Parteitag in Hannover stehen keine Wahlen auf der Tagesordnung. Ohne Personalentscheidungen und auch noch in der Opposition in Berlin fehlt also die ganz gewichtige Bedeutung. Stattdessen droht nun die Selbstbeschäftigung. Abgestimmt werden soll über Satzungsänderungen, debattiert wird die Frage, ob eine Frauenquote eingeführt wird, und ob in Deutschland ein Gesellschaftsjahr für junge Menschen eingeführt werden soll. Der Parteitagsregie war im Vorfeld schon mulmig, dass während draußen die Welt zusammenbricht, in der Halle die CDU sich im Kleinklein verliert. Deswegen wurde in aller Eile ein Initiativantrag des Bundesvorstandes geschrieben, der nun die CDU-Antworten auf die Energiekrise und die drohende Wirtschaftsnotlage infolge des Ukraine-Konflikts bündelt. Doch ein Parteitag braucht Reibungspunkte, und die findet man eben nicht in diesen Konsenspapieren. 

Deswegen durchzog die Sorge vor zu viel Selbstbeschäftigung dann doch die Rede von Friedrich Merz. In der Beschwörung des Unerwünschten. Drei Mal warnte er in seiner Ansprache vor dem Köcheln im eigenen Saft und mahnte, „draußen“ würden die Wählerinnen und Wähler zuschauen und beobachten, ob die richtigen Entscheidungen getroffen würden. Damit war klar, eigentlich fiebern alle in der Halle der Abstimmung über die Quote entgegen, denn vor allem an dieser Frage lassen sich doch unterschiedliche Strategien für die Zukunft der Union ablesen. Merz spricht das große kleine Thema in seiner ersten Parteitagsrede nicht direkt an. Er stellt sich in die Mitte, das ist eigentlich nicht das, was seine Fans dereinst an ihm geschätzt haben. Klare Mitte statt klare Kante.

Durchgang durch Merz‘ Lebensgeschichte

Nachdem aber Merz in seiner Ansprache den Durchgang durch seine Biografie, von Ostverträgen über Nato-Doppelbeschluss bis zur Wiedervereinigung, beendet hat, findet er in den Angriffsmodus. Und als er dann aus dem Kinderbuch des grünen Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck zitiert, kommt Stimmung auf in der Hannover-Messe. „Deutschland ist kein Bullerbü“, ruft Merz seinen Parteifreunden zu. Mit Kinderbüchern und Philosophie könne man die Probleme des Landes nicht lösen. Abteilung Attacke kann Friedrich Merz - und die Delegierten dankten es mit Jubel und Applaus. 

Scharf geht Merz auch mit der SPD und ihrem Bundeskanzler ins Gericht. „Politische Korruption“ wirft er der Sozialdemokratie im Hinblick auf die Kontakte nach Moskau vor. „Hier in Hannover sitzt das Netzwerk, das noch immer funktioniert.“ Doch diese Kritik war mit Selbstkritik verbunden. Deutschland in die große Abhängigkeit von russischem Gas gebracht zu haben, sei eine „große Dummheit und naiv“ gewesen, so Merz. An diesem Fehler sei die CDU nicht unbeteiligt gewesen. Und damit blieb der Angriff letztlich ohne große Schlagkraft. Es fällt der CDU und erst recht Friedrich Merz schwer, mit Stolz auf die Merkel-Jahre zurückzuschauen. Das bleibt ein Stimmungsdämpfer in Hannover. Selbst als NRW-Ministerpräsident Wüst noch mal explizit dazu aufruft, die Regierungsjahre zu beklatschen, bleibt der Applaus verhalten. 

Keine Gender-Sprache im ÖRR

Der CDU-Vorsitzende beteuert die Solidarität zur Ukraine, wiederholt seine Kritik an der Ampel, die er in dieser Woche im Bundestag formuliert hatte. „Stoppen Sie das rot-grün-gelbe Narrenschiff“, rief er von Hannover aus Olaf Scholz zu. Doch was die Partei sich wünscht, war in anderen Passagen immer wieder zu spüren. Die Delegierten sehnen sich nach dem Kulturkämpfer Merz zurück, der sich jetzt offiziell als „Modernisierer“ feiern lässt.

Und so tobt der Saal, als Merz gegen die sogenannte Gender-Sprache wettert. „Wir können von den mit Gebühren finanzierten Medien erwarten, dass sie sich an die allgemein gültigen Sprachregeln halten.“ Das zündet im Saal. Zuvor hatte Merz schon die 58 Vertreter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks  direkt begrüßt. Das Thema werde debattiert, so der Chef.

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